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Befriedigung sicherer erlangen als durch die in der Dekonomie der Erlösung selbst begründete Fürbitte Christi, so ist die Umgehung Christi, so wie ein abergläubisches Vertrauen auf Verdienst und Macht der Heiligen, entschieden vorhanden.

Diese ganze Neigung zum Aeußerlichen und sichtbaren Religiösen in den Werken beruht darauf, daß der Ergismus nicht den Muth hat, alle Werke, die entschieden aus dem Glauben an Christus hervorgegangen sind, völlig gleich zu sehen, dann aber auch sich die Aufgabe zu stellen, alle Kräfte und Lebensverhältnisse in den Dienst des Geistes Christi zu nehmen und zu vertrauen, daß aus allen Werken, im rechten Sinne vollbracht, unter dem Einflusse des Geistes Christi, eine lebendige Kraft der religiösen Gesinnung in die Herzen der Gläubigen zurückströmen werde, während von keinem Werke mehr erwartet zu werden braucht, daß es unsere Rechtfertigung bewirken solle. Bei einer solchen Ansicht sind auch die Werke des Berufs, des täglichen Umgangs, der Ausbildung unserer Anlagen eben so christlich, nothwendig und religiós, als die kirchlichen Gemeinschaftshandlungen, und dieser weite und freie Blick auf das Leben und unsere Bestimmung, zu dem wir dadurch befähigt werden, bringt von selbst zur Auffindung des rechten Verhältnisses in dem äußeren Thun und Verknüpfen der Werke. Diesen Blick kann der Ergismus nicht haben, so lange er nicht, durch Selbstaufgebung, zu der Erkenntniß von der allein rechtfertigenden Kraft des Glaubens an Christus, gelangt.

Der Ergismus hat vorzüglich seinen Sig in der römischen Kirche; allein nicht ausschließlich. Auch in die protestantische ist er, unter den mannichfaltigsten, meist verfeinerten Formen, eingedrungen. Namentlich befindet sich ein gutes Theil dieses Irrthums in demjenigen Gebiete der englisch - bischöflichen Kirche, in welchem die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben mit Gleichgültigkeit behandelt, und zugleich ein übertriebener Werth auf die Volls bringung liturgischer Werke gelegt wird.

Zweites Kapitel.

Vom Orthodorismus.

S. 1.

Der Orthodoxismus ist diejenige Form des Literalismus, in welcher das Buchstäbliche der Orthodoxie zur Erreichung des Zwecks des Evangeliums für nöthig erachtet wird.

Der richtige Begriff des Orthodorismus kann nur in dem Maaße gefaßt werden, als die Orthodorie, deren Entstellung der Orthodorismus ist, begriffen und anerkannt wird. Orthodorie ist die nothwendige und wesentlich gute Gesins nung der Kirche, den Glauben in der verstandesmåßigen Ausbildung und Aussprechung des christlichen Lehrbegriffes so festzuhalten, daß dadurch allen gemeinsamen Handlungen der Kirche, und vorzüglich, dem gegenseitigen Gedankenaustausche der Kirchenglieder, eine würdige begriffliche Haltung gegeben werde. Orthodorie kann sein, so gewiß die christliche Wahrheit der Klarheit und Richtigkeit der Begriffe sich nicht versagt, sondern dieselbe schafft, und mit dem Innersten aller Begriffsbildung in wesentlicher Harmonie steht; sie muß sein, weil ohne sie das mannichfaltige Gedankenleben der Kirchenglieder keinen zusammenhaltenden Mittelpunkt haben, und der Zweck des Christenthums, eine neue religiöse Ge meinschaft aller Lebensthätigkeiten der Menschen hervorzus bringen, nicht wahrhaft erreicht werden könnte. Die Orthodorie ist daher nicht nur in Uebereinstimmung mit der wahr haft freien Gedankenentwickelung der Kirche, sondern sie ist die Bedingung derselben, da der Mangel der Orthodorie schen ein Abirren von dem freimachenden Gehorsam des

Inneren gegen die Wahrheit, wie sie in der Kirche sich objektivirt, in sich schließt. Orthodorismus ist diejenige Entstellung und Ausartung der Orthodorie, vermöge deren diese in der buchstäblichen Form der rechtgläubigen Vorstellungen gesucht wird. Diese Gefahr liegt nahe, aber sie ist keinesweges unvermeidlich. Denn wenn zwar alle kirchliche Rechtgläubigkeit sich vermittelst der Sprache bewähren muß, so daß es in vieler Hinsicht schwer ist, die Hülle des bloßen Buchstaben von dem Sinne des Wortes zu unterscheiden: so müßte der Geist Christi in der Kirche nicht walten, dies ser seine Einheit mit dem Worte sowohl als seinen Unterschied von dem Buchstaben in göttlicher Kraft bezeugende Geist, wenn jenes nicht möglich wäre.

