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Einleitung in das neue Testament

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J. G. Eichhorn.

Erster Band 1804, XVI. u. 680 S. in 8.

(Recensirt in der A L. 3. den 13. Mai 1805.)

Ohn

hne Zweifel ist es allen, welche das N. L. kritisch studieren, erwünscht, die Hypothese von Entstehung der drey ersten kanonischen Evangelien aus einem Urevangelium, so vollständig, wie möglich, entwickelt zu sehen. Hr. E. hat ihr den ganzen ersten Band seiner kritischen Schriften über das N. 2. gewidmet. Eine genaue und detaillirte Prüfung der Sachkundigen, deren aber bey einer so verwickelten kritischen Frage nicht allzu viele seyn möchten, hat nunmehr reife Beurtheilungen diefer in Hinsicht auf die spezielle Ausführung neuen, doch nach dem Hauptgedanken durch Lessing vorbereiteten, alsdann durch Corrodi (S. 397.) schon nach den vorgezeichneten Hauptlinien, zuleht aber durch Marsh (den jezigen Bischof vou Landaff) nach dessen unüberwindlichen, Fleiß ausgeführten Hypothese zu verans laffen.

· Das Räthsel, welches gelöst werden soll, ist im Allgemeis nen bekannt genug. Die drey ersten der kanonischen Evangelien haben so, wie sie griechisch vor uns find, in vielen Stellen die auffallendste Verwandtschaft mit einander, theils im Wörtlichen, nicht blos einzelner Ausdrücke sondern ganzer, oft mehrerer Verse, theils aber auch in der Gedankenfolge, selbst wo diese nicht durch den Gang einer Begebenheit selbst bestimmt ist. Dagegen fehlt

es denn aber auch, oft mitten zwischen den verwandtesten Stellen, nicht an eben so eigenthümlichen, von der Verwandtschaft abweis chenden, oft dennoch blos gleichbedeutenden Ausdrücken, Säßen und sogar Reihen von Versen. Es fehlt zum Theil an Uebereinstimmung in der Folge der Begebenheiten. Oft find wesentliche Ume stände verschieden; hie und da treten Verschiedenheiten ein, die man nicht blos für Differenzien, sondern für wirklich unvereinbar anerkennen muß, obgleich sie nur Nebenumstände betreffen. Ends lich sind, wie man bald bemerken muß, manche Abschnitte allen dreyen, manche nur dem Matthäus und Markus, manche nur dem Lukas und Markus, gemeinschaftlich; andere hingegen hat jeder Einzelne blos für sich. Und selbst mitten in gemeinschafts lichen Erzählungen fügt der eine für sich allein dieses, der andere jenes bey. Die Frage ist also, was wohl, weil die Geschichte uns verläßt, als faktisch vorausgeseht werden müsse, um die Ente stehung dieses vielseitigen und kontrastirenden Phänomens dem Geschichtforscher erklärbar zu machen? Welche Ursachen müssen diesen vorliegenden Würkungen vorangegangen seyn?

Nichts ist leichter als die zwey zu Lösung des Räthsels möge lichen Hauptwege zu errathen. Die vielfache Verwandschaft sowohl als die daneben beobachtete Nichtübereinstimmung wird sie sich etwa aus gemeinschaftlichen Quellen für alle drey? oder wird sie sich daraus ableiten lassen, daß unter den dreyen sich Einer gegen Zwey? oder Zwey gegen Einen als ge meinschaftliche Quelle verhielten, die Verschiedenheiten aber durch irgend einen Dritten, theils mündlichen, theils schriftlichen Einfluß bewirkt wurden? Nimmt man gemeins schaftliche Quellen an, entweder für alle drey oder wenigstens für zwey jener Evangelien, so kann entweder schon ursprünglich Ein Ganzes, oder es können kleinere einzelne Erzählungen von verschiedenem Umfang, noch ohne Zusammenfügung in ein vielfas ches Ganzes, eristirt haben, wie hievon im Lukas Kap. 9, 51. 18, 14. ein auch von Hn. E. S. 599. anerkanntes größeres Beispiel sich zeigt.

