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Schäßung der Werke, die von gewissen Gläubigen während ihres irdischen Wandels vor den Augen der Kirche verrichtet worden sind. Aber dieser Maaßstab ist unsicher und ungenügend. Der Glaube kaun zwar im Allgemeinen aus den Werken erkannt werden. Wenn aber der Grad der durch den Glauben bewirkten Heiligung an dem äußeren Umfange oder gar der Staunen erweckenden Bedeutsamkeit der vor den Augen der Menschen verrichteten Werke gemessen werden soll; und wenn diesem so erschlossenen Grade von Seligkeit gewisser Heiligen im Himmel die sonst durch nichts in der Schrift gelehrte Fähigkeit, die Bitten der Gläubigen auf Erden zu hören, beigelegt wird: so ist dies eine Annahme, welche keinen anderen Grund hat, als die falsche Schätzung der von uns gesehenen und uns durch die Uebers lieferung kundgewordenen Werke gewisser Gläubigen, als welche mit keinem geringeren Lohne als einer Verklärung, von welcher aus das Spezielle der menschlichen Verhältnisse durchschaut werden kann, hätte belohnt werden können.

Aber auch gesetzt, es wäre ein Grund vorhanden anzus nchmen, daß die Heiligen unsere an sie gerichteten Bitten vernehmen, und in dem Umfange, daß jeder derselben einen Einblick in die speziellen Bedürfnisse aller nach seiner Verklärung lebenden Gläubigen håtte: so würde die Anrufung der Heiligen im Himmel immer ein Werk sein, das niemals aus dem Glauben an Christus kommen könnte. Denn soll ́das Anrufen ein Recht und einen Werth haben: so muß von ihm ein Erfolg erwartet werden, der sonst ausbleiben würde. Im zweifellosen Vertrauen auf einen Erfolg, auch ohne zu sehen, dürfen wir nur den dreieinigen Gott anrufen; er allein hat die unendliche Macht und Willigkeit, so wie das absolute Recht, in Bezug auf unser ihn durch Glauben chrendes Anrufen, uns zu helfen, und hat, damit das Bewußtsein unserer Unwürdigkeit uns von diesem Anrufen nicht zurückhalte, uns in Christus den barmherzigen Mittler und Fürsprecher geschenkt und geoffenbart. Wenn wir nun von

dem Anrufen der Heiligen Hülfe erwarten: so seht dies voraus, daß wir, insofern wir sie um Fürsprache bitten, die Fürsprache Jesu Christi in irgend einem Sinne nicht für genügend halten, und insofern wir sie überhaupt um Hülfe bitten, daß wir der unendlichen Willigkeit Gottes, uns in Christus anzuschen und zu hören, nicht völlig vertrauen, indem wir vergessen, daß die Handlung des Anrufens irgend eines durch Gott mächtigen Wesens es nicht ist, worauf Gott die Erhörung gesetzt hat, sondern die Anrufung seiner. Ist etwas zu gewähren: warum suchen wir es bei Kreaturen, deren Beziehungen auf unsere Bedürfnisse wir nicht kennen? Ist etwas zu vermitteln: warum vertrauen wir nicht auf den Fürsprecher Christus?

Da also dieses Werk des Anrufens der Heiligen aus dem Glauben an Christus niemals fließen kann: so ist es vielmehr nur erklärlich aus der Vorstellung, daß Werke, auch ohne aus dem Glauben, daß wir durch Christus bei Gott in Gnaden sind, zu fließen, gut und nüßlich seien in religiós ser Hinsicht *). Anrufen und beten, selbst wenn ein gewiss ses Mißtrauen oder eine gewisse Abneigung uns abhielte, den einigen Gott anzurufen, scheint ja doch schön, religióss schön zu sein. Und indem sich damit die Vorstellung verbins det, daß die Angerufenen Heilige seien, solche, die durch Verdienst ihrer Werke auf Erhörung ihrer Bitten ein höhe res Recht haben, als alle Gläubigen durch das Verdienst Christi: so scheint das selbst ein gottgefälliges Werk, sie anzurufen, und so gelangt man von dem Ausgangspunkte,

*) Gerade in dieser Allgemeinheit hält sich auch das tridentinische Concil, welches zu lehren verordnet, Sess. 25: Sanctos, una cum Christo regnantes, orationes suas pro hominibus offerre, bonum atque utile esse suppliciter eos invocare, et ob beneficia impetranda a Deo per filium eius Iesum Christum dominum nostrum, qui solus noster redemtor et salvator est, ad eorum orationes, opem auxiliumque confugere.

Werke, die nicht im rechtfertigenden Glauben gethan werden, fromm zu nennen, zu einer Reihe von Werken, durch die der Glaube selbst geschwächt wird.

Diesen Gründen gegenüber können nun gewisse Wendungen, welche man der Heiligenanrufung zu geben gesucht hat, schwerlich sich halten. Hier tritt uns die schon vom römischen Katechismus und von Bossuet *) und neuerlich von Möhler **) geltend gemachte Vergleichung mit der Fürbitte der Glieder der streitenden Kirche für einander entgegen. Die Anrufung der Hekligen ist ja, sagen diese Vertheidiger, nichts Anderes, als was täglich geschieht unter christlichen Brüdern, mit dem einzigen Uuterschiede, daß von jenen als den bereits zum Siege Gelangten eine um so kråftigere Gewährung unserer Bitte erwartet werden kann. Allein angenommen, daß die Heiligen nie um etwas Anderes als um ihre Fürbitte angerufen werden sollen: wie wenig schwer sollte es sein, den Unterschied zu erkennen, der zwischen dies fen beiden Arten von Bitten obwaltet. Wir bitten - für einander und die Heiligen bitten für uns. Aber wir bitten einander um die Fürbitte gerade deshalb, weil wir beiderseits Glieder der streitenden Kirche sind, weil wir unsere beidersei

*) Exposition, art. 4. l'église, en nous enseignant, qu'il est utile de prier les saints, nous enseigne à les prier dans ce même esprit de charité, et selon cet ordre de société fraternelle qui nous porte à demander le secours de nos fréres vivans sur la terre, et le catechisme du concile de Trente conclut de cette doctrine, que si la qualité de médiateur, que l'écriture donne à Jésus-Christ, recevoit quelque préjudice de l'intercession des saints, qui régnent avec Dieu, elle n'en recevroit pas moins de l'intercession des fidéles, qui vivent avec nous.