Hieraus läßt sich die Entstehung des Orthodorismus begreifen. Zum Grunde liegt das Gute eines festen Vorsazes, sich die Wahrheit mit der von ihr unzertrennlichen Form nicht rauben zu lassen, eine religiöse Treue gegen die Form der Wahrheit; allein diese Treue ist behaftet mit der Furcht, die Wahrheit zu verlieren, wenn man das Buchstäbliche in ihrer Form aufgiebt, mit der Unfähigkeit, den ewigen, göttlichen Juhalt von der menschlichen und vergånglichen Form zu unterscheiden, und vorzüglich mit dem Mißtrauen in den Geist Christi und Gottes, daß es ihm allein nicht möglich sein werde, die Wahrheit sammt ihrer wesents lichen Form in der Kirche zu erhalten, und zu jeder Zeit diejenige menschliche Form hervortreten zu lassen, welche den Wirkungen des Evangeliums am vollständigsten zum Organe dient. Von der Seite dieses Mißtrauens hångt der Orthodorismus mit den höheren Graden der Selbsttäuschung und mit der Lüge zusammen, und die Geschichte der Kirche, auch der protestantischen, lehrt leider, daß in dieser einzigen Form des kirchlichen Irrthums sich eine Masse von Stolz, Hårte und Leidenschaft zusammendrången kann.

Orthodorismus war es, wenigstens zum Theil, was dem Kampfe des Epiphanius gegen die Origenianer, des

Cyrillus von Alexandrien gegen Nestorius, der Dyotheleten gegen die Monotheleten und anderen dogmengeschichtlichen Entwickelungen der alten Kirche die verzehrende Leidenschaftlichkeit mittheilte. Orthodorismus war es zum Theil, wodurch die Lehre des Berengarius von Tours` am Ende des 11ten Jahrhunderts erdrückt wurde. Der Orthodorismus hatte seis nen Antheil an der schroffen Abgränzung des Lutherthums gegen melanchthonische und besonders gegen calvinische Lehrentwickelungen, und die dordrechtische Theologie ist ebenfalls vorzugsweise aus Orthodorismus zu erklären. Orthodorismus droht aus jeder Richtung sich zu entwickeln, in welcher die verständige und liebevolle Anerkennung des Wahren in früheren Lehrformen, mit einer eigensinnigen Erneuerung des ganzen buchstäblichen Gepräges derselben verwechselt wird.

S. 2.

Der Orthodorismus läßt sich durch seine nicht ganz wahre Achtung vor der Schriftlehre dazu verleis ten, kirchlichen Lehrformen und Bekenntnißschriften ein unstatthaftes Ansehn einzuräumen.

Der ostensible Ausgangspunkt alles Eifers für kirchliche Lehrbestimmungen ist immer Achtung vor der Schriftlehre, allein daß diese Achtung nicht die wahre ist, zeigt sich zwar nicht darin, daß kirchlichen Lehrbestimmungen ein Werth beis gelegt wird, aber darin, daß die in Ansehung derselben befolgten Grundsåge sich mit der richtigen Auffassung der heiligen Schrift und ihrer Bedeutung in der Kirche nicht vertragen. Zwar ist es durchaus richtig, daß die Vortrefflichkeit und Göttlichkeit der heiligen Schrift das kirchliche Hervortreten symbolischer Schriften nicht überflüssig macht, weil die Kirche wegen der Berührung ihrer Glieder mit der Welt und dem Irrthum ausdrücklicher Erklärungen ihres Glaubens in bestimmten begrifflichen Entwickelungen bedarf. In irgend

eine Art von Gegensatz gegen diese historisch begrifflichen Entwickelungen kann und will nun die Schrift gar nicht tres ten, und es zeugt immer von bedeutender Unklarheit über den Begriff sowohl der Schrift als der Bekenntnißschriften, wenn gesagt wird, die Schrift solle unser Symbolum sein. Gerade weil sie höher ist, als jedes menschliche Buch, kann sie nicht ein Symbol für irgend eine zeitlichlokale Entwickelung und Gestaltung der Kirche sein. Aber wenn die Schrift nicht selbst Symbol sein kann: so kann und will sie doch sein und ist wirklich das Einzige, wodurch eine ächtkirchliche Aufstellung und Gültigkeit der Bekenntnißschriften erlangt werden kann; denn nur durch das fortwährende Hervorgehen lebens diger Ueberzeugung der Kirchenglieder aus dem Schriftworte bestätigt sich die Lehre der Bekenntnisse und erneuert sich ihr Gebrauch zur Vertheidigung und Verständigung. Die Schrift, von den Kirchengliedern im Glauben, unter Leitung des Geis stes, gelesen, und ihnen durch die Diener des Wortes glaubensgemäß ausgelegt, giebt der Kirchenlehre immer neuen Werth und Gültigkeit für die Kirche; nicht umgekehrt giebt erst die formirte Kirchenlehre der Schrift Klarheit und dem Glauben Leben.`

Dazu gehört nun, daß die Schrift in ihrer Bestimmung, den Glauben vermittelst der geistigen Fülle und freien Lebens digkeit des Worts zur Erkenntniß zn entwickeln, anerkannt werde, daß aber die göttliche Inspirazion des Schriftworts nicht als die buchstäbliche Ausprägung eines blos logisch schon vollständig zu erfassenden Inhalts angesehen werde, sondern als eine solche vom Geiste des Herrn ausgegangene Gestaltung des Worts, welche zu ihrem Verständnisse selbst die Wirkung des Geistes in den Lesern verlangt. Wird dies ses verkannt, wird das unter der Wirkung des Geistes Gottes entstandene Wechselverhältniß zwischen der Schrift und der Kirche, welche ihre Erkenntniß daraus schöpfen soll, vernachlässigt: so erscheint es als Bedürfniß, zu der, wie irrig vorausgesetzt wird, eigentlich nur von den Gelehrten wahrhaft zu

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