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Gliedern der lutherischen Kirche, wo er sich dann auf eigene Weise mit einer pietistischen Ueberschäßung gegenseitiger Gefühlsäußerungen zu verknüpfen pflegt.

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b. Eine Erwählung der Kinder Gottes zur Seligkeit und den göttlichen Willen, daß die nicht Glaubenden sollen verdammt werden, lehrt die Schrift (Eph. 1, 4, 5, 11. 1 Theff. 5, 9. Apost. 13, 48), lehren beider protestantischen Kirchen Bekenntnisse (Walch Konkordienbuch S. 577, 720, 727. Bei den reformirten bedarf es keiner Anführung.) Dieser Rathschluß Gottes, welcher Seligkeit der Glaubenden und Verdammniß der nicht Glaubenden zu den beiden Seiten seiner Erfüllung hat, ist insofern absolut, als er in keis nerlei Weise abhängig sein kann von irgend etwas endlich Empirischem, was in das Gebiet der Natur und des Weltorganismus fällt, da vielmehr zu urtheilen ist, daß alles hiezu Gehörige dazu da und eingerichtet sei, daß jener Rathschluß auf Gottes würdige Weise zur Erfüllung komme. Allein er ist relativ, insofern er das freie Verhalten der Menschen in Bezug auf die Offenbarung Gottes selbst zum Gegenstande hat. Er besteht nur als ein Rathschluß in Ansehung der ihrer Freiheit sich bewußt werdenden, sich frei in Bezug auf Gott verhaltenden Menschen. Jusofern ohne diese Relativität eigentlich gar kein Rathschluß Gottes, der die Menschen frei geschaffen hat, denkbar ist, weil ja die Schöpfung des Menschen selbst nur dadurch und damit zugleich als Werk Gottes erscheint, daß der Mensch, ihre Krone, sich als frei bewähren könne: so darf man sagen, dieser das freie Verhalten der Menschen zum Gegenstand habende Rathschluß sei als solcher absolut, und namentlich die Ertheilung der Gnade zur Wiedergeburt hånge von keiner Art vorhergegangener guter Werke von Seiten der Menschen ab, da diese erst durch die Gnade zu guten Werken fähig werden. Wird nun dieser Rathschluß so gefaßt, daß Gott in der Ausführung desselben auch auf das freie Verhalten des Menschen nicht Rücksicht nehme,

und daß er ohne Bezug darauf, ob die Menschen seinem Worte Aufnahme gewähren in ihrem Herzen oder ihm widerstehen, willkührlich die Einen zur Seligkeit, die Anderen zur Verdammniß bestimme: so ist das die Vorstellung einer Absolutheit und Unabhängigkeit Gottes, wodurch er sich und seiner Schöpfung widersprechen würde. Denn da das Das sein freier Wesen, d. h. solcher, die bewußt und wollend in die ihnen dargebotene Gemeinschaft Gottes eingehen kön nen, der ganze Zweck der Schöpfung ist: so müßte Gott, um einen solchen Rathschluß auszuführen, eigentlich die Schöpfung erst wieder zerstören, nachdem er sie geschaffen; dann aber würden wir jenen Rathschluß nicht verstehen können als einen Rathschluß Gottes, insofern wir uns Gottes immer nur zugleich mit dem Bewußtsein unser selbst, also der ganzen Schöpfung, bewußt werden, und so wåre er kein Rathschluß über unsere Seligkeit und Verdammuiß. Da er nun aber ein solcher ist, und da die Menschheit, auch nach dem Falle, als eine freie, der ihr Verhalten zuzurechnen ist, dasteht: so müssen wir sagen, der Rathschluß Gottes beziehe sich auf die verschiedene Art, wie der eine Thcil dez Menschengeschlechts sich gegen seine Offenbarungen aufnehmend, der andere widerstehend verhält; denn diese Art ist der Grund, daß in dem einen der Glaube zur Vereinigung mit Christus sich bildet, in dem anderen der Unglaube sich bis zur Unfähigkeit der Bekehrung verhärtet. Nicht also um der nothwendigen Offenbarung der beiden Eigenschaften der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit willen mußte dieser Rathschluß gefaßt werden (als wenn jene nicht in der Offenbarung der Liebe unzertrennlich verbunden wåre), sondern um der Offenbarung der heiligen Liebe Gottes selbst willen in ihrem Wollen und Behandeln der Freiheit.

