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264 f. Seneca. Rutilius Lupus.

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1672. Text der Bipontina, 1783. Erste kritische Ausgabe: rec. et emend. Conr. Bursian, Lips. 1857. Recogn. A. Kiessling, Lips. (Teubner.) 1872.

Kritische Beiträge von H. Höfig (de Sen. rhet. quattuor codd. mss. Schottianis, Görlitz 1858. 4.), J. Vahlen (Rhein. Mus. XIII. S. 546-564), A. Kiessling (ebd. XVI. S. 50—61 und in den Beiträgen zur Kritik latein. Prosaiker, Basel und Genf 1864, S. 32-47), Herm. Müller (Rhein. Mus. XXI. S. 405-428. XXIV. S. 636 f. XXV. S. 451. Berliner Zeitschr. für Gymn.

1868, S. 81–93. 715 f. vgl. 490 f.), Cl. Konitzer (ebd. S. 966-970; Quaest. in Sen. patrem criticae, Breslau 1864, und Beiträge zur Kritik des Rh. Sen., Breslau 1866. 4.), R. Wachsmuth (Quaest. crit. in Sen. rh., Posen 1867. 4.), O. Rebling (Observatt. critt. in S. patrem, Götting. 1868), M. Haupt (Hermes III. p. 344 f.), C. Bursian (Spicilegium crit. in Sen. libris suas. et controv., Zürich 1869. 4.).

9. J. Körber, über den Rhetor Seneca (S. 1-23. 58-66) und die röm. ` Rhetorik seiner Zeit (S. 23-58), Marburg 1864.

265. Den späteren Lebensjahren des Seneca gleichzeitig 254 war wohl der Rhetor P. Rutilius Lupus, der Verfasser der erhaltenen zwei Bücher schemata lexeos, welche eine abgekürzte Uebersetzung eines Werkes von Gorgias über die Redefiguren sind, aber nur einen Theil des ursprünglichen Werkes gebildet zu haben scheinen.

1. Dass Seneca den Rutilius Lupus nie nennt beweist nicht dass er ihn nicht mehr erlebt hat, erklärt sich vielmehr aus dem Plane seines Werkes; s. controv. I. praef. 4: neque de his me interrogatis quos ipsi audistis, sed de his qui ad vos usque non pervenerunt. Dass Rutilius andererseits vor Celsus schrieb erhellt aus Quintil. IX, 2, 102: praeter illa quae Cicero inter lumina posuit sententiarum multa alia et Rutilius, Gorgian secutus, non illum Leontinum, sed alium sui temporis (welcher zu Athen Lehrer des jungen Cicero war, ad fam. XVI, 21, 6 vom J. 710 d. St.), cuius quattuor libros in unum suum transtulit (die Eintheilung in zwei Bücher ist also späteren Ursprungs), et Celsus, videlicet Rutilio accedens, posuerunt schemata. Vgl. noch ib. 101. 106 (Rutilius sive Gorgias). 3, 36. 84. 89 (qui proprie libros huic operi den Figuren dedicaverunt, sicut Caecilius, Dionysius, Rutilius, Cornificius, Visellius). 91-94. 99. Vielleicht war Lupus ein Sohn des gleichnamigen Pompejaners (Pauly's Real-Enc. VI, 1. S. 588, Nr. 14).

2. Das erhaltene Werk veranschaulicht die unnütze und kleinliche Vervielfältigung der Redefiguren in der späteren Rhetorik, wobei Gorgias entweder selbständig verfahren zu sein oder andere als die uns bekannten Quellen benützt zu haben scheint, da seine Aufzählung und Terminologie viel Eigenthümliches hat (Dzialas, quaest. p. 15-21). Werth hat das Schriftchen hauptsächlich durch die zahlreichen und gut übersetzten Beispiele aus griechischen Rednern, zum grossen Theil aus verlorenen. Abgekürzte Bearbeitung des griechischen Originals; s. II, 12: quid intersit . . cognoscere poteris. . multo diligentius ex graeco Gorgiae libro, ubi pluribus uniuscuiusque ratio redditur.

