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nach Willkühr wechselnd ausgedruckt durch die Benennungen,,Götter, Gottheit, Weltgeist, der Gott" und ähnliche, ist dem Indifferentisten dieser Art gerade recht, weil er so von vorn herein seine Abneigung gegen eine Unterscheidung der Dichtung und der Religion bethätigen kann.

2. Der Mensch ist nach dieser Lehre nur bestimmt, die am schönsten erscheinende Kreatur zu sein; den Willen Gottes vernimmt er in Allem, was ihn zur Harmonie der sinns lichen und geistigen Seite seines Wesens einladet. Die Sünde ist nichts Anderes als Rohheit, Unbildung, Unentwickeltheit jenes åsthetisch-harmonischen Sinnes, durch welchen auch die häuslichen und bürgerlichen Verhältnisse zum Mittel eines gebildeten Zusammenseins und Austausches der Individuen gemacht werden.

Hier wird die Bestimmung des Menschen zum freien Gehorsam gegen den übersinnlichen, lebendigen Gott gänzlich verkannt, und eben damit auch die Sünde als freie Abwendung von dem Willen Gottes nicht verstanden. Der Mythologismus verkehrt die große Wahrheit, daß der Mensch, als die Krone der Schöpfung, auch der Inbegriff aller kreatůrlichen Schönheit sein mußte, in den falschen Gedanken, daß das Schönsein des Menschen, sowie sein Hervorbringen von weltlich Schönem, seine ganze Bestimmung sei. Deshalb übersieht er auch, daß Rohheit und Unbildung in der Welt des zum Herrscher der Erde eingefeßten Menschen (1 Mos. 1, 28) nur erst dann möglicher Weise entstehen konnten, nachdem die anerschaffene Harmonie durch seinen Austritt aus dem dem Menschen von Gott angewiesenem Standpunkte. des Liebens und Gehorchens gestört worden war. Nach dem Mythologismus entsteht der aristokratisch - pharisäische Gedanke, daß die mit Bildungsmitteln und künstlerischer An-. lage Ausgestatteten die Frommen seien, die Ungebildeten aber und durch Geistesarmuth der künstlerischen Bildung relativ Widerstrebenden die Unfrommen, die Bösen seien: ein Gedanke, der, wenn er auch nicht durch Matth. 5,3 verworfen

würde, doch jedem gesunden religiösen Gefühle von der unmöglich nach solchen Unterschieden abzuwågenden Religiosität völlig widerspricht.

3. Wie indifferent die Person des Heilandes eincr folchen Denkart sein müsse, ergiebt sich aus dem Vorigen. Denn da nicht Erlösung aus der Gewalt des Satans und der Sünde, sondern nur Einführung einer den Schönheitssinn auf eine überwiegend innerliche Weise anregenden Religion der Zweck der Erscheinung Christi sein kann: so kennt der Mythologismus auch keinen völlig fündlosen, keinen die Wahrheit selbst seienden, keinen die Sünde sühnenden Christus: sondern dieser ist ihm blos die in das Helldunkel der Geschichte eingehüllte, eine neue Periode ästhetischreligiöser Weltanschauungen vermittelnde Person. Seine Worte und Werke haben ihm Werth, weil sie etwas Schönes enthalten, nicht weil sie die ewige Wahrheit enthalten in einem Sinne, wie nie die Worte eines Menschen, nicht weil die Werke die Werke seines Vaters sind, der in ihm ist und wirkt (Joh. 10, 37, 38). Das Leiden und den Tod Christi, in welchem die Schrift den Mittelpunkt des Werks und Gehorsams Christi sieht, übergeht er daher entweder ganz als das einer schönen Darstellung nicht wahrhaft Fähige, der Kunst nichts Gebende, oder er legt demselben blos_insofern Werth bei, als die Vorstellung desselben eine gewisse Ernsthaftigkeit und Weichheit des Gefühls erzeugt, welche mittelbar der Ausbildung des Seelenlebens zum Zwecke einer mehr vertieften Lebens- und Kunstbehandlung dient. Und da dieser Zweck noch vollständiger erreicht werden kann durch mannichfaltigere, seltsamere, der Phantasie reichere Nahrung gebende Geschichten, Bilder und Symbole: so sind dem Mythologismus Heiligengeschichten im Wesentlichen eben so werth als die Geschichte Christi, denn in Ansehung beider ist ihm die Frage nach ihrer Wahrheit gleichgültig. Der Vorrang der Geschichte Christi liegt ihm nur darin, daß diese der Ausgangspunkt für diese neue Entwickelung

im Ideenleben der Menschheit ist, auf welchen sich der spåter entstandene Sagenkreis zurückbezicht. Aber auch in diesen Legendenkreisen licht der Mythologismus nicht das die Wahrheit und die Offenbarung Gottes in Christus, sowie die Wirkungen der Gnade, möglichst bestimmt und fest Symbolisirende, sondern er liebt die möglichst sinnliche Fülle im möglichst angenehmen Gleichgewicht mit der vom religiösen Standpunkte aus einmal unentbehrlichen Innerlichkeit. Sein Streben geht daher, zum Theil unbewußter Weise, auf eine künstlerische Reprodukzion des Heidenthums unter christlichen Formen. Die christliche Religion ist ihm ein Kunststil des Lebens, der der weiteren Ausbildung fähig ist; aber die Gnade und Wahrheit Christi zur Erneuerung des Herzens ist ihm indifferent.