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Hr. E. sezt unter der Benennung Urevangelium, ein bes reits durch einen Schüler der erften Apostel zusammengetragenes

Ganzes als Urschrift für Matthäus, Markus und Lukas voraus, und sucht daraus die unter diesen Namen auf uns gekommenen drei Aufsäße, als Produkte der vierten, fünften Hand zu deduciren und gleichsam vor unsern Augen zusammen zu fügen. Die große Mühe, durch welche der Verfasser diese Verarbeitungen, Ueberarbeitungen und Umarbeitungen, aus denen am Ende eine so kleine Arbeit, wie die drei ersten Evangelien sind, entstanden seyn solle, nach der Fülle seines Scharfsinns als denkbar und zu seiner Erklärung nöthig zeigt, verdient und fordert, daß der Beurtheiler ihm Schritt für Schritt nachzufolgen und jedes Moment, woraus allmählig das Resultat zusammen gefügt wird, einzeln und im Zusammenhang zu erwägen sich bemühe.

Hr. E. hat seine Hypothese durch kirchenhistorische Vors bereitungen einzuleiten gesucht, in der Hauptabhandlung alsdanu sie selbst in ihrer Vollständigkeit aufgeführt, zuletzt aber die Wichtigkeit ihrer Erscheinung durch die aus ihr entstehenden Folgerungen empfohlen.

Die Vorbereitung (bis S. 147.) hat eine gedoppelte Abficht; einmal: darzuthun, daß vor den drei ersten kanonischen Evangelien mehrere andere im Gebrauch gewesen seyen, nnd alsdann, daß erst am Ende des zweiten und im Anfang des dritten Jahrhunderts die Kirche aus den vielen Evangelien vier zum allgemeinen Gebrauch ausgehoben habe, welche dazu die nöthige Ausarbeitung und die meisten Kennzeichen der Wahrheit gehabt haben sollen. Beide Behauptungen aber bleiben, nach unserer Einsicht, am Ende völlig unerwiesen und unerweislich.

Der ganz absichtlose Geschichtforscher wird immer zuerst die blosen Data des Alterthums nach ihrem schlichten Siun, ohne sie mehr oder weniger, als sie enthalten, sagen lassen zu wollen, sich und feinen Lesern vorhalten und alsdann mit der sorgfältigsten, aber auch lenksamsten Aufmerksamkeit sich dem, wohin sie vereint ihn leiten können, überlassen. Jede zum voraus gefaßte Hypothese wird allzuleicht eine nicht ganz uneingenommene Auslegerin aller andern Spuren.

Bekanntlich weiß man von dem Inhalt des Evangeliums secundum Hebraeos nichts bestimmtes, als die wenigen Stellen, welche Clemens Aler., Origenes und Hieronymus, mit der auss drücklichen Bemerkung, daß sie daher genommen seyen, uns überliefert haben, und die man bei Fabricius im Coder Apocr. N. Z. p. 355. ff. leicht überschauen kann. Dagegen behauptet nun S. 18. von dem Evangelium nach den Hebräern: „Je weiter wir zurückgehen, desto allgemeiner ist der Gebrauch davon." Wer vermöchte dieses nachzuweisen? Die Data müssen es zeigen.

