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ein klares Bewußtsein von dem Inhalte der Rechtfertigungslehre in sich tragen müßte. Denn es kann jemand erleuchtet und demüthig genug sein, um gar nicht auf seine Werke zu vertrauen, obwohl er wirklich Werke im Glauben thut, und kann doch unfähig sein, den Glauben in seinen Werken so von seinen Werken im Glauben zu unterscheiden, daß er den Werth dieser Lehre, wie sie kirchlich- objektiv entwickelt ist, hinreichend schäßte, oder auch nur die biblischen Zeugnisse in dieser Hinsicht schon genügend verstände. Wird nun ein solcher betrachtet als eben dieses Mangels wegen ungläubig oder noch gar nicht auf dem rechten Wege, wie redlich er auch sonst seinen Glauben an den Sohn Gottes bekenne: so ist dies nicht nur eine Hårte (welche als solche mehr in das Gebiet der Moral gehören würde), sondern es hat auch die nachtheilige Folge für das christliche Vorstellungsleben, daß man sich Gott denkt als eben so sehr, ja fast mehr, auf die Reinheit der Vorstellungen sehend als auf die Einfache · heit und Wahrheit des Herzens, in welcher der wahre Glaube wesentlich schon enthalten ist, und als wenn die Frucht des Glaubens sich vorzugsweise in einer die Ehre Gottes in Christus befördernden rechtgläubigen Ausdrucksweise zeigen müsse, während es doch gewiß ist, daß diese, obwohl sicherlich mit zu den Früchten des Glaubens gehörig, doch immer nur eine dieser Früchte ist, und, der Natur der Sache nach, mehr sekundär, während die ersten und allgemeinsten Früchte Wahrheit als Lauterkeit (aλýdɛia), Demuth, Liebe und Treue find. Hier ist der Punkt, wo ältere Protestanten auch den Römisch-Katholischen zuweilen Unrecht gethan haben.

2. Das zweite Gebiet, in welchem orthodoristische Verirrungen sich zeigen, ist die sinnlichempirische Auffassung des Mystischen. Das Mystische ist in allen denjenigen Gebieten des Christenthums, in welchen eine wahre und reale Vercinigung Gottes mit der Menschheit bezeugt wird und in's Bewußtsein tritt, denn da ist immer ein Verhältniß, welches nur durch die die Schranken des Endlichen überschreitende

Wirksamkeit Gottes als Geistes besteht, und eben deshalb nur unter der Voraussetzung eines inneren Erhobenseins des Gemüths in die Sfåre des heiligen Geistes verstanden werden kann, und eben wegen dieser Unverständlichkeit für die dieser Sfäre Fremden mit Recht mystisch genannt wird. Wers den nun Gegenstände dieser Art aus einem im Allgemeinen achtungswerthen Gefühle der Rechtgläubigkeit festgehalten, aber blos mit sinnlich empirischer Verstandesthätigkeit zur Lehre gestaltet: so erscheinen sie ganz anders als sie sind, sie werden, wie sehr auch mit buchstäblicher Konsequenz in Bes zug auf Schriftstellen und wirklich rechtgläubige Symbole, in ein niederes Gebiet der Vorstellungen herabgezogen, in welchem sie theils gar nicht wahr sind, theils dazu beitragen müssen, die Gemüther von dem Trachten nach dem Leben im Geiste Christi abzuziehen, und ihnen die richtige Lehrform als genügend für die Bedürfnisse der Frömmigkeit darzustellen. Die hieher gehörigen Gegenstände sind vorzüglich die Vereinigung der Gottheit und Menschheit in der Person Jesu und die Mittheilung des himmlischen Lebens Christi in den Sakramenten.

