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des Geistes selbst sei, insofern dieser mit dem göttlichen Geiste Eins sei. Indem der Geist diese Thatsache durch dringt, begreift er sich selbst und gelangt zum Bewußtsein seines eigenen Lebens und Wirkens. Dies ist der Gnostizismus, in welchem die Selbsterkennung des menschlichen Geistes an sich, ohne des realen und persönlichen Christus dazu zu bedürfen, für das Christlichreligiöse gehalten wird. Im Razionalismus verhält sich der Geist äußerlich, abstrakt, richterlich negirend zu dem lebendigen Inhalte des Worts, er hat noch etwas vom Naturalismus an sich, verarbeitet es aber zu bestimmterer Scheidung der Begriffe Natur und Vernunft. Im Gnostizismus verhält sich der Geist bejahend, innerlich, spekulativ, und hat häufig eine Beimischung, einen Anfang des Mystizismus in sich. Aber beide sind spiritualistisch Eins darin, daß der menschliche Geist über das göttliche Wort gestellt wird, d. h. Christus nur in der Art angenommen wird, daß man sein Wort nicht gelten läßt. Es braucht übrigens kaum bemerkt zu werden, daß beide Benennungen hier in einem allgemeinen Sinne gefaßt sind, in welchem diese Irrthümer immer in der Kirche waren, und alle spiritualistischen Richtungen sich von selbst entweder überwiegend unter die eine oder die andere Form stellen.

Erstes Kapitel.

Vom Razionalismus.

S. 1.

Der Razionalismus besteht in einer falschen Aufs fassung des Verhältnisses der menschlichen Vernunft zur christlichen Religion.

Daß der Name Razionalismus seit seiner Entstehung in der christlichen Kirche eine Verirrung, einen fehlerhaften

ist

Gebrauch der Vernunft in der Religion, bedeutet hat, historisch gewiß *). Erst mit dem Anfange unseres Jahrhunderts akzeptirten einige Theologen diesen Namen in einem guten Sinne, und es ist nun eben die Frage, ob die Sache, welche mit Recht mit diesem Ausdrucke bezeichnet wird, jes mals etwas Gutes in der Kirche sein könne. Wir verneinen diese Frage, indem wir zuerst auf zwei rechtmäßige und reine Denkarten und Richtungen hinweisen, welche hin und wieder mit diesem Namen bezeichnet werden, obwohl die Bezeichnung für sie nicht paßt.

Will man Razionalismus nennen diejenige Richtung, vermöge welcher man die allgemeine Idee der Religion, welche von dem Dasein der Vernunft unzertrennlich ist, in aller Entwickelung der Religionslehre festhält, sie in allem Einzelnen und Thatsächlichen wiederzuerkennen und sie vermittelst Verknüpfung der sich auf sie beziehenden Vorstellungen nachzuweisen sucht: so ist dies im Wesentlichen nichts Anderes als vernünftiges Denken im Gebiete der Religion. Diese Richtung ist so nothwendig und so gut, als die Vernünftigkeit, d. h. die thåtige Entwickelung angeborner Ideen, überhaupt in allen Dingen gut ist. Man sieht aber gar nicht ein, warum diese Richtung vorzugsweise auf dem Gebiete der Religion Razionalismus heißen soll, während sie nichts Anderes als die razionale Behandlung irgend eines empirisch gegebnen Objektes bezeichnet. Razionalismus in diesem Sinne jemandem abzusprechen, ist ein Vorwurf, welcher, besonders auf dem Gebiete der Wissenschaften und im kirchlichen Streite, nie im Allgemeinen gemacht werden sollte, da jedermann von vorn herein hier sich als einen vernünftig Denkenden hinstellt, und diesen Anspruch auch durch einzelne Fehler in seinen Gedankenverbindungen nicht verliert.

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*) Vgl Frid. Spanhemii elenchus, ed. 2. 1719. p. 742. Hahn de rationalismi indole, 1827.

Zuweilen soll durch Razionalismus bezeichnet werden das Streben, den Sinn und Gehalt der positiven und geoffenbarten Religionslehren approximativ begreiflich zu machen, d. h. ste in das wissenschaftliche Begriffssystem, unter wach fendem Zusammenschauen ihres geistigen Gehalts und ihrer zeitlichen Form, aufzunehmen. Dies ist das überwiegend spekulative Verfahren in der Theologie als Wissenschaft, in dieser so rechtmäßig als der Wissenschaft überhaupt wefentlich. Man sieht aber nicht ein, warum dieses Streben, nur wenn es in der Theologie eintritt, soll Razionalismus genannt werden, da es nichts Auderes ist, als die wissenschaftliche Entwickelung der Vernunft überhaupt. Entweder also alles spekulativ-wissenschaftliche Verfahren heißt Razionalismus oder auch jenes theologische nicht. Die cartesianischen Theologen am Ende des 17ten Jahrhunderts wurden zum Theil nur wegen folcher Bestrebungen von ihren Gegnern Razionalisten genannt, aber mit Unrecht. Man durfte ihnen sagen: An diesem und jenem Punkte habt ihr falsch und vermessen Begriffe gebildet und verknüpft, man durfte sie aber nicht wegen der begrifflichen Auffassung des Inhalts der Religion überhaupt angreifen.

