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Rechtsgefühl und zur Moral sich glänzend entwickelte, war der Volksgeist am Ausgang des Mittelalters durch Reichthum und Gewerbefleifs gehoben, durch reges Gemeinwesen und einen weiten Ueberblick der Welt gereift und mit Selbstgefühl erfüllt; die Unsicherheit der öffentlichen Zustände, der gewaltthätige Cha.rakter der Fürstenmacht, die Parteikämpfe der Freistaaten gaben fern von einer ängstlichen Rücksicht auf Gesetz und Sittlichkeit dem Ehrgeiz vollen Raum, zogen das Talent aus der Verborgenheit und steigerten die Virtuosität. Alles war auf eigene Kraft und persönliche Tüchtigkeit gestellt, vorzüglich in Florenz, der Stadt der scharfen Reflexion und der künstlerischen Produktivität. Je weniger Italien zur Einheit kam und je stärker die Parteien wechselten, desto selbstbewufster durfte die Persönlichkeit ein wirken, und nirgend im Abendland war dem Individuum eine reichere Durchbildung vergönnt. Die vielseitigste Thätigkeit entwickelte sich daher auf allen Punkten der Gesellschaft, und häufig sind in derselben Person der Kaufherr, der Staatsmann und der Gelehrte vereinigt. Diese Freiheit der Person und Willenskraft hebt jeden feudalen Unterschied auf und läfst die Mehrzahl in der Bildung und harmonischen Abrundung des Lebens zusammentreffen; sie gestattet weder Sonderung der Stände noch gönnt sie dem privilegirten Adel einen bevorzugten Platz. Wissenschaft und Kunst fordern die lebhafteste Theilnahme, Witz und parodischer Spott sind allgemein geduldet und beliebt. Solche Kühnheit der individuellen Bildung hatte raschen Fortgang in einer Zeit, die geringe Schranken am religiösen Leben fand und keinen nährenden Stoff aus christlicher Gesinnung zog. Man weifs dafs die Kirche damals wie nie zuvor geistesarm und öde geworden, das Dogma kraftlos und unverstanden, das Pabstthum samt den Trägern der Hierarchie verachtet und im tiefsten Grund verdorben, zuletzt verweltlicht und eine blofs weltliche Macht war; Finsternifs und Unglaube beherrschten auf kirchlichem Gebiet alle Klassen der Gesellschaft und schwächten die sittliche Stärke der Bildung. Daher konnte die geniale Kultur sich unbeschränkt ausbreiten, und ihre freie Bewegung ergriff ebenso sehr die Geistlichen als die Weltmänner. Als nun der junge Volksgeist Italiens unmittelbar mit dem wiedererweckten Alterthum in Vernehmen trat, erhielt er einen starken Zusatz von antiker Färbung, der heidnische Charakterzug der Nation begegnete dem verwandten Ton des Alterthums: ein Ergebnifs dieser Mischung aus alten und

modernen Elementen, das Vorspiel einer neuen gährenden Welt, war der sogenannte Paganismus, den die Würdenträger der Kirche laut verkünden. Man versteht also die warme Neigung der Italiäner zu den Alten, bei denen sie die Formenlehre der Bildung antrafen, die schwungvolle Thätigkeit der Humanisten, welche das Gemeingut der ganzen gebildeten Nation zu verwalten schienen; man erklärt hieraus auch den Ruhm und das Selbstgefühl dieser Gelehrten und Schönredner: ihrer bedurfte man zur Abfafsung von Briefen, zum Vortrag feierlicher Reden, sie wurden ohne Rücksicht auf ihre Herkunft hochgeschätzt als Geschäftsmänner, als Meister des Worts und der Feder, und arbeiteten in der päbstlichen Kanzlei wie in der Diplomatie der Republiken. Die beste Stütze des Italiänischen Humanismus war also der allgemeine Sinn für Wohlredenheit, die Bewunderung schöner Form und rhetorischer Kunst in Schrift und öffentlichem Vortrag, zumal bei den Florentinern; aber ihm fehlte der Rückhalt einer religiösen und sittlichen Kraft, und er wich vor der kirchlichen Reaktion, als ihm beengende Schranken gesetzt und realistische Studien entgegengestellt wurden.

