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stellung des Antias über die Ereignisse der vierten und fünften Dekade war diejenige, welche zu Livius' Zeit als Hauptquelle jener Vorgänge galt und ein weit verbreitetes Buch war; ebenso genoss Coelius für den zweiten punischen Krieg zu Livius Zeit bezw. vor dessen Auftreten das grösste Ansehn, wie das ja durch Cicero, Atticus und M. Brutus genügend bekannt ist. Livius sah sich genöthigt, diesen Autoren gegenüber Stellung zu nehmen, er musste sie berücksichtigen. Dabei ist es aber bezeichnend, dass er beide Autoren fast stets nur dann namhaft macht, wenn er ihre Ansicht nicht theilt. Es folgt daraus mit Nothwendigkeit, dass er Quellen vor sich gehabt haben muss, hier wie dort, aus welchen er die genannten widerlegen konnte: wer diese Quelle war, wissen wir für die vierte und fünfte Dekade, nämlich Polybius; für die dritte wissen wir zwar auch soviel, dass es ein Autor gewesen ist, der vor Polybius geschrieben hat, dass es ein gewissenhafter, unpartheiischer Mann war, dass er endlich eine angesehene Stellung gehabt haben muss und noch einiges Andere, aber seinen Namen kennen wir noch nicht. Allein wir hoffen ihn zu finden und es gilt daher jetzt, unsere ganze Aufmerksamkeit dieser Frage zuzuwenden.

Dritter Theil.

L. Calpurnius Piso Frugi.

Das Wesen der antiken Geschichtschreibung ist vielfach verkannt worden. Nicht selten begegnet man der Auffassung, als ob die anerkannt bedeutenden alten Historiker wie Tacitus, Polybius u. A. da, wo sie die Geschichte nicht gleichzeitiger Ereignisse schrieben, in der Verarbeitung und Beherrschung des Materials und der Quellen gleich Grosses geleistet hätten wie die moderne historische Forschung. Das ist gänzlich unrichtig.

Es ist von Bedeutung, dass der Beweis für das Unzutreffende dieser Auffassung vor Kurzem an den Werken des Tacitus auf das evidenteste erbracht worden ist. *) Es ist gelungen, den Wahn vollkommen zu zerstören, als ob die Schriften dieses Historikers auf einer ausgedehnten Benutzung und Verarbeitung verschiedener Quellen beruhten; vielmehr hat es sich gezeigt, dass derselbe in einer uns Neueren ganz unverständlichen Weise von einer einzigen Quelle abhängig ist, und dass die geringen Zusätze, welche er der Hauptgrundlage hinzugefügt hat, mit der letzteren nicht zu einem homogenen Ganzen verschmolzen sind.

497 ff.

*) S. Nissen, Die Historien des Plinius. Rhein. Mus. XXVI, S.

Sollen wir uns unter diesen Umständen wundern, wenn die Darstellung des Polybius in ähnlicher Weise von einem einzigen Autor abhängig ist und die eignen Zuthaten des ersteren ganz geringfügig sind?

Sehr interessant und wichtig ist es nun, dass die mit Recht hochgeschätzte und vielbewunderte Darstellung des Tacitus, wie sich das ebenfalls gezeigt hat, in allen wesentlichen Theilen und sogar in der Form auf einen Autor zurückgeht, dessen Verdienste als Historiker bisher nur von Wenigen in gebührender Weise beachtet worden sind, nämlich auf Plinius den Aelteren.

Es ist diese Thatsache für uns insofern sehr bezeichnend, als sich in diesem Beispiel zeigt, wie ungemein der Ruhm des Nachfolgers den des Vorgängers zu verdunkeln selbst dann im Stande ist, wenn der erstere durchaus auf den Schultern des letzteren steht. Habent sua fata libelli.

Auch derjenige Name, welchen wir an die Spitze dieses dritten Abschnitts gestellt haben und dem die folgenden Erörterungen gelten werden, ist ein bei den Neueren verhältnissmässig wenig genannter. Wie nun, wenn auch Piso nur durch den Ruhm eines glücklicheren Nachfolgers in Schatten gestellt sein sollte? Ist es nicht leicht möglich, dass gerade die ausgedehnte Benutzung, welche ihm ein mit den grössten Vorzügen ausgestatteter Historiker (Polybius) angedeihen liess, sein Werk in den Hintergrund gedrängt und überflüssig gemacht hat?

Es scheint nicht zufällig zu sein, dass der Autor, den Polybius benutzt haben dürfte, nicht nur in seiner Stellung im Entwickelungsgang der römischen Historiographie, sondern auch in seinem Charakter und Wesen eine auffällige Aehnlichkeit mit Plinius zeigt.