a. Gottheit und Menschheit sind in der Person Jesu vereinigt dieser Gedanke ist dem christlichen Glauben wes fentlich, und er kann in dem Maaße vollzogen werden, als das Gemüth, durch die Gemeinschaft des Geistes Christi in die Sfäre versezt, wo Christus als der Inhaber eines schlechthin göttlichen Lebens zur Erfahrung des Lebens gebracht wird, nun auch seine Gedankenbewegungen von diesem Mittelpunkte aus gestaltet, und auf diesem Wege die Einheit der beiden Naturen in der einen Person Jesu erkennt. So bes ruhigt sich der schlichte und rechtgläubige Christ bei der pos pulären Ausdrucksweise derselben Grundgedanken, die den Inhalt des chalcedonischen Symbols. ausmachen, und der Theolog muß gestehen, daß die höhere spekulative Ausbildung und Schließung der Begriffe, welche er dieser Lehre zu geben im Stande ist, nur unter der Vorausseßung von

und Anknüpfung an die Thatsache des von Christus ausgehenden göttlichen Lebens religiösen Sinn und Werth hat. Kommt nun der gemeine empirische Verstand, sofern er sich nicht mittragen und erleuchten läßt durch die innerliche und mystische Thatsache des göttlichen Lebens in Christus, zu dieser Lehre: was macht er aus ihr? Im Allgemeinen freilich religiós hingerichtet auf die Person Christi, aber sinnlich festgehalten durch das Sichtbare und sinnlich Vorstellbare seiner Menschheit, und buchstäblich festhaltend die Lehre von seiner Gottheit, ohne das Wesen der Gottheit in seiner Menschheit aus der Thatsache eines neuen Gesammtlebens der Kirche und ihrer Glieder zu verstehen, verfällt er darauf, die Menschheit Christi für einerlei mit seiner Gottheit zu halten, nicht nur die Einheit der Person (wie jeder Rechts gläubige), sondern die Einheit der Natur zu behaupten, und fiatt den Begriff Sohn Gottes in aller der Reinheit und Schriftmäßigkeit innerlich zu hegen und festzuhalten, aus welchem die wahre Gottheit des Herrn eben so gewiß als die wahre Menschheit hervorgeht, liebt er es, Christus zu fassen als Gott schlechthin, als einerlei mit dem Vater, wåhrend es doch zu dem Begriffe des Sohnes Gottes gehört, zwar ewig Gott zu sein und zu bleiben, aber uns die Gottheit in der Einigung mit der Menschheit, in Vermittelung durch die Menschheit, zu zeigen.

Aus dieser Neigung entstanden die monophysitischen Irrthümer, ohne daß wir leugnen möchten, daß ihnen in historischer Beziehung, dem Nestorianismus gegenüber, eine relative Berechtigung beiwohnte. Die römische Kirche bekämpfte sie zwar unter Anführung Leo's des Großen in seinem berühmten Briefe an Flavian; allein da die ganze spåtere okzidentalische Kirche seit dieser Zeit die Dreieinigkeitslehre sammt der von der Person Jesu, durch den unlebendigen Begriff vom Glauben, den sie aufkommen ließ, nur allzusehr von der christlichen Lehre vom Menschen und von der Heilsørdnung trennte, brachte ihr die chalcedonische Rechtgläubig

keit nicht die Hälfte des Gewinns, den sie ihr hätte bringen können. Sie übersah die sinnlich-buchstäblichen Auffassungen, die sich aus dem Volksleben in die Kirchensprache einschlichen, und ein gewisser Rest von einer finnlichen Art, das Ueberfinnliche, nämlich die Gottheit in Christus, festzuhalten, zieht sich durch die ganze mittelalterliche Kirche und selbst in die protestantische hinein. Hiehin darf man den Ausdruck Gottes Mutter" rechnen, der einen richtigen Gedanken in sich hat, jedoch nicht wegen dieses Gedankens, sondern wegen einer sinnlichen Auffassung der Gottheit Christi sich in Gebrauch erhalten hat *), und nicht biblisch ist. Hiehin gehört der Ausdruck,,Gottes Blut“, der schwerlich einen biblischen Grund für sich hat **), und doch nur in diesem Falle würde sich der Gebrauch hinreichend rechtfertigen, den die Christen in früherer Zeit häufiger von ihm machten.