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts blühte die mit der Typographie verbündete Philologie in allen Staaten Italiens, nirgend aber fröhlicher als in Rom und Florenz, ihren angesehensten Musensitzen. Der Erfolg beider Schulen war ebenso verschieden als ihre Richtung und Farbe. Florenz vereinte die Studien der Griechen und Römer, und dieser erweiterte Gesichtskreis hob den Sinn für Spekulation und philosophische Bildung der antiken Welt, selbst (wie der Verehrer Roms Macchiavelli beweist) für das Verständnifs der alterthümlichen Politik. Florentiner stifteten unter dem Schutze der Medici sogar eine Gesellschaft für Mystik, und entwickelten im Schofs ihrer Platonischen Akademie ein System des Unglaubens mit typischer Sinnbildnerei, welches den Platz der verlorenen christlichen Gesinnung und kirchlichen Zucht einnehmen sollte. Manche dieser mit Astrologie gefärbten heidnischen Ideen haben durch Wort und Schrift des Marsilius Ficinus auch diesseit der Alpen einen Anklang gefunden. Der feinste Vertreter des humanistischen Florenz Angelus Politianus (1454-1494.), hervorragend durch Geist und weltmännische Glätte, darf als der erste vielseitige Kenner des Griechischen und Römischen Alterthums gelten. Er war thätig in diplomatischer Kritik und gewandt in freisinniger Interpretation, glänzte vor anderen

als öffentlicher Lehrer und förderte den Geschmack an beredter Form unter dem Einfluss Ciceros 88). Weniger bedeutet ein sonst beliebter Erklärer, welcher der hergebrachten allegorischen Manier folgt, Christoph. Landinus (1424-1504.), der letzte Zögling des Mediceischen Hauses. Die Römische Schule hingegen zog ihre Nahrung aus den Erinnerungen der ewigen Stadt; sie schätzte das realistische Wissen, welches auf Alterthümer und historische Darstellung der Römischen Welt sich bezog, und begann Denkmäler zu sammeln. Ihre Genofsen haben dafür manche Schrift über Theile der Antiquitäten unter alten Namen verfafst, einigemal sogar untergeschoben. Der eifrige Lehrer dieser Romanisten der Kalabrese Pomponius Laetus († 1498.), vielleicht das erste Haupt einer Philologenschule, erwarb dort ein grosses Ansehn als ein Mann von Charakter und politischer Bildung, der auch mit Sachkenntnifs die Kunst der Interpretation übte; seine Thätigkeit wurde zuletzt gewaltsam durch Pabst Paul II. unterbrochen, den die schwärmerische Richtung der Römischen Akademie mit Argwohn erfüllte 84). Sein talentvoller Schüler M. Ant. Sabellicus erweist weniger den sittlichen Geist dieser Genossenschaft als ihre Sicherheit im Stil. Den allgemeinsten Anklang fanden dann die klassischen Studien unter Pabst Leo X. dessen Namen die reinste Blüte der Kunst verewigt hat. Meister und Meisterwerke des ersten Rangs in Plastik, Form und Wissenschaft bezeugen noch jetzt den unvergleichlichen Kult des Genius und den Einfluss des Alterthums auf eine begabte Zeit, die während die Kirche wie niemals früher verweltlicht und ihre Würdenträger arm an sittlichem Ernste waren, mit hohem Wohlgefallen die sinnliche Schönheit und Eleganz der Formen ergriff, aber auch mit geübter Hand das Ideal in bildender Kunst und klassischer Rede beherrschte. Der Stil wurde nicht mehr aus allen Autoren ohne sicheren Geschmack zusammengelesen, sondern gewöhnte sich allgemein an Ebenmals und Reinheit; er zog zuletzt aus den antiken Mustern einen Grad der Korrektheit, deren Glanz auch auf die Lateinische Poesie des 16. Jahrhunderts sich erstreckt. Der Gipfel dieser formalen Trefflichkeit, der zur gründlichen Wirkung oft nur ein tiefer Gehalt fehlt, war der Ciceronianismus, den strenge Beurtheiler als Ausdruck des Paganismus erkannten: und gewifs hat die Sekte der Ciceroniani zwar manches ernste Werk, namentlich elegante Historien und lesbare geschichtliche Monographien geliefert, aber schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts in fein ge

schriebenen Briefen, Reden und anderen Schaustücken sich völlig erschöpft 85). An ihrer Spitze steht der Kardinal Petrus Bembus, dieselbe Bahn verfolgten neben und nach einander gewandte Stilisten wie Nizolius, Bonamicus, Longolius, Floridus Sabinus, Manutius, denen viele Fremde von Romanischem Geblüt sich anschlofsen; die Ciceronianer wandten mit überraschender Geschmeidigkeit ein fliefsendes Neulatein auf das moderne Leben an, ohne den individuellen Ausdruck zu verwehren. Ungeachtet aller Einseitigkeit, woran die phantastischen Spiele mit der entlehnten Form in konventioneller Phrase leiden, erfreut den heutigen, weniger auf die Form gerichteten Leser der Schwung und die Genialität, welche der Reichthum einer frisch entdeckten Welt an praktischen Gedanken und stilistischen Mustern entzündete; man erstaunt zugleich über die Menge der geschickten Darsteller, deren jeder seinen Ton und seine Vorzüge hat. Kein Land hat während des 16. Jahrhunderts soviele (jetzt wegen ihrer Menge fast vernachläfsigte) Meister in gefälligem Stil und antikem Kolorit unter Geistlichen und Gelehrten jedes Berufs erzogen. In diesem empfänglichen Sinn für edle Form und reinen Geschmack, welcher bis zur unbedingten Leidenschaft sich steigerte, waren Philologen und Machthaber des verschiedensten Ranges einig: er bildet den Schwerpunkt der nationalen Studien und ist die geheime Kraft, wodurch Italien zwei Jahrhunderte lang ein wahrhafter und lebendiger Musensitz, besonders der geistige Herd der Alterthumsstudien geworden ist.

