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fähigt- und Berechtigtwähnen, in immerwährender Produkzion des Schönen seine Persönlichkeit als ein recht edles, die Welt gleichsam versöhnendes Opfer der Gottheit darzustellen.

Wollte man fragen, wann und wo es denn eine solche Partei in der Kirche gegeben habe: so ist zu erinnern, daß aller Indifferentismus seiner Natur nach sich nicht als Partei oder Sekte darstellen kann und will, da er gegen den Unterschied von Kirche und Sekte selbst indifferent ist. Ein Vorhandensein und periodisches Hervortreten der eben bes schriebenen Denkweise läßt sich aber wohl in der Geschichte der Kirche beobachten. Der Gnostizismus, von seiner religiösen Seite betrachtet, beruhte zwar nicht auf indifferentistischen Prinzipien, und der Neuplatonismus war eine philosophische Richtung und nicht ein kirchlicher Irrthum. Allein beide vermischten sich in den geistig gåhrungsvollen Zeiten vor dem Uebertritte der Kaiser zur christlichen Religion so mannichfaltig mit christlichen Ideen, daß wir Grund haben anzunehmen, aus dieser Mischung sei bei vielen äußeren Gliedern der christlichen Kirche gerade ein solcher Indifferentismus entsprungen, welchem das schöne Heidnische nicht, wie dem Kaiser Julian, unendlich besser als das Christliche, sondern Eines so gut als das Andere erschien. Das christliche Mittelalter trat freilich dem Heidenthum von der einen Seite mit schonungsloser Strenge entgegen. Allein es konnte viele Keime desselben niemals ausrotten, und in dem Maaße als åchte Einfalt und frommer Ernst in Auffassung der christlichen Grundgedanken nachließ, bildete sich auch jener Geschmack an dem religiös Wunderbaren und sagenhaft Schönen, welcher wirklichen Indifferentismus gegen die göttliche Wahrheit und die heilige Geschichte in sich aufnahm. Im funfzehnten und sechzehnten Jahrhundert entwickelte sich dieser in veränderter Weise, unter dem Einflusse der wiedererweckten klassischen Literatur, augenscheinlich. Denn unter jenen italiänischen und anderen europäischen Gelehrten,

welche sich über den mittelalterlichen Aberglauben und die scholastische Methode erhoben, waren nicht Alle Atheisten und Ungläubige, sondern vielleicht die Mehrzahl waren Indifferentisten, welche die Geschichte Christi und seiner Mutter in derselben Art schön und interessant fanden als die Mythen von Herakles und Dionysos *). Dieser Indifferentismus war es fast noch mehr, als die gewaltsamen Maaßregeln der römischen Kurie, wodurch der weitere Fortschritt der Reformazion in Italien gehemmt wurde. Und auch der offenkundige Indifferentismus des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts war zwar überwiegend, aber nicht blos Naturalismus, er war auch Mythologismus. Immer gab es unter Gelehrten und Gebildeten eine Anzahl Menschen, die zu phantasiereich und zu geistigbewegt waren, um sich durch einen nur durch Naturwissenschaft ein wenig zu belebenden religiösen Naturalismus alle Symbole und Formen rauben zu lassen, die ihnen die christliche Religion darbot, und doch zu gleichgültig gegen das Wesen des Christenthums, um in jenen etwas Anderes als Befriedigung ihres religiöskünstlerischen Sinnes zu suchen. Als nun unter diesen das römische und griechische, spåter auch das orientalische Alterthum in einer viel größeren Anschaulichkeit klar wurde, als man bisher geahnt hatte, brachte ein mehr glänzendes, als gründliches Studium der Religionsgeschichte eine Gesinnung hervor, die viel zu stolz und gleichgültig war, um gegen das Christenthum aufzutreten, die es aber als eine von den vielen Religionen den anderen gleich stellte. Die Mythen mit einer Art von Religiosität zu behandeln und zu betrach= ten, und die Thatsachen des Christenthums nur künstlerisch zu verarbeiten und zu schäßen: zwischen diesen beiden Richtungen bewegt sich ein Zweig der neueren deutschen Literatur

*) Vergleichungen Christi mit Apollo oder Aesculap waren in Predigten dieser Zeit nichts Seltenes. Vgl. Marheineke Gesch. der teutschen Reformazion 2te Aufl. Erster Th. S. 25.

seit dem Einflusse der alten Literatur auf unsere Nazionalpoesie. Ein, soweit es der Indifferentismus erlaubt, geflifsentliches Vermeiden von Allem, was einem Bekenntnisse ausschließlicher Verehrung für die christliche Religion als die wahre ähnlich sieht, ist der Karakter der Religiosität, die sich, von einer gewissen Wendungsepoche an, in der deuts schen Literatur ausspricht, und es wäre nur Furchtsamkeit es zu verschweigen, daß die beiden größten Dichter der Nazion, ungeachtet jeder von ihnen stärkeren Antheil an einem verwandten Irrthume hat, ein bedeutendes Maaß von mythologistischem Indifferentismus in sich tragen. Göthe wird zwar in seiner früheren Periode überwiegend von deistischnaturalistischen Grundansichten beherrscht *), spåter aber scheinen die mythologistischen die Oberhand zu gewinnen **). Schiller, welcher in seiner månnlichen Entwickelung überwicgend einem kantischen Razionalismus huldigte, hatte cine mythologistische Periode, welche er thatsächlich durch die Vermischung der Religionen in der Braut von Messina, und durch das offene Wort in der Vorrede zu eben diesem Trauerspiel ausspricht: „Unter der Hülle aller Religionen liegt die Religion selbst, die Idee eines Göttlichen.“ Jedoch scheint dies mehr nur ein Moment seiner poetischen Entwickelung gewesen zu sein, und in dem Drama Tell tritt er, und auf treuherzigere Weise als früher, auf seinen alten Standpunkt in Behandlung der Religion zurück. Was aber solche Geister in sich trugen und so widerspruchlos in das Höchste ihrer Leistungen verwebten: wie tiefen Anklang mußte es in der Masse finden. Es würde nicht schwer sein zu zeigen,