Plinius und Piso wem fällt die Geistesverwandtschaft dieser beiden Männer nicht sofort ins Auge? Gewissenhaftigkeit bis zur Pedanterie, strenge Rechtlichkeit und Objektivität, Kenntniss der Quellen und staunenswerther Fleiss in der Be

nutzung derselben - Idas sind bei beiden Schriftstellern die hervorragenden und bestimmenden Charakterzüge. Man sieht, wie vorzüglich gerade diese Eigenschaften sie zur historischen Sammlerarbeit- ein wichtiger Theil jedes historischen Schaffens - geeignet machten. Das Bild vom Bildhauer und Steinhauer, welches Nissen auf Tacitus und Plinius anwendet, lässt sich in Bezug auf Polybius und Piso nicht minder passend gebrauchen: Plinius und Piso führten die schwierige mechanische Vorarbeit aus, auf welcher Tacitus und Polybius zu künstlerischer Gestaltung sich erhoben. Die stille, bescheidene, aber grundlegende Thätigkeit der Erstgenannten ist verschollen, während die Letztern durch ihre glänzenderen Eigenschaften zu unsterblichem Ruhme gelangt sind.

Es scheint fast, als ob Plinius die Verwandtschaft gefühlt habe, die ihn mit Piso verbindet; denn wir werden bald sehen, dass er eine besondere Hinneigung zu ihm besass und ihn vor Allen hochschätzte.

Wir könnten die Parallelen noch weiter auch auf Plutarch und Livius ausdehnen. Wie Plutarch für die Geschichte des Galba und Otho zu der Quelle des Tacitus gegriffen hat, so Livius zu der des Polybius beide wahrscheinlich durch das Beispiel ihrer grossen Vorgänger veranlasst, von denen sie überzeugt sein konnten, dass sie die besten Quellen verwerthet hatten.

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Dass Livius den Piso in sehr ausgedehntem Masse benutzt hat, wird von Niemanden bestritten. Er beruft sich auf dessen Autorität an vielen Stellen, allerdings mehr in der ersten als in der dritten Dekade. Da jedoch die Menge der namentlichen Anführungen, wie oben bemerkt, für den Umfang, in welchem Livius seine Quellen benutzt, nicht massgebend ist (Polybius wird bei Liv. XL-XLV zwar im ausgedehntesten Masse verwerthet, aber kein einziges Mal citirt), so genügt die Thatsache, dass, wie wir aus XXV, 39, 15 sehen, Piso dem Livius in der dritten Dekade vorgelegen hat, um uns einen Anhalt für die weitere Untersuchung zu geben.

Keller, zweiter punischer Krieg.

9

Kapitel XI.

Juba und Livius.

Es findet sich in der afrikanischen und noch mehr in der spanischen Geschichte des Appian an vielen Stellen eine höchst bemerkenswerthe Verwandtschaft der Darstellung mit Livius. Es folgt daraus, dass auch bei Juba gewisse Theile römischer Quellen zu Grunde liegen. Es kann uns dies in keiner Weise wundern, denn selbstverständlich konnte in der Familienchronik des numidischen Königshauses der specifisch römischen Ereignisse und Angelegenheiten nicht in der Ausführlichkeit Erwähnung geschehen sein, wie sie Juba als Geschichtschreiber des römischen Volks anzustreben für nöthig fand. Die Hinzuziehung römischer Quellen liess sich daher durchaus nicht vermeiden.

Die Kämpfe in Afrika freilich boten wenig Veranlassung, auf römische Quellen zu recurriren. Dem Massinissa waren als Theilnehmer an denselben alle Fakta bis ins Einzelne bekannt und eine bessere Quelle liess sich daher nicht auffinden.

So kommt es, dass nahezu die ganze Darstellung bei App. VIII, 1-66 von den römischen Berichten bei Livius und Polybius unabhängig und verschieden ist. Nur einige wenige Kapitel finden sich, welche zu den römischen Quellen in offenbarer Beziehung stehen. So zeigen App. VIII, 7-8, wo der Verhandlung über das Commando in Rom und der Rüstungen des Scipio Erwähnung geschieht, die allergrösste Aehnlichkeit mit Liv. XXVIII, 40-46 und XXIX, 1. Fassen wir diese Stellen allein ins Auge, so ist die Vermuthung durchaus berechtigt, dass Juba den Livius benutzt habe, wie wir dies De Juba S. 22

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