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men. Durch die Voraussetzung einer abstrakt apriorischen Beurtheilung dieser Verhältnisse schreibt er willkührlich der Vernunft etwas zu, wozu sie thatsächlich keine Fähigkeit hat. Denn sie, welche, bevor sie sich auf christlich-religiöse Weise mit dem göttlichen Worte geeinigt hat, Gott nur als Idee des höchsten Seins besißt, kann auch nichts von seinem Vers hältnisse zum Bösen sagen. Das Böse ist kein reales Sein, es ist keine Idee *), es ist eine Thatsache und Kunde eines irgendwie in Mißverhältniß zu Gott gerathenen Seins. Hieraus folgt, daß die Vernunft des Menschen, in dem Maaße als sie sich über den redlichen Gewissensschmerz wegen der Sünde des Einzelnen und der Gattung nicht hochmüthig hinwegseht, über diese Gegenstände gar nicht von vornherein urtheilen wird, sondern nur das Bedürfniß einer göttlichen Offenbarung darüber anerkennen kann. Gotteswürdigkeit in Behandlung der Menschen, Zusammenhang des Einzelnen mit der Gattung, Verhältniß von Schuld und Leiden in der Sünde: das sind Dinge, von welchen die Vers nunft wissen kann, daß sie aus sich nichts darüber weiß. Und eben deshalb soll sie sich hier ganz abhängig von den Aussprüchen der göttlichen Offenbarung und ganz bereit zur Anerkennung der Thatsachen zeigen. Dies allein ist die von der Vernunft schon vermöge des ersten Anfangs eines christlichen Elements zu übende Religiosität.

2. Die Richtigkeit dieser Abweisung allgemeiner Säße, vom christlichen Standpunkte, wohl fühlend, hat der Razio

*) Dies lehrt zwar de Wette, bibl. Dogm. §. 25, wonach aus der Idee der Freiheit die Idee des Guten und Bösen ents springt; aber die Folge ist sogleich, daß er die Forderung des Gewissens als mit dem „Gesetze der Endlichkeit" in Wis derspruch ansieht, wodurch also das Böse, 'wider seine thatsächliche Beschaffenheit, als bloße Endlichkeit begriffen wird. Dies ist ein zu theurer Preis, um eine Idee des Bösen zu erlangen.

nalismus auch immer versucht, das von ihm behauptete Nichtdasein der forterbenden Sündhaftigkeit aus der Schrift zu beweisen. Hiebei begeht er den Hauptfehler, die Stellen, welche dafür angeführt werden, nicht im Zusammenhange mit den Stellen über das allgemeine Dasein der Sünde in der Welt zu betrachten, und gleichsam zu verlangen, es sollen Schriftstellen aufgezeigt werden, welche dieses Verhältniß der Forterbung in dogmatischer Weise für sich aussprechen. Dies kann nicht sein, weil eben der Zusammenhang der Erbsünde mit der Thatsünde der ganze Gegenstand ist, über welchen die Schrift Licht verbreiten will, während die Betrachtung der Erbsünde für sich theils eine Aufgabe der theologischen Wissenschaft, theils ein Geheimniß der Geschichte und der Physiologie ist, auf welches die Schrift sich nicht einläßt. Das Wichtige ist, daß sie das allgemeine Dasein des sündigen Verderbens nicht als das zufällige ́Zusammentreffen, daß alle einzelne Menschen von einem gewissen Zeitpunkte ihres Bewußtseins an fündigen, beschreibt, sondern als in einem Zustande des Menschengeschlechts begründet, welcher dennoch die Zurechnung jeder wirklichen Sünde, als in welcher sich die Freiheit des Menschen wieder persönlich kundthut, und durch welche die Vererbung der Sünde wieder bedingt und verstärkt wird, keinesweges aufhebt. Wer mag nun zweifeln, daß die Schrift so von dem sündigen Zustande des Menschengeschlechts spricht, wenn er lieset, daß der eingeborne Sohn darum in die Welt gesandt sei, damit die Welt nicht verloren werde (Joh. 3, 16), welches also ein Verlorenwerden der Welt, doch wohl nur durch die Sünde, ohne die göttliche Hülfe in Christus in sich schließt; wobei die Erklärung des Ausdrucks ó xóoμos als die Zeitgenossen bezeichnend völlig unzulässig ist; daß nur denen, die den Sohn Gottes aufnehmen, die Macht gegeben sei, Gottes Kinder zu werden (Joh. 1, 12), welches in sich schließt, daß für keinen Menschen eine andere Kraft vorhanden sei, in das rechte Verhältniß zu Gott zu kommen, oder die Sünde zu