TEUFFEL, Röm. Literaturgeschichte. 2. Aufl,

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3. Dass das Werk nicht vollständig erhalten ist zeigen die Redefiguren (orýμara diavoías) welche Quintil. IX, 2, 103. 106 (vgl. 3, 89) aus Rutilius anführt ohne dass sie sich in demselben finden, so wie aus dem Titel der Schrift in den Hdss.: P. Rutilii Lupi schemata dianoeas ex Graeco vorsa Gorgia, während sich das Erhaltene doch nur auf die ozuara légɛws bezieht. Der Titel wird daher ursprünglich gelautet haben: schemata dianoeas et lexeos ex graecis Gorgiae versa (Ruhnken). Vgl. Dzialas, Quaest. p. 14 f. 28 ff. Bei dieser Sachlage hat wenig Sicherheit die Vermutung (von Dzialas, ib. p. 36-38), Rutilii librum quem nos habemus non esse e manu Rutilii profectum, sed magistri alicuius epitomen. Das carmen de figuris kannte bereits nur den jetzigen Umfang, sogar mit der Lücke zwischen I, 5 u. 6; s. Dzialas p. 15–28. Ueber die Ausfüllung jener Lücke durch C. Schöpfer (Quedlinburg 1837) s. F. Haase, de fragmentis Rutilio Lupo a Schöpfero suppositis, Breslau 1856. 4.

4. Ausgaben. Venet. 1519. Ald. 1523. Von B. Rhenanus, Basil. 1521. 4.; R. Stephanus, Paris 1530. 4. In den Rhetores antiqui von Fr. Pithoeus (Paris 1599. 4.), Capperonnier (Strassburg 1756. 4.) und besonders den Rhetores látini minores von C. Halm (Lips. 1863) p. 3-21. Rec. et annot. adi. D. Ruhnken, Lugd. Bat. 1768 (Lips. 1831). In us. schol. explanavit F. Jacob, Lübeck 1837.

5. Kritische Beiträge von J. Mähly (Philologus XIV. S. 764-768), J. G. Fröhlich (Fleckeisens Jahrbb. 89, S. 202-208), J. Simon (Philologus XXVII. S. 642-659) u. a.

6. G. Dzialas, Quaestiones Rutilianae, Diss. Breslau (1860), und Rhetorum antiquorum de figuris doctrina (Breslau 1869. 4.). C. Schmidt, de Rutilio Lupo, Breslau 1865. 4.

IV.

Dritte Periode.

Die römische Kaiserzeit.

255 266. Wie die augusteische Zeit in der Geschichte eine Doppelstellung hat, als Ende der Republik und Anfang der Kaiserzeit, so auch in der Literatur, da ihre grössere Hälfte zu deren goldenem Zeitalter gehört, die kleinere spätere aber zum silbernen. In letzterem wirken die ursprünglichen nationalen Kräfte noch fort, aber abgeschwächt und getrübt durch die neuen politischen Verhältnisse, welche nach Augustus die Monarchie zum Despotismus steigern. Der Despotismus bewirkt allmählich den Tod alles selbständigen geistigen Lebens. Dieses

266 f. Charakteristik und Uebersicht.

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Ergebniss tritt zu Tage sowie unter den Antoninen die krankhafte Spannung auf eine Reihe von Jahrzehnten nachlässt und nun der Versuch zu neuen Hervorbringungen gemacht wird. Aber die völlige Erschöpfung bringt es nur zu einem Scheinleben und zu Nachahmungen. Wie am Ende des zweiten Jahrh. n. Chr. Commodus den alten Despotismus erneuert und Schlag um Schlag auf Volk und Reich niederfällt, wird die innere Auflösung nur durch das Leben in den Provinzen noch längere Zeit aufgehalten und verdeckt; aber in der Literatur gedeiht einzig noch die Jurisprudenz und etwa die Gelehrsamkeit. Die Literatur überlebt sogar noch längere Zeit den äusseren Untergang des römischen Reichs (J. 476) und endet erst mit dem sechsten Jahrhundert. So zerfällt die Kaiserzeit in drei Abschnitte von stufenweise abnehmender literarischer Bedeutung: das erste Jahrhundert n. Chr. Geb., das zweite Jahrhundert oder das Zeitalter Hadrians und der Antonine, und endlich das dritte bis sechste Jahrhundert n. Chr.