*) Luther in der für seine Auffassung der Dreieinigkeit und Gottheit Christi höchst merkwürdigen Schrift „Auslegung der leßten Worte David's“. (Th. 5. S. 562) sagt nur: „Man soll sagen: ,, Gott ist geboren von Maria. “ Die Konkordienformel aber bestätigt den Ausdruck: Gottes Mutter, Walch's Konkordienbuch S. 695. Wobei es merkwürdig ist, daß diese Ausdrucksweise im lutherischen Volke sich nicht er. halten hat.

**) Denn Act. 20, 28 haben nur theils weniger gute, theils ganz

schlechte codices die Lesart ezzλyoíav dɛoũ, und die ältesten und besten haben zugíov, nämlich A. C. D. E. 13. 15. 18. 36. Die von Wetstein angeführte und von Griesbach erwähnte Stelle aus der zweiten Schrift des Athanasius gegen alpolinaris: ουδαμοῦ δὲ αἷμα θεοῦ καθ ̓ ἡμᾶς παραδεδώzaow ai rqayaì, ist aber untauglich zu dem Beweise, `daß Athanasius nicht Exxhyoíav deoυ gelesen habe, denn nicht nur lesen die älteren Ausgaben (Paris. 1627. Colon, 1686) zað vμãs, sondern die neueren (Benedict. 1698. Patavin. 1777) lesen statt dessen die Worte diya oagzos, und in beiden Fällen geht ein Sinn hervor, wonach Athanasius die Erwähnung des aiua dɛou in der Schrift keinesweges leugnet.

Hiehin gehört die in der römischen Kirche noch weit verbreitete Gewohnheit, von dem Sohne Gottes schlechthin „der liebe Gott" zu sagen.

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Das Nachtheilige dieser Art zu denken und zu reden liegt nicht in der nothwendigen Erzeugung einer falschen Lehre (wie denn der Monophysitismus als Lehre dabei ims mer noch abgewehrt werden kann), sondern in der schon bes rührten Abschließung der Lehre von Christi Person von der von seinem Amte, und der von seinem Amte von der von der freien Aufnahme des Heils von Seiten des Menschen. Denn wenn die Gottheit Christi so identifizirt wird mit der Menschheit: so bleibt keine volle schriftmäßige Anschauung von dieser mehr möglich. Das Leiden wird dem Sohne Gottes noch zugeschrieben, und eben dann, meist unvermittelt supernaturalistisch, als ein Leiden Gottes dargestellt; allein die gehorchende, lehrende, sich verleugnende, versucht werdende, den Menschen sich hingebende, dienende Liebe tritt in eine supernaturalistische Starrheit und Unbegreiflichkeit zurück, da sie doch gerade vorzugsweise das Begreifliche, Verständliche in der Erscheinung des Sohnes Gottes sein will, und hiemit geht ein großer Theil des Segens verloren, den die schriftmäßige, durch die herrlichsten und klarsten Weissagungen und Vorbilder bestätigte Anschauung von dem Messias als einem ganzen, wahren, innig sich als Mensch fühlenden Menschen in der Seele der Gläubigen erwecken will.

b. Ganz analog mit dieser Auffassung der Lehre von der Person Jesu ist eine orthodoristische Art, die Sakramente zu betrachten. Was in Christus die Gottheit ist, ist in den Sakramenten die himmlische Substanz, die da mitgetheilt wird. Was in Christus die Menschheit ist, ist in den Sakramenten das sichtbare Element. Die Vereinigung beider macht das Sakrament aus, sie ist das Mysterium, welches nur der Glaube fassen kann, d. h. das schon durch die Gnadenwirkung des heiligen Geistes in das Gebiet des neuen

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