1) „Justin der Märtyrer kennt blos Denkwürdigkeiten der Apostel, die, wofern sie auch nicht ganz einerlei mit dem Evangelium der Hebräer sind, doch mit ihm verwandt waren und ihm näher kamen, als einem unserer noch vorhandenen Evange= lien." Hierdurch wäre also hier mit einem mal ein großer Theil dieses „uralten“ Evangeliums wieder aufgefunden! Aber wie? Wenn es auch nur möglich seyn soll, zu erweisen, daß die apostolischen Denkwürdigkeiten bei Justin mit dem Evangelium der Hebräer nahe und sogar näher als mit den kanonischen verwandt seyn, so muß man doch zuerst dieses Evangelium der Hebräer selbst anderswoher nach mehreren seiner Bestandtheile kennen, um alsdann zu zeigen, daß jene Denkwürdigkeiten mehr mit diesen als mit Matthäus, Lukas ic. übereinkommen. Andere Bestandtheile des Evang. sec. Hebr. aber, als die von Clemens, Origenes, Hieronymus und Epiphanius angegebenen, kennt niemand mehr. Diese betragen, wenn man auch alles zusammen nehmen dürfte (ohne zuvörderst das, was Epiphanius giebt, wegen innerer Spuren viel= mehr von einer ganz andern Quelle als dem von den drei andern Kirchenvätern benutzten Evang. sec. Hebraeos abzuleiten), immer doch äußerst wenig. Selbst Stroth, welcher das Verdienst hat, die kritische Aufmerksamkeit auf das Eigenthümliche jener Apomne: moneumen bei Justin schon 1777 geweckt zu haben, war (f. Eich horns Repertor. f. bibl. Lit. 1 Th. S. 22.) nicht mehr vermö gend, als „zeigen zu können, daß Justin Eine Stelle so angeführt habe, wie sie im Evang. nach den Hebräern gestanden, den Zusaß ju ber Grimme bei der Kaufe: υἱος μου ει συ· ἐγὼ σήμερον γε révvηna σe! und daß Justin Eine Begebenheit mit solchen Uma

ftänden erzählt habe, mit denen sie nicht in unsern Evangelien, wohl aber in dem oftgenannten palästinischen erzählt wird." Wir wollen erst in der Folge berühren, wie wenig selbst diese Uebereinstim= mung Einer Stelle entschieden ist, und wie wenig sie beweist, daß die Apomnemoneunen Justins diese Eigenthümlichkeit gerade aus dem Evang., welches Epiphanius als das Ebionitische excerpirte, geschöpft hatten. Auf jeden Fall aber wäre es Eine Stelle! Mit unserm griechischen Matthäus hingegen und selbst mit Lukas stimmen die apostolischen Denkwürdigkeiten an hundert Stellen wörtlich überein. Wie vermögen wir also irgend zu wissen, daß sie viel näher dem meist unbekannten Evang. sec. Hebraeos, als unserm Matthäus 2c. verwandt seyen? Die rächstfolgende Behauptung ist: 2) „Die Väter vor Justin sprechen nie von dem Evang. der Hebräer mit Geringschäßung, als von einem apokryphischen Buche.“ Sie sprechen nämlich gar nicht von diesem Evang. Sie nennen es nie; daher sprechen sie freilich auch nicht davon als von einem apokryphischen Aufsaß. So wie, leider! man überhaupt von Vätern vor Justin als Schriftstellern fast gar nichts sagen kann.

3) „Die, wenn gleich nicht ächte, aber doch sehr (?) alte Schrift des Ignatius, epa ad Smyrn. c. 3. citirt eine Stelle, die Hieronymus nur, so wie sie lautet, im Evang. der Hebräer wieder fand." Allerdings fand Hieronymus in der lateinischen Uebersetzung des genannten Ignatiusschen Briefs, die er (vermöge des bekannten vidi statt olda 2c.) gebrauchte, Eine Stelle, welche er auch in dem von ihm kurz zuvor übersetzten hebräischen Evangelium der Nazoräer antraf. Aber eben diese Stelle hatte Origenes f. proem. 1. I. Tερi αpxwv, in einem libellus, qui appellatur doctrina Petri, gefunden. Dies weiß Hr. E. natürlich so gut, wie wir. Vergl. Fabric. 1. c. p. 359 in der Note. Deswegen müssen wir nach den Geseßen der unpartheiischen Geschichtforschung auch an die gleiche Möglichkeit erinnern, daß der Brief an die Smyrnäer jene Stelle eben so wohl aus der doctrina Petri, als aus dem Evang. sec. Hebr. der Nazoräer, daß er sie wohl gar aus keinem von beiden, fondern noch aus einer mündlichen (mit Luk. 24, 39. parallelen)

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