A. Das silberne Zeitalter der römischen Literatur.

Erstes Jahrhundert, J. 14–117 n. Chr.

267. Das erste Jahrhundert umfasst die Regierungen von256 Tiberius (J. 14-37 n. Chr.), Caligula (J. 37-41 n. Chr.), Claudius (41-54), Nero (54-68), Vespasianus (69-79), Titus (79-81), Domitianus (81-96), Nerva (96-98) und Trajanus (98-117). Es zerfällt wiederum in drei Abschnitte, die Zeit der Julier (J. 14-68 n. Chr.), die der flavischen Dynastie (J. 69-96 n. Chr.), und die des Nerva und Trajan (J. 96-117). Der Charakter des Jahrhunderts wird bestimmt durch seine Anfänge. Die Monarchie, welche unter Augustus sich noch meist in milde Formen gekleidet hatte, wird unter den Nachfolgern aus seinem Hause allmählich nackter Despotismus, tückisch und brutal, stumpf und wahnsinnig, aber immer gleich mörderisch gegen alle Selbständigkeit, nur Sklaven und Werkzeuge neben sich duldend, den Besseren nur die Wahl lassend zwischen Tod und Heuchelei.') Vespasian und Titus kommen zu spät und

1) Je weniger das Leben bot an echten Genüssen und je reicher es war an Qualen, um so leichter entschied man sich, gestützt auf die Lehren der Stoa, dafür aus ihm freiwillig zu scheiden. So schon unter Tiberius dessen Freund Cocceius Nerva, dann Cassius Severus, Albucius Silus, (Apicius,) Silius Italiens, Corellius Rufus (Plin. Ep. I, 12), Titius Aristo (ib. I, 22, 8) u. A.

werden zu bald gefolgt von dem bösartigen Wüterich Domitian als dass durch sie eine wesentliche Besserung hätte erfolgen können, und die Zeit des Nerva und Trajan bringt nur zum Bewusstsein was man alles in der schlimmen Vergangenheit erlitten und eingebüsst hat. Für die Literatur kommt zu diesen Uebeln noch der besondere Umstand dass alle Kaiser dieser Zeit persönlich für sie Sinn und Verständniss haben; denn um so argwöhnischer überwachen sie jede Lebensregung auf diesem Gebiete und empfinden wohl gar Eifersucht auf die schriftstellerischen Erfolge Anderer. Daher bekommt die Literatur die Wirkungen des Despotismus in verstärktem Masse zu fühlen.')

Die Wirkungen welche der Despotismus auf die Geister äussert sind theils negativer theils positiver Art. Fürs Erste schafft er um sich die Stille des Kirchhofes, indem alle Selbständigkeit gemordet wird, sich in Schweigen hüllt, verkriecht, verstellt) und der Kriecherei das Wort überlässt, sich selbst ergebend in das Unabänderliche, ja sich anstrengend um sich innerlich ihm möglichst anzubequemen.) Die positive Wirkung dieser Zurückdrängung der Selbständigkeit in das tiefste Innere ist einerseits eine Verinnerlichung und Vertiefung welche dem Familienleben zu Gute kommt und Gestalten wie die Arria und Fannia hervorbringt, zugleich aber auch Verbissenheit und Verschrobenheit. Da man sich nicht geben kann wie man ist und sich bemüht den Schein zu erregen als wäre man anders als man ist, so geräth man in Heuchelei und Affectation. Die Natur ängstlich zu verbergen genöthigt verfällt man in Künstelei und Unnatur. Jeden Augenblick von Spähern beobachtet oder es doch meinend fühlt man sich fortwährend wie auf der Bühne: man denkt an den Eindruck seines Thuns auf Gegenwart und Nachwelt1), man lebt sich in eine Rolle hinein, man nimmt

1) Plin. Ep. III, 5, 5: sub Nerone, cum omne studiorum genus paulo liberius et erectius periculosum servitus fecisset. W. A. Schmidt, Geschichte der Denk- und Glaubensfreiheit im ersten Jahrhundert der Kaiserherrschaft, Berlin 1847.

