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setzen. Gewifs bleibt es ein bedenklicher Zwang, wenn man dem Streben nach gedrängter Kürze die Leichtigkeit aufopfert. An diese Klippe sind die meisten litterarhistorischen Charakteristiken und litterarischen Gemälde der Deutschen, vor anderen Wachlers Handbuch der Geschichte der Litteratur, gerathen: nach Abzug der überschwänglichen Phrasen blieb gewöhnlich nur ein Gewühl nackter Namen, Zahlen und Büchertitel übrig.

Aus allem ergab sich die Ueberzeugung dafs eine zweite Auflage dieses Grundrisses nichts geringeres als eine vollständige Umarbeitung sein müsse. Doch ist mir der Entschlufs an eine solche zu gehen um so schwerer gefallen, als die jüngsten Jahre gerade für Sammlung des Gemüths wenig gemacht und einem Grade der Frische, welchen so zusammenhängende Studien fordern, nur ungünstig waren. Mitten in langwierige, noch unvollendete Arbeiten eine neue von keinem geringen Umfang aufzunehmen, wodurch keine gefördert und jede verzögert wurde, schien nach früheren Erfahrungen am wenigsten rathsam. Zuletzt die Mühen einer Forschung, welche völlig von vorn beginnen und kein Detail ungeprüft hinnehmen sollte: gerade jene Mühen an denen man aus Unkunde der grofsen Schwierigkeiten nur in jugendlichen Jahren rechten Geschmack findet. Sie sind demjenigen unbekannt, der den Stoff aus Vorreden und Zeitschriften, Monographien und anderen zufälligen Mitteln glaubt zusammenlesen zu können, der die Unebenheiten fremder Urtheile nur um des Friedens willen ausgleicht und die Geschichte der Litteratur in ein Archiv musivischer Auszüge verwandelt. Mit einem so bequemlichen Fleifs mag schwerlich der Römischen Litteratur gedient sein, die über die Kreise der Klassiker oder Schulbücher hinaus voll öder Strecken ist und auf unbesuchten Gebieten einen Reichthum an leeren Namen, an erschlichenen Begriffen besitzt, wo sogar die Werthe, der Stil und die charakteristischen Züge von grofsen Autoren, häufig von ihren besten Schriften entweder nicht bestimmt oder durch willkürliche Tradition gänzlich verfehlt sind. Auf der anderen Seite geboten Pflicht und Bedürfnifs ein begonnenes Werk nach Kräften, eher jetzt als spät, dem Ziele näher zu bringen und vollständig einen Grund zu legen, welcher den Nachfolgern einen kritischen Ausbau nach jeder Seite sicher macht. Dieses Motiv entschied: aber ich habe den

Entschlufs, wiewohl die Forschung bis zum letzten Strich mit gleicher Ausdauer geführt ist, häufig bereut und bin dieser gelehrten Beschwerden herzlich überdrüfsig geworden, hauptsächlich wegen des unfruchtbaren Ueberflusses an Hülfsmitteln.

Wegen des unfruchtbaren Ueberflusses an Hülfsmitteln ! Es klingt unglaublich, aber leicht überzeugt man sich von der Wahrheit. Das Stilleben älterer Philologie, namentlich der Niederländer, schlofs mit einer langen Folge von Editionen und Apparaten: aber keine geringe Zahl von Autoren war liegen geblieben oder karg bedacht, wie sehr auch damals die Studien überwiegend im Römischen Alterthum wohnten, und ihren Apparaten merkt man überall die Detailarbeit im kleinen Stil an. Solche Mittel machten zwar unmöglich eine wohlbegründete Geschichte der Litteratur zu schreiben, doch gönnten sie der Stimmung und dem eigenen Urtheil einen freien Spielraum. Als dann die Zeit der bevorzugten Römischen Studien vorüber war, führte sie der Umschwung der Philologie in unserem Jahrhundert unter Umständen, die stets ungünstiger wurden, auf die gleiche Bahn des Fortschritts, welcher die Mehrzahl der früheren Leistungen durch Geist, Methode und glückliche Benutzung von Handschriften in Schatten stellt. Versäumte Autoren, auch aus unklassischen Zeiten, sind der Vergessenheit entzogen und in reineren Texten zugänglich geworden, einige (wie Seneca) leider zu spät, da für sie niemand mehr die alten Sympathien erwecken kann; Fragmentsammlungen und Einzelschriften über verlorene zerstückte verschollene Autoren haben eine beträchtliche Zahl von Lücken ausgefüllt: und wefsen Blick vermag die Flut der in Monographien, Programmen und Zeitschriften verstreuten, fort und fort anschwellenden Untersuchungen zu fassen, die jeden litterarischen Punkt mit mikroskopischer Schärfe, nicht selten in unleidlicher Breite zerlegen? Diese in der Gesamtheit rühmlichen Anstrengungen werden freilich einer Litteratur, die seit lange vor anderen Interessen zurückweicht, keinen neuen Boden erobern, dagegen ist zu besorgen dafs jener Ueberflufs an Detailschriftstellerei den innersten Kern des Studiums mehr gefährden als stärken werde. Von jeher hat falscher Fleifs auf der Philologie gelastet und ihr Wachsthum gehemmt; was durch die Ungunst der Zeiten verloren gegangen, läfst sich gerade jetzt nur durch