Abgesehen von diesem zwiefachen Gebrauche des Namens Razionalismus kann es nur einen mehr oder minder fehlerhaften Razionalismus in der christlichen Kirche geben, und das, was die Anhänger des Razionalismus selbst für denselben erklären, ist auch etwas ganz Anderes als jenes Zwiefache.

Aller Razionalismus in der Kirche, dem wirklich dies ser Name zukommt, hat sein Wesen in einer falschen Auffassung des Verhältnisses, in welchem die menschliche Vers nunft zur christlichen Religion steht und allein stehen kann. Die christliche Religion ist ihrem innersten Karakter nach eine positive, sie hat die Elemente der natürlichen- Relis gion, wie diese Recht hatte, sich den falschpositiven Religionen des Heidenthums entgegenzustellen, in sich aufgenom

men *), aber sie hat alle diese in einem positiven Kerne, in einer historischen Thatsache, in einem konkretreligiösen Verhältnisse, nämlich der durch Christus vollbrachten und von da fortwirkenden Versöhnung oder Sühnung (1 Joh. 2, 2; 2 Kor. 5, 19) vereinigt, und in dieser Form ist sie die ab solute, schlechthin imperfektible Religion. Als solche ist sie. etwas göttlich Gegebnes, in welchem der menschlich-religiöse Gedanke sich und seinen Ursprung wohl wiedererkennen, welches der menschliche Gedanke aber nicht erst machen kann. Als solche enthält sie vollkommen in sich die Einheit ves göttlichen und des menschlichen Wesens und Lebens und eben damit aller relativen Gegensäße, die in diesem leßteren gegeben sind. Der Hauptgegensaß (abgefehen davon, wie er entstanden ist) ist der zwischen der allgemeinen Idee des Gus ten in der Vernunft und dem wirklichen Sein des Guten. im Leben des Menschen. Indem die christliche. Religion dem Menschen in Christus und der von ihm gestifteten Versöhnung einen positiven Anschließungspunkt darbietet, reicht sie ihm eine neue und lebendige Einigung seiner allgemeinen Vernunftgedanken mit seinem realen Vermögen dar, d. h. sie vermag aus ihrem Quelle die Gedanken mit demselben Lichte zu beleuchten, welches von innen nach außen hin Kraft des Lebens ist. So bewährt sich die christliche Reli gion durch die ihr eigenthümliche göttliche Positivitåt (denn positiv zu sein im blos historischen Sinne ist auch der Karakter der falschen Religionen) als Licht und Leben zugleich, und die Vernunft des Menschen, welcher, in Folge der Ers fahrung seiner Gebrechlichkeit in allen seinen Kräften, also auch in der Gedankenbildung, sich zur christlichen Religion hinwendet, wird sich ihrer Erleuchtung durch die Religion bewußt. Dieselbigen allgemeinen Ideenförmen, mit welchen. der Mensch, zwar schon viel in Kunst und Wissenschaft,

*) Auch die Bibel enthält eine Fülle von natürlicher Religion, 3. B. die Naturempfindungen und Betrachtungen der Frommen.

aber gar nichts schaffen konnte in Bezug auf einen vollen Quell des religiösen Lebens im Mittelpunkte seines Wesens, werden ihm jetzt erfüllt und belebt mit dem sich selbst bewährenden Inhalte der positiven Religion, Wiedervereinigung mit Gott durch Christus. Sein Denken innerhalb der so als göttlich erkannten christlichen Religion, und (insofern diese Gemeinschaft bildend ist) sein Denken in der Kirche, ist nie mehr ein abstraktes, ein blos ideales, ein blos von innen ausgehendes, es ist ein erneuertes, es giebt nicht der positiven Religion das Maaß, sondern es weiß sich gerichtet, recht gestellt, durch sie, von ihr aus.

Der Razionalismus kehrt das Verhältniß gerade um. Abstrakte Vernunftgedanken sind ihm das höchste, das Wichtigste, die Norm seiner Religiosität. Er will sie nicht beleuchten lassen, sondern er will mit ihnen, beleuchten. Das Positive der christlichen Religion sieht er nur als ein historis sches Aggregat der besten Vernunftgedanken an, nur als ein äußerliches Anregungsmittel der menschlichen Vernunft, nicht als diejenige schlechthin göttliche Einheit der Idee und der Geschichte, aus welcher ein neues Verhältniß zu Gott hervorgeht. Und da jene Gedanken, solange sie nicht durch das Licht der positiven Religion erleuchtet sind, nothwendig abstrakt bleiben, nämlich abgezogen von dem nicht erfaßten Leben Gottes in der Menschheit: so behalten die abstrakten Gedanken immer den Primat im Razionalismus, und sein Grundfehler liegt darin, daß er sich unfähig macht, die Vernunftgedanken dem lebenvollen Lichte der wahren Religion vertrauend zu öffnen, indem er das religiós angeregte vernünftige Gedankenleben für das Leben der Religion selbst hält. Diese selbstverschuldete Unfähigkeit, dieses kalte, stolze, hohle Sichzurückwerfen des Razionalismus auf das Abstrakte, indem er über die tiefste Sehnsucht des religiösen Bedürf nisses hinweggeht, ist der Zusammenhang des Razionalismus mit dem Bösen und der Lüge.

Allein auch dem Razionalismus liegt eine relative Wahr

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