2) Es war gefährlich ein tüchtiger Mann zu sein; Plin. Ep. V, 14, 6: tandem homines non ad pericula, ut prius, verum ad honores virtute perveniunt. VIII, 14, 7: cum suspecta virtus, inertia in pretio.

3) Lucan. III, 146 f.: cuius (der libertas) servaveris umbram si quidquid iubeare velis.

4) Plin. Ep. III, 16, 6: ista facienti, ista dicenti gloria et aeternitas ante oculos erant. IX, 3, 1: mihi, nisi praemium aeternitatis ante oculos,

267. Charakteristik und Uebersicht.

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theatralische Posituren an, man declamiert statt zu sprechen. Je mehr der Einzelne sich anstrengen muss um in schwerer Zeit nicht unterzugehen, um so grösser kommt er sich vor: eine gewisse Eitelkeit haftet allen Persönlichkeiten dieser Zeit an1), und genährt wird sie durch die öffentlichen Vorträge ohne anderen Zweck als Schaustellung des eigenen Ich und gegenseitige Bewunderung.) Die Unsicherheit alles Seins und Habens, die stete Angst in der man lebt, bewirkt eine unruhige Beweglichkeit, krankhafte Gereiztheit und Hast, die nicht früh genug beginnen zu können glaubt und den Augenblick gierig ausbeutet, die Einen in Sinnentaumel, die Andern -in leidenschaftlichen Vorkehrungen für ihre Unsterblichkeit. 3)

Dieser Charakter der Zeit prägt sich auch in ihrer Schreibweise aus.1) Das Einfache, Natürliche gilt für geistlos): schimmernd, pikant, interessant sucht die Rede zu sein; sie umhängt sich daher mit dem Flitterstaate von Sentenzen"), rhetorischen Figuren) und poetischen Wendungen.) Aber nach dem glei

pingue illud altumque otium placeat. ib. 14, 1: (nostro) studio et labore et reverentia posterorum. Vgl. V, 8, 1. Tac. A. XIV, 49 extr.: Thrasea sueta firmitudine animi et ne gloria intercideret.

1) Der selbst sehr eitle Plinius klagt seinerseits wieder über die Selbstgewissheit und Selbstüberhebung von adolescentuli nostri, ep. VIII, 23, 3.

2) Quintil. X, 1, 18: et vitiosa pluribus placent et a corrogatis laudantur etiam quae non placent. Vgl. Pers. I, 83 ff. Auch auf die Beredtsamkeit übte diess Einfluss; Quintil. IV, 3, 2: quod natum ab ostentatione declamatoria iam in forum venit, postquam agere causas non ad utilitatem litigatorum, sed ad patronorum iactationem repertum est; vgl. oben 44, 4. Von dem gegenseitigen Beräuchern finden sich bei Plinius d. J. zahlreiche Proben, aber auch bei Martialis und Statius.

3) Mit der aufkommenden Sentimentalität wächst auch das Gefühl und Verständniss der unbelebten Natur, das besonders bei dem jüngeren Plinius (s. d., A. 7) ausgebildet ist, aber auch bei Quintilian u. A. sich findet.

4) Sogar die Formen der Schrift (Buchstaben) auf den Inschriften aus dieser Zeit verrathen theils deren gesuchte Zierlichkeit theils ihre charakterlose Schwächlichkeit neben Gespreiztheit; s. Ritschl, Rhein. Mus. XXIV. S. 7. 5) Quintil. II, 5, 11. VIII. prooem. 24 ff., z. B. 26: nos quibus sordet omne quod natura dictavit. Vgl. unten 308, 1 u. 6.

6) Quintil. VII, 1, 44. XII, 10, 46. 48.

7) Quintil. VIII. prooem. 24: nihil iam proprium placet etc. IX, 3, 1: paene iam quidquid loquimur figura est.

) Tac. dial. 20: exigitur iam ab oratore etiam poeticus color. Quintil. VIII. prooem. 25: a corruptissimo quoque poetarum figuras ac translationes

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