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gesprochen ist, so ist doch ihr Grund lediglich dasjenige Wesen Jesu, von dem er sagte, daß er im Vater und der Vater in ihm sei (Joh. 14, 11), daß er den Vater gesehen und gehört habe, wie kein anderer Mensch (Joh. 5, 19. 6, 46. 12,49 u. 50)." Dieses Wesen ist übernatürlich, so gewiß Gottes Wesen über der Natur ist. Ohne dieses Wesen wåren die Worte Jesu nicht Gottes Worte. In dieser Beziehung ist die Offenbarung wahrhaft übernatürlich, und der Supernaturalismus dem christlichen Glauben wesentlich.

Diesem einfachen apologetisch- kirchlichen Zusammenhange stellt sich der Razionalismus entgegen, indem er behauptet: 1. Die Ueberlieferungen der Worte Jesu seien nicht lauter genug, um mißverständliche Zusäße von seinen eigenen Worten sicher zu scheiden. 2. Das Zeugniß Jesu vom Ursprunge seiner Worte bedeute nur ihre VernunftmåBigkeit. 3. Die Auferstehung Jesu sei unfähig, die unterscheidende Göttlichkeit seiner Worte zu bestätigen. Der erste Saß ist nur ein Hülfssaß des Razionalismus, den er vorzüglich zur Begründung des zweiten anzuwenden sucht. Zur Begründung des dritten glaubt er ihn nicht eben so nöthig zu haben, da er, von seinen Vorderfäßen aus, die Ungeeignetheit von Wundern zur Mitbewirkung einer Offenbarung sonst schon beweisen zu können meint. Die Behauptung gänzlicher Unsicherheit der Quellen über das Leben Jesu stellt der Razionalismus als solcher nicht auf, sie entsteht ihm nur in dem Maaße, als er, an sich selbst irre werdend, wider Willen übergeht in den Gnostizismus oder auch zus rückfällt in den mehr oder weniger feindlichen Naturalismus, wie es heutzutage der Fall ist. An sich behauptet er sogar die Glaubwürdigkeit der Nachrichten von Jesu Leben und Lehre, und er muß sie behaupten, da er sonst seine Grundidee, die Lehre Jesu enthalte den Inbegriff vernünftiger Gedanken über Gott, selbst nicht festhalten könnte. Allein da er sich jedes aus dem christlichen Dogma vom heiligen Geiste gebildeten Begriffs von heiliger Schrift entschlägt: so ist er

in der natürlichen Tendenz, alle kritische Schwierigkeiten und, Zweifel über Authentie und Richtigkeit der Ueberlieferung, die auf einem gewissen Standpunkte der Wissenschaft vorhanden sind, zu steigern, und zu versuchen, in wie weit sie zur Begründung des zweiten und zur Unterstüßung des dritten Sazes benußt werden können *). Den zweiten Sah sieht er immer als seine Hauptstärke an, und nach der Widerlegung desselben ist es allerdings ein Leichtes, ihm den dritten zu entreißen.

1. Obwohl nun der Razionalismus im Allgemeinen nicht behauptet, gerade die Aussprüche Jesu über seine Person seien von den Evangelisten irrig aufgefaßt (dies würde wenigstens schlecht stimmen mit der Annahme, daß das Evangelium Johannis Richtschnur zur Beurtheilung der anderen sei): so latitirt doch diese Behauptung in vielen seiner Anz deutungen über Akkommodazion (auf welche wir beim zweiten Saße zurückkommen), und deshalb müssen wir zuerst zeigen, daß kein vernünftiger Grund vorhanden sei, anzunehmen, Jesus habe nicht so von sich gesprochen, wie die Evangelisten berichten. Hätten die Jünger die Worte Jesu, in denen er von sich selbst redet, so mißverstanden, daß sie ihm die Behauptungen, die wir oben angeführt haben, beilegten, während er doch nur gesagt hätte, Ich bin der Vernünftigste aller Menschen: so würde die Wahl solcher Jünger, die so grob mißverstehen konnten, und ihrem Meister