Die entgegenstehende Lehre von dem auch auf kein inneres Aufnehmen und Widerstehen sich beziehenden Rathschlusse, welche sich, unter Vorbereitungen Augustin's und seiner Anhänger, Gottschalk's, Bradwardin's und Calvin's

(womit gar nicht gesagt werden soll, daß der eigentliche Irrthum jedem dieser Månner zuzuschreiben sei), durch die dordrechtische Synode kirchlich ausbildete (obwohl auch hier im Kampfe gegen andere Irrthümer und daher nicht ohne Antheil großer Wahrheiten), ist ein Erzeugniß des Orthodorismus, weil er sich an buchstäblich und nicht im wahren Wortsinne aufgefaßte Schriftstellen anschließt und die so gewonnene Lehre in kirchlicher Form ausdrucken und geltend machen zu müssen meint. Die wichtigsten der dafür geltend gemachten Stellen sind: Act. 13, 48. Rém. 8, 29, 30. Eph. 1, 4, 5. Róm. 9, 11-13. Róm. 9, 18-21. Die drei ersten Stellen beweisen nichts für jene Lehre, weil das göttliche Wissen um die innere freie Entscheidung der Gläubigwers denden für die Wahrheit, das freie Nichtunabhängigseinwollen, gar nicht durch sie ausgeschlossen ist. Die vierte enthält nur die Ausschließung jedes durch Werke begründeten Rechts zur verheißenen Seligkeit des wahren Israel, schließt aber nicht das Hervorgebrachtsein der Verwerfung durch beharrlichen Unglauben aus. Die fünfte Stelle, in welcher v. 20 u. 21 die Spiße bilden, ist freilich die scheinbarste, ja die allein eigentlich scheinbare, für eine ab solute Prådestinazion. Allein jeder wird gestehen müssen, daß das Gleichniß vom Töpfer, der Gefäße zur Ehre und zur Unehre bildet, unmöglich das ganze Verhältniß zwischen Gott und dem Menschen in dieser Beziehung kann abbilden sollen. Und dies ergiebt sich theils daraus, daß es an seiner ursprünglichen Stelle, Jerem. 18, 1-10, gerade sich auf die Verwerfung als Lohn des Unglaubens bezieht, theils daraus, daß v. 22 von einem langmüthigen Tragen der Ges fäße des Zorns redet, worin schon ein Gegensatz gegen die absolute Prådestinazion liegt.

Wo diese Lehre in ihrer Schärfe vorgetragen wird, d. h. ohne die Milderungen, die aus der Anerkennung des ganzen Schriftworts, und ohne die heilsamen Inkonsequenzen, die aus inniger Menschenliebe hervorgehen: da kann sie,

wie die Erfahrung lehrt, Schroffheit in der Behandlung des Unterschieds zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen, Mangel des Gefühls von der allgemeinen Vaterliebe Gottes in Christus gegen alle Menschen, Geringachtung des Wortes Gottes, als låge in demselben nicht einmal eine vorberei tende Gnade, so wie an Verzweiflung grånzende Ungewißheit über die eigene Erwählung, im schlimmsten Falle aber heillose Sicherheit bei unbekehrtem Sinne hervorbringen *).

Die Begünstigung dieser Lehre aus der Besorgniß, daß man ohne sie in den Ergismus, oder in die Lehre von der Wiederbringung Aller, wider die Schrift, verfallen müsse, ist unnüß, da der erste bei der Annahme eines nie verlorenen Vermögens im Menschen, die Wahrheit in sich aufzunehmen, nichts gewinnt, und da die zweite auch dann abgewehrt werden kann, wenn man wirklich eine gänzliche Aufs hebung der Sünde als das nothwendige Ziel des göttlichen Rathschlusses ansieht.

*) Von allem diesem kommen noch immer Beispiele vor. Das furchtbarste und am meisten welthistorische liegt in dem Karakter Cromwell's. In der Gewissensangst seiner leßten Tage fragte er den Prediger Goodwin: Ob es gewiß sei, daß die Erwählten nicht aus der Gnade fallen können. Als dieser es bejahte, antwortete Cromwell: Dann kann ich getrost sein, denn ich weiß, ich war einst im Stande der Gnade. Hume history of England. London, 1762, vol. 6. p. 89.

Dritter

Abschnitt.

Vom Spiritualism u s.

§. 1.
S.

Der Spiritualismus ist diejenige Verirrung, nach welcher das religiöse Geistesleben unter Losreißung vom göttlichen Worte gesucht wird.

Der Spiritualismus hat eine historische und psychologische Anknüpfung an den Literalismus. Denn wenn es, unter mehr oder minder drückenden Erfahrungen, sich gezeigt hat, daß der Literalismus den menschlichen Geist niederbeugt, und ihm die ganze naturgemåße Entwickelung unmöglich macht, zu der er durch den Einfluß des heiligen Geistes bestimmt ist: so geschieht es leicht, daß der menschliche Geist unwillig auch das als unwürdige Schranke abwirft, was nichts Geringeres als das ewige Band ist, wodurch er an Gott gebunden ist, die heilsame Schränke, innerhalb deren er allein zum vollen Bewußtsein seiner Freiheit gelangen kann. Diese Schranke, dieses Band ist das göttliche Wort. Losreißung vom göttlichen Worte ist der innerste Geist des religiösen Spiritualismus.

Das Wort Gottes, nicht wie es schon Bibel ist, sons dern wie es die lebendige, vom Geiste Gottes fort und fort durchwohnte und in dieser Durchwohnung sich als Wort erhaltende Form des dem Menschen in Christus dargebotenen

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