Wie flach und falsch diese Auffassung der Person und Geschichte Christi sei, bedarf, nach dem Vorigen, keines ausführlicheren Beweises. Es giebt hier kein Vertrauen auf Christus als den fündelosen, wahrhaftigen Mittler, es giebt keine den Glauben an ihn stärkende Betrachtung seiner Worte und Werke. Es giebt nur ein Phantasiebild seines das gesammte Alterthum übertreffenden geistigen Adels, welches nicht bis zu dem religiösen Bewußtsein der Schnld, der Erldfungsbedürftigkeit, der dargebotenen Gnade zur Reinigung hindurchdringt. Der Mythologismus, indem er zu bejahen Anstand nimmt, daß der Sohn Gottes im Fleische gekommen ist (1 Joh. 4, 2, 3), verleugnet, zwar nicht ausdrücklich, aber durch den Schein der Befriedigung und der Lebenskraft, den er einseitig-künstlerisch um sich verbreitet, den gesammten Mittelpunkt des Christenthums, nämlich Sünde und Erlösung.

Wie unwahr, oberflächlich und wirkungslos die Auffas fung der kirchlichen Gemeinschaft und der Gebrauch der Gnadenmittel im Mythologismus sein müsse, bedarf um so weniger der Ausführung, da er hierin meistentheils in allges mein - indifferentistischer Halbheit mit dem Naturalismus zusammentrifft.

3 weiter Abschnitt. Vom Literalis mus.

S. 1.

Der Literalismus ist derjenige Irrthum, vermöge dessen man durch bloße Festhaltung der Hülle der Re ligion diese selbst zu haben glaubt.

Der Zusammenhang dieses schon durch den von uns gewählten Namen, obwohl er ein neuer *) ist, bezeichneten Irrthums mit dem Indifferentismus ist folgender. Der Indifferentismus höhlt die Gemüther aus, und deckt durch die traurigen Folgen der Erschlaffung und Lösung der ehrwürs digsten Bande die Nothwendigkeit auf, irgend etwas Bes stimmtes und Festes auf dem religiösen Gebiete mit Entschiedenheit und Kraft zu umfassen. Aufrichtige Gemüther, mögen sie nun selbst in der Schuld und dem Elende des Indifferentismus sich befunden haben, oder mögen sie sich nur durch die an Anderen wahrgenommenen Wirkungen desselben warnen lassen, vermögen in einem entschiedenen Uebergange

*) Obwohl nicht schlechthin, denn Oetinger schreibt an Bengel (1736 oder 37) von Einem, „der sich vornahm, die zwei Extreme jeziger Zeit zu refutiren, nämlich Boehmismum Kaiseri et Literalismum Grotii et Bengelii" Vgl. Bengel's Literarischer Briefwechsel. Von Burk. Stuttgart 1836. S. 209,

vom Indifferentismus zur Wahrheit diese mit Einfachheit zu erfassen. Allein in der Mehrheit, auch der Religiösgesinnten, kann ein solcher Uebergang nicht Statt finden. Da die Wahrheit ihr zu wenig tief ins Herz gedrungen ist: so bleibt sie auf halbem Wege zu ihrer Annahme stehen, oder vielmehr sie verwechselt die äußere Hülle und endliche Form der Wahrheit mit dieser selbst; und da, von der Trägheit und Flachheit des Herzens bestochen, der Geist die entschiedene Festhaltung der Form leicht für das eigentliche Antiindifferentistische und für edle Festigkeit und Kraft halten kann: so bildet sich dieser Irrthum zu einem Grundsatze aus. Die höchste und nothwendigste Form der im Denken zu erfassenden Wahrheit ist das Wort der menschlichen Sprache. Das Wort wird aber nur dann richtig gefaßt und verstanden, wenn der Geist Jesu Christi es aufschließt. In dem Maaße als man es festhalten will, während man sich dem lebendigmachenden Geiste mehr oder minder entzieht, wird es Einem zum Buchstaben, d. h. zu der an sich die Wahrheit nicht in sich tragenden leeren und blos menschlichen Form, die noch vergånglicher ist als die Buchstaben des Alfabets, die einst mit der irdischen Leiblichkeit des Menschen vergehen werden, weil sie, in dem bezeichneten Sinne, eine Losreißung des Wortes vom Geiste in sich schließt, während der Buchstabe, im eigentlichen Sinne des Worts, nur den immer erneuerten rechtmäßigen Anspruch macht, zur Bildung des Wortes zu dienen, ohne es je selbst zu sein. Diese Verwechselung der lebendigen Form des Wortes mit der todten buchstabenähnlichen Form des vom Geiste getrennten Wortes ist so sehr der durchgehende Typus des hier in Rede stehenden Irrthums, daß der davon hergenommene Name mit Recht auch auf diejenigen Arten desselben angewandt werden darf, in denen es sich nicht um wörtlis chen Ausdruck von Lehren handelt.

Der Literalismus kann nicht entstehen ohne einen gewissen Grad des Unglaubens an die Wahrheit, ohne ein

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