**) Symbolik 2te Ausg S. 432: „Greift übrigens die Fürbitte der Heiligen in das Mittleramt Christi ein: so muß alle Fürbitte und Bitte um Fürbitte auch unter Lebenden schlecht: hin verworfen werden."

tigen Bedürfnisse kennen, weil wir, von der Liebe gedrungen, die uns menschlich-irdisch kundgewordenen Zustände des Anderen als die unsrigen mitfühlen, weil wir uns auch in dem gemeinschaftlichen, obwohl persönlich verschiedenen, Kampfe, der uns verordnet ist, als Einen Leib wissen, in welchem die Erquickung des einen Gliedes in dem Maaße dem Anderen zu Theil wird, als das eine dem anderen durch innigere betende Liebe bekannt und verbunden ist. Die Bitte um Fürbitte ist eine Liebe, die wir dem Anderen erweisen, ein Ausdruck des Vertrauens, der seine Liebe und Kraft im Drucke des Lebens erhöht. Ueber diesen Druck und Kampf find die Heiligen im Himmel hinweg, und darum können und werden sie für uns beten, auch wenn sie nicht durch unsere Bitte dazu aufgefordert werden. Gerade auf Bitte etwas thun, seht entweder den Zustand der endlichen Beschränkung oder die Vollkommenheit der göttlichen Gnade voraus. In jenem sind die Heiligen nicht mehr; zu diesem können sie nie gelangen. Sollte die Vergleichung für den angegebenen Zweck passend sein: so müßten auch die Heiligen uns bitten, auch für sie zu bitten, oder man müßte die Geistesgemeinschaft, in der man mit allen wahren Gläubigen auf Erden steht, auch das hin ausdehnen zu können meinen, daß man sie, anriefe um ihre Fürbitte, auch ohne sich ihnen sinnlich zu erkennen geben zu können. Dieses geschieht so wenig als jenes. Wie man also ungeachtet persönlicher Unkunde von einander doch gewiß ist, mit allen wahren Gliedern Christi auf der ganzen Erde innigst Eins zu sein im Geiste des Herrn, ja auch von ihren Gebeten seinen Segen mit zu erlangen: so genügt es, sich des verkläårten, feligen, betenden Lebens der Heiligen bewußt, und durch Andenken und Betrachtung mit ihnen verbunden zu bleiben, ohne sie anzurufen *).

*) Und hiemit ist schon beantwortet, was Möhler sagt S. 431, wenn er die Idee der Gemeinschaft zwischen der triumfirenden und streitenden Kirche bei den Protestanten eine völlig

Es muß aber ferner beachtet werden, daß die von Vie len gerühmte Beschränkung aller Anrufung der Heiligen lediglich auf die Bitte um ihre Fürbitte in der That und Wahrheit gar nicht Statt findet, und nicht Statt finden kann. Denn die Vorstellung einer solchen Macht und eines solchen Wissens in ihnen, vermöge deren sie in jedem Augenblicke die Gebete aller Gläubigen in der Christenheit vers nehmen können, läßt sich nicht festhalten, ohne ihnen auch Macht, für die Bedürfnisse dieser Gläubigen in mehr irdis scher Beziehung sorgen zu können, zuzuschreiben. Daher die seit dem Aufkommen der Heiligenanrufung bis auf den heutigen Tag Statt findende Gewohnheit, den Heiligen allerlei Bitten um Güter, die nur einen bedingten Werth haben, vorzutragen, als Heilung, Erhaltung der Verwandten, Bewahrung vor Unfall *). Auf diese Weise ist der Untergott ziemlich vollständig vorhanden, denn was hilft es zu sagen, auch in Bezug darauf würden die Heiligen nur um ihre Fürbitte angerufen. Sobald der Gedanke vorhanden_ist, durch die Fürbitte der Heiligen, als welche theilnehmender seien an solchen persönlichen Bedürfnissen, würdé man ihre

müßige, that- und kraftlose“ nennt, und das Unterlassen des Anrufens der Heiligen S. 432 „eine Gleichgültigkeit gegen die Fürbitten der Heiligen, die sie vernichten und alle Gemeinschaft zwischen beiden Formen der Einen Kirche völlig zerstören würde" Als wenn man für Alles gleichgültig sein müßte, um was man nicht bittet! Als wenn die Thätigkeit der Heiligen davon abhinge, daß wir in besonderen zeitlichen Andachten uns ihre Personen als Gewährende vergegenwär tigen! „Gott, fagt er S. 428, erhört die Wechselbitten seiner Geschöpfe." Aber welches sind denn die Wechselbitten zwischen den Heiligen und uns? Doch nicht ihre Fürbitten unseren Bitten gegenüber, denn jene richten sich ja an Gott, und wenden sich nicht zu uns zurück.

*) Diese Praxis begünstigt das tridentinische Concil dadurch, daß es räth, nicht blos ad orationes, sondern auch ad opem auxiliumque sanctorum confugere.

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