Allein unerwartet traf diese Studien auf der Höhe des Ruhms ein empfindlicher Rückschlag durch die Gegenreformation oder Restauration der katholischen Kirche. Die profane Bildung, die humanistische Denkart hatte fröhlich und leichtsinnig, durch kein heilsames Gegengewicht beschränkt, geherrscht und die feine Welt entzückt; jetzt musste sie sich dem geistlichen Regiment unterwerfen und in den Winkel weichen, als das Pabstthum jede freisinnige, vom Buchstaben des Dogmas abweichende Richtung verfolgte. Für einen kräftigen Widerstand besafs die Philologie Italiens zu geringen Kern und Rückhalt, die Deutsche Reform erwärmte wenige jener Humanisten; man schien am Alterthum gesättigt zu sein, und schon seit dem dritten Jahrzehnt liefs die Gunst nach, welche Rom bisher verschwenderisch erwies; selbst das Studium der Griechen ermattete frühzeitig und wurde der

Minderzahl überlassen. Der Betrieb der alten Litteratur ging auf schulmäfsige Vorbildung und Sprachkenntnifs herab, das Griechische zog sich vor dem Latein allmälich zurück und sank bis zur Mittelmässigkeit. Aller liberale Sinn ging verloren, sobald die Jesuiten sich des Unterrichts bemächtigten; und die praktischen Interessen, namentlich Mathematik und Naturwissenschaften traten nicht nur in den Vorgrund, sondern wurden auch durch ausgezeichnete Geister gehoben. In kurzem verband sich mit der Erstarrung des politischen Lebens und der über Italien eingebrochenen Fremdherrschaft ein entschiedener Wechsel in Denkart und Studien; vollends als ein so kräftiger und fanatischer Pabst wie Sixtus V. die Reaktion auf die Spitze trieb 86). Zwar gab es Männer welche gleich M. Ant. Muretus (1526-1585.) oder Petr. Perpinianus (gest. 1566.) durch Eleganz und stilistische Gewandheit, wenn auch ohne tiefen Gehalt glänzten, aber Ernst und Freiheit der Forschung verloren den Boden; die Begeisterung der Italiäner für das Alterthum verduftete gleich einem jugendlichen Rausch. Nur eine Tradition in klarer und geistreicher Form dauerte noch über die Zeiten von Jac. Facciolati († 1769.) hinaus; sonst beschäftigte sich die Mehrzahl mit Kritik, Alterthümern und Monumenten, am lebhaftesten und glücklichsten mit Inschriften. In genauer diplomatischer Kritik ging Petrus Victorius (14991585.), der in seinem langen Leben eine Reihe gewählter Handschriften verglich und zu planmäfsiger Berichtigung der Texte (Cic. Epp.) verwandte, mit einem hochgeschätzten Beispiel voran; das Gebiet der Alterthümer wurde durch Car. Sigonius (15241584.) gehoben, einen Mann von tüchtigem Charakter und grofsen Lehrgaben, der als kritischer Forscher in klarster Darstellung seine Zeitgenossen übertraf. Beide Männer vereinigten das reichste Wissen, mit dem die Philologie Italiens im 16. Jahrhundert schlofs 87).

74) Eine kritische Biographie des Petrarca mit unbefangener Charakteristik seines litterarischen Verdienstes hat Blanc im Artikel der Hallischen Encyklopädie geliefert. Als Ergänzung kann bei Voigt im ersten Jahrhundert des Humanismus Buch I. dienen: hier wird die propädeutische Wirksamkeit des Mannes anschaulich, der von der ganzen vornehmen Welt als ein Weiser verehrt wurde. Man darf daher seine mit krankhafter Eitelkeit versetzte Ruhmsucht aus dem Selbstgefühl einer hervorragenden Persönlichkeit, die hoch über ihrer Zeit stand, erklären und rechtfertigen. Sonst kommen am meisten in Betracht Tiraboschi und Ginguené in der Histoire littéraire d'Italie; als Sammler eines reichen Materials Abbe de Sade Mémoires pour la vie de Pétrarque, Amst. 1764. III. 4. Eine Skizze gab Henschel in der Allgem. Monatsschrift 1853. Aug. Opera omnia Basil. 1554. f. wiederholt 1581. Für die litterarischen Verhältnisse sind ergiebig seine Epp. de rebus senilibus I. XVI. Andere Briefe noch unedirt in Florenz, wie Plut. 53, 4. Seine bedeutendsten

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