Beschränkung und Vertiefung wieder gewinnen. Noch besitzt die Römische Litteratur viel unangebautes Land, wo man mit einigen dunklen Begriffen genug zu haben meint; in solche Winkel dringt die Forschlust selten, sie verweilt lieber geschäftig auf bekannten Tummelplätzen und mehrt das Gewühl streitender Meinungen, ohne doch die Ergebnisse der Vorgänger aufzunehmen und ergänzend dem äufsersten Ziel in Vollständigkeit näher zu treten. Nach und nach wächst hier jene Reihe von Uebelständen, welche noch in reicherem Mafse die Studien der Griechischen Litteratur drücken: ein grofser Theil der Autoren ist den Philologen aus den Augen gerückt, aber auch aus ihrem Besitz geschwunden, und (das empfindlichste) wir sehen die Neigung zu den Autoren, über die man so feines Detail erkundet, bei der lernenden Jugend erkalten; immer weniger wirken jene Klassiker wie sonst als ein charaktervolles Moment der Bildung. Wir wollen diesen trüben Beobachtungen nicht weiter nachgehen; doch wird keiner ihnen sich entziehen, der einem von den verschiedensten Händen ausgestreuten Material auf den Grund sehen will und, wenn er Wahrheit im litterarhistorischen Bericht sucht, auch sehen mufs.

Am Schlufs bleiben einige Punkte, die ich kurz berühre. Aus dem früheren geschichtlichen Text sind leitende Gedanken, aus den ehemals untergesetzten (jetzt hinter jeden Paragraphen gestellten) Noten aber solche Belegstellen und Nachweise beibehalten worden, an denen niemand ändern kann. Sobald die Anmerkungen einen gesonderten Platz einnahmen, durften sie die vorliegenden Fragen, die Lücken und Rückstände des Wissens freier und zusammenhängender erörtern als in vereinzelten Noten geschieht; der Text konnte nur den schlichten, als sicher erkannten Thatbestand objektiv aufstellen, ohne sich auf Beiwerk und Detail auszudehnen. Für dieses wird regelmässig auf die das Ganze durchziehenden Anmerkungen als den urkundlichen Theil der Forschung, wo Belege mit Studien und Keimen einer neuen Untersuchung wechseln, um der Kürze willen verwiesen; und man scheue die Mühe nicht die dort niedergelegten Ergänzungen oder Beweismittel zusammenzusuchen und gleichsam in den Text zu verweben. Ein breiter angelegtes Lehrbuch mag dem Publikum solche Zugaben

in bequemerer Weise bieten; wer aber in einem bündig gefalsten Summarium nirgend das knappste Mafs überschreiten will, unterwirft sich selber einem harten Zwange, welcher keinen mehr als den Darsteller drückt. Die Stellung und Zählung der Anmerkungen, deren viele neu hinzugekommen sind oder den Platz gewechselt haben, weicht im ersten Drittel (etwa bis 133) und anderwärts von der früheren ab; es war sonst wünschenswerth diesen Kern der Arbeit möglichst gleichförmig fortzuführen. Der dritte Punkt, die diplomatische Geschichte jedes Textes mit Nachweisen über den Zustand des Apparats, des benutzten und des unbenutzten, den ein erlesenes Register der Ausgaben und Subsidien von bleibendem oder historischem Werth schliefsen mufs, ist ein Beitrag zur oft begehrten Bibliotheca Latina. Den Plan einer solchen (sie wäre das Seitenstück zu der umfangreichen Graeca, Grundr. II. p. XXII.) hat Niebuhr Kl. Schr. I. p. 161. erschöpfend gezeichnet: nach seiner wahren Bemerkung kann sie nur aus der gemeinschaftlichen Arbeit mehrerer Gelehrten hervorgehen, wo jeder überall mit dem kundigsten Editor Schritt halten soll. Sie wird schon deshalb als Ganzes und selbständiges Werk unter die frommen Wünsche gehören. Von anderer Art sind die Geschichte der Römischen Studien seit Petrarca (ehemals in den ersten Umrissen Einleitung p. 42-55. enthalten), dann der Anhang mit seinen beiden Kapiteln. *) Jene gibt einen