*) Vgl. Briefe an Lavater in Hegner's Beiträgen zur Kenntniß Lavaters, S. 148.

**) Man achte auf sein Urtheil über die Schönheit,,der Legende“

von Christus und Petrus auf dem Meere. (Eckermann Gespräche mit Göthe, Th 2. S. 263; sein Gedicht: Groß ist die Diana der Epheser (Werke II. 202.)

daß die Religiosität der romantischen Schule zwar Einiges enthielt, was einen Uebergang in Theologie und selbst in das kirchliche Leben (vorzüglich als Erweiterung der römis schen Kirche gefunden hat), daß aber ein großer Bestandtheil derselben auf einem indifferentistischen Gleichstellen der. mittelalterlichen Legende und der mythologischen Zusäße zum Christenthume mit seinem wahren und göttlichen Kerne von Geschichte und Lehre beruht.

S. 2.

Da im Mythologismus die Offenbarung Gottes in die Erscheinung des Schönen gesezt wird: so kann weder Gottes Wille mit dem Menschen, noch die Sünde, noch der Werth der Erlösung richtig erkannt werden.

1. Da der innerste Karakter des Mythologismus dars auf beruht, daß das Schöne in der Menschheit mit der Wahrheit des göttlichen Lebens verwechselt wird: so ist auch der vorherrschende Gedanke dieses Irrthums der, daß die göttliche Offenbarung in die schöne Erscheinung der menschlichen Natur gesezt wird. Der Mythologismus nimmt also zwar nicht eine geheim von unten und vom Allgemeinen aus wirkende und schaffende Natur an, welcher Alles, auch das religiöse Leben, entsprosse, aber er sieht die poetisch-bildende und empfangende Kraft des menschlichen Geistes als die einzigwahre Offenbarung Gottes an, und alle Religionen has ben ihm nur in dem Maaße Werth, als sie den Schönheitssinn durch Symbole und Sagen an das religiöse Bedürfniß anknüpfen und auf volksthümlich - populäre Weise befriedigen. Religion und Kunst unterscheiden sich nur so, daß jene das Innere von dieser, und diese das Aeußere von jener ist. Offenbarung und Kunst unterscheiden sich im Wesentlichen gar nicht; nur daß jener Ausdruck für die in der

alten Welt mehr aus unmittelbarem Geistesdrange hervor getretenen poetisch-religiösen Symbole, Lehren und Stiftungen herrschend geworden ist; Kunst aber die mehr abgeleitete, und mit Hülfe der Reflerion und des Studiums dargestellte Weltanschauung ist, welche jedoch immer wesentlich auf Offenbarung beruht.

Die Unwährheit dieser Lehren geht daraus hervor, daß das Verhältniß des Schönen zum göttlichen Leben von vorn herein falsch gefaßt ist. Das Schöne freilich erklärt sich nur aus dem Dasein des Lebens aus Gott und bei Gott (des Logos) in der Welt, denn allein die Realität dieses Lebens, als des Inbegriffs aller Harmonie der Dinge, erflårt die durch menschliche Lebenswirkung hervorzubringende Harmonie des Geistes und der Materie in der Kunst. Allein das göttliche Leben druckt sich nicht erschöpfend aus im Schönen. Das Schöne ist nur die weltliche Erscheinung des vom Logos ausgehenden Lebens in seiner Harmonie mit der Natur, die Offenbarung ist der Logos selbst in seiner thatsächlichen über der Natur erhabenen Geisteswirkung durch das Wort. Sie ist die Wahrheit in ihrer historischen, menschlich persönlichen Wirklichkeit, nicht mehr und nicht minder, und indem sie als solche Gott offenbart als den Lebendigen, wird sie zwar die Ursache, die menschliche Kunsts schönheit zu ihrem Urquell durch besonnene Geistesklarheit zurückzuführen, sie selbst ist aber nicht weltlicherscheinende Schönheit, und thut sich als überweltliche ewige Logosschönheit allererst dem kund, welcher sie als Wahrheit zur HeiLigung seines Herzens aufgenommen. Wegen der Verkennung dieses Verhältnisses ist die Offenbarung des Mythologismus nur eine Täuschung, denn Gott wird in ihr nicht als der Lebendige und in seiner Lebendigkeit Dreieinige of-fenbar, sondern er bleibt verhüllt als der unbestimmte Grund schöner Lebens- und Geistesformen in der Menschheit. Der unbestimmte Gedanke, des Göttlichen" tritt nun an die Stelle des christlichen Gottesbegriffs, und dieser Gedanke,

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