*) Daher de Wette Bibl. Dogm. §. 226:,,Der Charakter der drei ersten Evangelien ist sagenhaft und selbst zum Theil mythisch.“ Aber gleich darauf: „In Ansehung des Inhalts der Geschichte und Lehre ist leßteres (das Evangelium Johannis) als Richtschnur der Kritik zu gebrauchen." Weg scheider institut. theol. dogm. edit. septima 1833 §. 34. In universum recte iudicatur, N. T. scripturam sic esse comparatam, ut, advocata etiam crisi sana philologica et philosophica, historia Let doctrina Iesu Christi et apostolorum inde erui queat fide dignissima.

die Bezeugung eines spezifischen Unterschiedes unterlegten, wo er blos von einem graduellen sprach, beweisen, daß Jesus sehr wenig vernünftig bei der Wahl seiner Jünger zu Werke gegangen wäre, daß er also auch jenes nicht mit gutem Gewissen von sich hätte sagen können, während dies doch die Voraussetzung des Razionalismus ist. Nimmt man ferner an, daß das Jüdischsinnliche, welches den Jüngern im Umgange mit Jesus anhaftete, ihnen auch nach dem Empfange höherer Erleuchtung am Pfingstfeste geblieben wäre: so würde die Verheißung Jesu, daß sie mit einem Geiste würden angethan werden, der sie in alle Wahrheit leiten, und ihnen das mittheilen werde, wo sie jest noch nicht tragen könnten (Joh. 14, 16. 17. 26; 16, 12), nicht in Erfüllung gegangen sein, und Jesus hätte sie also auch nicht aussprechen können, wenn er der Vernünftigste der Menschen war, welches doch der Nazionalismus annimmt. Auch würde die wirkliche Befreiung der Apostel von jüdischer Einseitigkeit in anderen Dingen, wie die des Petrus von der Scheu, mit Heiden umzugehen, und die Verklärung aller ihrer Begriffe über die Bestimmung der Gemeine, Gott im Geiste. zu dienen, nicht damit vereinbar sein, daß sie bis an das Ende ihrer Laufbahn seine Person als den Mittelpunkt alles Heils ansahen, wenn nicht der Herr selbst sie auf seine Person gewiesen. Endlich würde in dem Falle jüdisch - irriger Zusäße zu der Lehre Jesu von seiner Person dieses Jüdische doch irgendwie derb heraustreten, es würde etwa von ekstatischen Zuständen Jesu die Rede sein (wie ja dies eine Analogie mit denen der Profeten gehabt hätte), oder es würde das Sein Jesu vor seinem Herabkommen vom Himmel als ein menschlichpersönliches oder englischseltsames ausgemalt oder angedeutet worden sein, wie sich dergleichen in den neutestamentlichen Apokryphen findet. Da aber nichts von dieser Art bei den Evangelisten ist, da der Lieblingsjünger Jesu, der vertraute Zeuge seiner wichtigsten Worte und Thaten, solche Reden Jesu von sich selbst überliefert, in welchem,

mit dem verständigsten Maaße, in einem Zusammenhange gegenseitiger Erläuterung, von seinem Sein im Vater und des Vaters in ihm, von seinem Haben der Herrlichkeit bei Gott vor der Welt Grundlegung, so wie davon, daß er der eingeborne Sohn sei, daß man ohne ihn nicht zum Vater komme u. s. w. geredet wird: so läßt sich die Beschaffenheit dieser Worte gerade allein daraus erklären, daß Jesus solche und diese Worte in Klarheit und Bestimmtheit geredet hatte.