*) Dieser Anhang ist als solcher ernstlich bestritten worden. Man findet es wunderlich dafs die Kirchenväter auf gleiche Linie mit den Juristen sollen gestellt werden, und nicht vielmehr die Rechtswissenschaft, worin der Charakter der Römer und ihr Talent vorzugsweise sich ausprägten, statt in einen Anhang zu wandern, ihr besonderes Fach neben allen übrigen bilde. Hinter dieser Ansicht, die sicher einem Juristen fremd wäre, verbirgt sich das alte Vorurtheil, als ob alles geschriebene, blofs weil es eine sprachliche Form trägt, auch ein Glied der nationalen Litteratur und ein Objekt der Litterargeschichte sei. Letztere hat aber nicht mit einer Chronik von Namen, von Schriften und Gesetzbüchern zu thun, woraus der Stoff der äufseren Rechtsgeschichte besteht, sondern bewegt sich hauptsächlich in den geistigen Kreisen und dem inneren Gehalt einer Gattung. Eine solche Darstellung würde hier in rechtliche Zustände, Lehren und Begriffe führen, welche dem System des Römischen Rechts angehören oder in eine Fülle der Praxis und Theorie, in der das volle Verständnifs jener Schriftstellerei liegt: das heifst, auf ein doktrinäres Gebiet, das der Litterargeschichte durchaus fremd bleibt. Was sie thun darf und kann, ist aber allein das Register des juristischen Nachlasses oder die Schale des Fachs zu geben: und füglich findet dieser Bruchtheil dort seinen Platz, wo der Litterarhistoriker aufhört aus eigenen Mitteln zu schaffen, iu einem Anhang.

*

Beitrag zur Historie der alterthümlichen Philologie bei den Modernen. Vorläufig unternimmt wol niemand leicht ihren Verlauf im Ganzen darzustellen und dieses Gewebe mit allem Detail auszumalen; hier aber verbot die Menge der Latinisten allzu viele Figuren auf den Platz zu bringen, und beschränkte die Fülle des biographischen Stoffs und der Bibliographie. Bei den umgearbeiteten Kapiteln der juristischen Litteratur und der Patristik konnte nur die Absicht sein, dafs Leser die jenen Fächern fern stehen Uebersichten und Notizen in einiger Vollständigkeit erhielten. Am meisten ist eine solche Notiz für die Kirchenväter erschwert, und man wird aus bändereichen Sammelwerken eher alles andere entnehmen als ein bestimmtes Bild vom Autor in Hinsicht auf Stil und Komposition. Die theologischen und philosophischen Interessen die zuletzt Ritter im 5. und 6. Bande seiner Geschichte der Philosophie behandelte, liegen unserem Gesichtskreise fern. Endlich ist die Vorrede von F. A. Wolf auch diesmal wie billig wiederholt: ihm gebührt das Verdienst zuerst die Architektonik dieses Faches lichtvoll verzeichnet zu haben.

Aus dem Vorwort

der dritten Bearbeitung.
[Braunschweig 1857. XXIV. 814 S.]

Dieser Vorbericht darf im allgemeinen auch für die dritte Bearbeitung gelten; doch fordert er einen kleinen Nachtrag. Mit wenigen Worten erwähnen wir zunächst die nicht wenigen Mühen um den jetzt erneuerten Grundrifs, in dem manches verbessert, manches hinzugekommen, nach Möglichkeit alles benutzt ist was seit kurzem durch Forschung anderer gewonnen worden. Zwischen dem zweiten und dritten Abdruck (letzterer begann schon 1854) liegen nur einige Jahre; kaum hätte man also mehr als eine Revision begehrt, und sie konnte sich hierauf beschränken. Die Nacharbeit wäre dann rascher von statten gegangen, die Mühe verringert; ohnehin ist rath

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