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EINLEITUNG.

Cicero bezeichnet an mehreren Stellen des Brutus selbst deutlich die Zeit, in welcher er diese Schrift verfasst hat. Es war im Jahre 708 (46) während des africanischen Krieges, ehe Cato (118) und Q. Metellus Scipio (212) sich in Africa das Leben genommen hatten. Durch den Sieg des Caesar über Pompeius, in welchem Cicero das Verderben des Staates sah, war sein Einfluss auf die öffentlichen Angelegenheiten fast ganz gebrochen. Er benutzte diese Musse für litterarische Arbeiten, welche aber seine tiefe Verstimmung über die politische Lage der Gegenwart nicht heilen konnten; auch im Brutus tritt sie oft zu Tage und seine Gereiztheit gegen den, der sie hervorgerufen, ist unverkennbar (2. 4. 7. 16. 24. 157. 251. 266. 281 f. 328 ff.).

Quaerenti mihi, sagt Cicero de div. II, 1, multumque et diu cogitanti, quanam re possem prodesse quam plurumis, ne quando intermitterem consulere rei publicae, nulla maior occurrebat, quam si optumarum artium (zu 152) vias traderem meis civibus; quod compluribus iam libris me arbitror assecutum. Nachdem er sodann seine philosophischen Schriften aufgeführt hat, heisst es zum Schluss: cumque Aristoteles itemque Theophrastus, excellentes viri cum subtilitate tum copia, cum philosophia dicendi etiam praecepta coniunxerint, nostri quoque oratorii libri in eundem numerum referendi videntur. Ita tres erunt de oratore, quartus Brutus, quintus orator. Wir wissen dass Aristoteles, wie er es in anderen Zweigen der Philosophie zu thun gewohnt war, so auch der Rhetorik eine historische Uebersicht und Nachweisung in der texvæv ovvaywyn hinzufügte. Von Theophrast, der sich in sehr umfassender Weise mit der Rhetorik beschäftigte, sind Schriften, welche die Geschichte der Beredsamkeit zum Gegenstande hatten, nicht bekannt, doch ist Grund

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zu vermuthen, dass er auch diese Seite nicht vernachlässigt habe. Wenn Cicero in ihnen ein Vorbild sah, so fand er unmittelbar Anregung und Unterstützung, wie er selbst bekennt (13 ff.) in dem liber annalis des Atticus. Diese chronologische Uebersicht der in der Geschichte Roms bekannten Männer bot ihm das Material dar, sie unter dem für ihn interessanten Gesichtspunkt ihrer Bedeutsamkeit für die Geschichte der Beredsamkeit zu ordnen und zu besprechen. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass die Schrift des Atticus ganz und gar die historische Grundlage für die Darstellung Ciceros bildet. An manchen Stellen kann man noch recht wohl erkennen, wie er einem solchen annalistischen Leitfaden folgt, und an die dort gegebene Aufzählung der Consuln und Magistrate anknüpft, was ihm an Notizen für die Geschichte der Beredsamkeit zu Gebote stand. Wahrscheinlich waren auch die gelehrten Studien des Varro, welche Cicero rühmend erwähnt (60. 205), nicht ohne Einfluss auf diese Schrift, in welcher er, was ihm sonst ferner lag, historisch-antiquarische Excurse anbringt (41 ff. 57ff. 62. 70. 72f.). Vielleicht weist selbst der Titel dieser Schrift darauf hin.

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Durch Anführungen bei Cicero wie bei anderen alten Schriftstellern steht der Titel Brutus fest. Wenn Sueton (Caes. 56) sagt Cicero ad M. Brutum oratores enumerans, so ist das nicht ganz genau ausgedrückt, und gleich darauf (57) citirt er selbst Cicero in eodem Bruto; bei Fronto (de eloquentia p. 235 ed. Rom.) ist es ein offenbares Versehen, wenn er sagt: oratores, quos in oratore Cicero eloquentiae civitate gregatim donavit. In der Handschrift ist hinzugefügt de claris oratoribus. Ein Doppeltitel dieser Art denn Cato de senectute, Laelius de amicitia sind deshalb verschieden, weil Cato und Laelius die Hauptredner sind ist bei Cicero ungewöhnlich, aber deshalb nicht falsch. Varro hatte unter der gemeinsamen Bezeichnung logistorici eine Reihe von Schriften über verschiedene Zweige der Gelehrsamkeit geschrieben. Jede derselben führte einen Doppeltitel z. B. Sisenna de historia, Curio de cultu deorum, Metellus de pietate, Messalla de valetudine. Der eine bezeichnet den Gegenstand, der andere und zwar der Hauptitel ist das cognomen eines Zeitgenossen Varros, und es lässt sich in einer Anzahl von Beispielen erkennen, dass Varro ihn gewählt hat, weil jene Person zu dem Inhalt der Schrift eine nähere Beziehung hat, um sie dadurch auszuzeichnen, eine ausgesuchte Weise der Dedication. Von derselben Art ist Brutus de claris oratoribus. Cicero hat diesen Namen gewählt, nicht weil Brutus wie auch Atticus am Gespräch Theil nimmt,

sondern weil er ihn, wie er besonders zum Schluss ausspricht (329ff. vgl. 51 ff. 120. 187. 324), als den ansieht, auf welchem die Hoffnung der römischen Beredsamkeit beruht. Nicht ohne Absicht mochte er diese Bezeichnung für eine Schrift wählen, welche ihrem historischen Charakter nach unter seinen Schriften ziemlich allein steht, während sie den Varronischen ähnlicher ist.