2. Wir kommen zu dem zweiten Sage des Razionalismus, daß die uns überlieferten Worte Jesu von sich selbst doch auch nur den Sinn hätten, daß er auf vollkommenste Weise allgemeine Vernunftwahrheiten ausspreche. Der Inhalt aller Worte Jesu, sagt der Razionalist, ist allgemeine Vernunftwahrheit, und weil dieser Inhalt, unter besonderer Ausrüstung Jesu mit Natur- und Geistesgaben, gerade von ihm so sehr vollkommen ausgesprochen wurde: so durfte er ja wohl mit rechter Bedeutung auf sich hinweisen, und sagen: Höret mich, denn ich sage Vernünftiges und Gutes mit besonderer Befähigung, und bin ein Lehrregent. Dieser Satz enthält zunächst einen Widerspruch mit dem oben erwiesenen Inhalte der Worte Jesu. Denn ist es unleugbar, daß dieser Inhalt so sehr seine Person war, daß alles Andere, Gesetz und Verheißung, nur in Beziehung darauf gesagt, berührt, erläutert wurde, und damit es beitrüge, den Glauben an seine Person, an ihn als den Heiland, den Inhaber und Mittheiler des Lebens, zu wecken und zu stårken *): so ist dieser Inhalt keine Vernunftwahrheit. Denn daß die bestimmte Person Jesus von Nazaret der Heiland ist, ist keine allgemeine Vernunftwahrheit, und doch ist diese Bezeugung der ganze, alles Andere in sich schließende Inhalt

*) gl. 305. 11, 25. ἐγώ εἰμι ἡ ανάστασις καὶ ἡ ζωή 50%. 8, 24. ἐὰν γὰρ μὴ πιστεύσητε, ὅτι ἐγώ εἰμι, αποθανεῖσθε èv raïs âμagríais iμær. Joh. 9, 35–37. Joh. 6, 40.

der Worte Jesu. Möchte also alles Andere, was Jesus gesagt hat, Vernunftwahrheit sein: so würde es durch die in seinen Worten liegende Beziehung auf sein historisch-konkretes, persönliches Dasein einen anderen Karakter erhalten. War aber der Inhalt der Worte Jesu keine Vernunftwahrs heit: so konnte sie ihm auch nicht auf dem Wege seines Antheils an der allgemeinen Menschenvernunft zum Bewußtsein kommen, sondern vermittelst des Besonderen, was ihn von allen Menschen unterschied. Hierin allein liegt schon die Widerlegung des Sahes, daß die Offenbarung durch Christus lediglich an ihrer Uebereinstimmung mit der Vernunft könne erkannt werden *), da jedes bestimmte lebendige Wesen seine eigene Mittheilungs- und Selbstoffenbarungsweise hat, die zu der Beziehung desselben auf eine allgemeine Vernunftidee noch hinzukommen muß, wenn überhaupt von dem Erkennen seiner die Rede sein soll **).

Allein der Razionalismus versucht es, den Folgerungen aus der Thatsache, daß das Zeugniß Jesu von seiner Person Hauptinhalt seiner Worte sei, dadurch auszuweichen, daß er behauptet, Alles, was diesen Karakter an sich trage, sei mehr oder minder Anbequemung an die Erwartungen seiner Zeitgenossen von einem Messias, 'welcher das Reich Gottes in Israel über die Welt ausbreiten werde. Allein einerseits ist ein großer Theil der von uns aufgezeigten Aussprüche Jesu über seine Person unabhängig von vorzugsweiser Beziehung auf die Erwartungen Israel's, und wendet sich mehr

"

*) de Wette Rel. und Theol. S. 37. Beriefen sie sich auf die göttliche Offenbarung im Christenthum: so würden wir sie fragen, worauf sie ihren Glauben an dieselbe stüßen; und, die einzige vernünftige Antwort würde sein: auf ihre Uebereinstimmung mit der Vernunft.

**) Auf der Festhaltung dieser Wahrheit beruht der wesentliche Unterschied der Schleiermacherischen Theologie von einer jeden in ihrem Grundprinzipe razionalistischen.

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