Für uns hat sie gerade dadurch ein besonderes Interesse. So weitumfassend auch die litterarhistorische Thätigkeit der Alten war, so ist uns doch kein anderes Werk eines namhaften Schriftstellers erhalten, das sich ausschliesslich und in ähnlichem Umfange mit Litteraturgeschichte beschäftigt. In mancher Hinsicht verwandt damit ist der Dialog des Tacitus, doch schildert dieser nur einen kurzen Zeitraum, Cicero dagegen den ganzen Verlauf der römischen Beredsamkeit bis auf seine Zeit.

Er beginnt mit einer Erinnerung an den kürzlich verstorbenen Redner Hortensius (1-9), und erzählt wie Atticus und Brutus ihn aufgesucht, nicht lange ehe Brutus nach Gallien ging (171) im J. 708 (46). Nach einem kurzen Gespräch leistet er ihrer Aufforderung Genüge einen schon früher gehaltenen Vortrag über die Entwickelungsgeschichte der römischen Beredsamkeit wiederaufzunehmen und zu vollenden (-25). In einem raschen Ueberblick über die Geschichte der Beredsamkeit bei den Griechen weist er nach, wie spät auch dort, nachdem die Ausbildung der anderen Künste vollendet war, die Beredsamkeit in ihrer praktischen und theoretischen Ausbildung sich entwickelt habe (—52). So auch in Rom, über dessen frühere Redner man sich kaum noch eine bestimmte Vorstellung bilden könne; es werden kurz die aufgezählt, welche man etwa als beredte Männer ansehen dürfe (-60). Der erste, der nicht bloss als Redner genannt werden kann, sondern mit Recht gepriesen werden muss und allen zum Studium empfohlen zu werden verdient, ist Cato Censorius; allein er ist unbekannt und vernachlässigt, selbst von denjenigen, welche sich von den Griechen diejenigen zum Muster nehmen, welche dem Cato nahe verwandt sind, wie Lysias (-69); denn in der Beredsamkeit ist leider das Interesse für die älteren Entwickelungsstufen noch nicht so verbreitet wie bei der bildenden Kunst und Poesie (76). Hierauf werden die Zeitgenossen Catos, die älteren (80) und die jüngeren, aufgezählt, unter ihnen Scipio Africanus, Laelius und besonders Galba (-90), deren noch erhaltene Reden übrigens ihrem Rufe nicht entsprechen; diess giebt Veranlassung von den Gründen zu handeln, weshalb so manche Redner weniger gut schreiben als sprechen (-93). In

der nächsten Zeit, aus welcher viele Redner aufgezählt werden, ragen als die bedeutendsten die beiden Brüder Ti. und in höherem Grade C. Gracchus, nach ihnen C. Carbo hervor (-137); jetzt erst zeigen sich die Anfänge einer wahrhaften Beredsamkeit, welche in ihrer Vollendung in Antonius und Crassus erscheint (-164). Diese werden ausführlich geschildert mit denen, welche ihnen zunächst stehen, namentlich Scaevola; dieser wird beiläufig mit Servius Sulpicius verglichen, was zu einer sehr anerkennenden Charakteristik desselben Veranlassung giebt (147-158). Es folgt dann die Aufzählung einer langen Reihe gleichzeitiger Redner, die zum grossen Theil nur von untergeordneter Bedeutung sind (-172). Jenen beiden grossen Rednern standen am nächsten Philippus und Julius Caesar Strabo, die vor anderen ausgezeichnet werden (-180). Unter dem jüngeren Geschlecht sind besonders Cotta, Sulpicius und Curio die hervorragendsten; mit ihnen wird wiederum eine grosse Anzahl von weniger bedeutenden aufgezählt (-230). Beiläufig wird eine Betrachtung über das Verhältniss, in welchem das Urtheil der Kenner und des ungebildeten Publicums zu einander stehen (183-200), sowie über die durch Tradition in guten Familien sich erhaltende Reinheit des sprachlichen Ausdrucks (210-213) eingeflochten. So gelangt er zum Hortensius, der als der bedeutendste Redner, welcher der Vergangenheit angehört, den Schluss machen soll; denn von den lebenden will Cicero nicht reden. Er legt deshalb dem Brutus und Atticus die Schilderung des Marcellus und Caesar in den Mund (248 -262), und kehrt selbst zu den Zeitgenossen des Hortensius zurück, unter welchen M. Caelius und Calidius (273-278) und von den jüngern Curio und Calvus ausgezeichnet werden. Die Erwähnung des letzteren führt zu einer umständlichen, tadelnden Besprechung der durch ihn veranlassten, nach Ciceros Urtheil auf Missverständniss beruhenden einseitigen Nachahmung gewisser attischer Redner (284-291). Indem er wieder zu Hortensius zurückkehren will, unterbricht ihn Atticus und sucht die zu hohe Schätzung, welche Cicero über die Redner früherer Zeit ausgesprochen hat, auf das nach seiner Meinung richtige Maass zurückzuführen, worauf Cicero näher einzugehen für dieses Mal ablehnt (-300). Er nimmt dann die Schilderung des Hortensius wieder auf und knüpft daran auf Brutus Bitte eine nähere Darlegung seines eignen Entwickelungsganges und der mannigfachen Studien, welche er durchgemacht hat (304-320). Dies führt ihn wiederum zu Hortensius zurück, dessen Leistungen

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