überwinden; daß der nicht seinen Bruder Liebende nicht von Gott sei (1 Joh. 3, 10), woraus folgt, daß der nicht zur Liebe durch den Glauben an Christus Erneuerte in bleibender Trennung von Gott sei, also die Welt in einem Zustande vorherrschender Sünde, denn nur dieser kann von Gott trennen. Dasselbe ergiebt sich, wenn Paulus (Eph. 4, 22—24) die Christen ermahnt, den neuen Menschen anzuziehen, welcher Kol. 3, 11 als durch Christus für die Menschheit vorhansen angegeben wir ; alfo muß der παλαιος άνθρωπος Alles bedeuten, was in der Menschheit, sofern sie außer Christus ist, vorhanden ist. Und schon deshalb gilt die Einrede nicht, daß der Apostel blos von dem bisherigen schlechten Wandel seiner Leser spreche *). Die Nichtigkeit dieser Einrede, welche man auch bei anderen Stellen, die von dem allgemeinen Verderben der Welt handeln, wie 1 Joh. 5, 20 (ὁ κόσμος ὅλος ἐν τῷ πονηρῷ κεῖται) verfudt hat, gebt daraus hervor, daß die Apostel das Verderben ihres Zeitalters als die Blüthe aller durch die göttliche Langmuth übersehenen verschuldeten Unwissenheitssünden der Völkerwelt betrachten, aus der allein die Gnade in Christus retten könne (vgl. Apostelgesch. 17, 30. Róm. 3, 21-30. Röm. 5,12-21. 1 Joh. 1, 2). Nun würde es ein Widerspruch sein, wenn sie für möglich erkannt hätten, daß die Fortentwickelung der Sünde, ohne die Dazwischenkunft Christi, auf irgend einem Punkte des Völkerlebens oder in irgend einem Individuum sollte abgebrochen werden können, und das hätten sie doch müssen annehmen, wenn alle Sünde nur Thatfünde wäre, und nicht allgemeiner Zustand.

Sieht man nun von dem Eindrucke dieser Zeugnisse über den Zusammenhang der Weltsünde und der Erlösung aus die einzelnen Stellen an, in welchen das Geborensein mit der Sünde als einem Zustande bestimmter hervortritt: so erscheinen sie das bestätigend, was der Razionalismus leugnet.

*) Bretschneider S. 107 u. f.

Indem Christus Joh. 3, 3 eine Geburt von oben CaroJɛv) *) nennt, von welcher der Antheil am Himmelreiche abhångt, d. h. die Seligkeit (sofern man nicht mit Pelagius willkührlich die vita aeterna und das regnum coelorum unterscheiden will): so muß die v. 6. derselben entgegenge seßte Geburt vom Fleische nothwendig einen Zustand der Ausschließung vom Himmelreiche in sich schließen. Und diese Ausschließung kann nur wegen der Sünde sein.

Erwägen wir die wichtigeren alttestamentlichen Stellen über die Herrschaft der Sünde **): so erscheint Gen. 8, 21:

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bedeutend. Denn wenn Gott deshalb, weil das innere böse Dichten des Herzens dadurch doch nicht geändert werden könne, die Welt niemals wieder vertilgen will (ohne Ausschluß des Endegerichts): so liegt darin ein Wissen um das Nieaufhören eines bösen Dichtens der Welt als Welt. Ps. 51,7: 2727 None abbin ji „Siehe, in Verderben bin ich geboren, und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen" enthält keinesweges die Sündlichkeit der Erzeus gung als Handlung der Aeltern, gewiß aber die Mittheilung der Sünde durch die Erzeugung. Denn da diese Worte dem Zusammenhange nach gerade die sündliche Schwäche David's erklären sollen: so kann das 7 und das syn nicht allein auf die in der Sünde seiende, sondern muß auf die die Sünde mittheilende Mutter bezogen werden; und

*) Es ist höchst unfruchtbar, daß Bretschneider (S. 107) zeigt, daß dies nicht Wiedergeburt, sondern Geburt von oben heiße, denn nicht auf das Wort wieder kommt es an, sondern auf den Begriff Geburt. Giebt es eine solche Geburt von oben: so ist es auch eine Wiedergeburt, eine zweite Geburt, da der Mensch schon einmal leiblich geboren ist; und gerade dies sagt der Zusammenhang.

**) Man vergleiche die oben gegebene vorläufige Begründung des Ansehns des Alten Testaments aus dem Worte Jesu.

zwar gilt dies von 7 noch mehr als von 8, weil an jenes sich das „bin ich geboren“ anschließt.

Die Stellen 1 Kön. 8, 46. Hiob 14, 4. Koh. 7, 26 drucken eine Sicherheit wegen der Allgemeinheit der Sünde aus, die sich als ein von keinem religiösen Licht über angeborne Sündhaftigkeit gestüßter Erfahrungssay schwerlich erflåren läßt.

Róm. 7, 7-11 wird die duagria als vor dem Wissen des Menschen vom Gesetze schon daseiend, nur unerkannt und vexoá beschrieben. Sie lebt auf, wann das Gesez in's Bewußtsein tritt, und bringt den Tod. Wie könnte sie so vorgestellt werden, wenn sie nicht ein Zustand wäre? *). Róm. 7, 21-23 wird sie als ein vóuos beschrieben, den der Verfasser in sich findet, als in seinen Gliedern streitend wahrnimmt. Róm. 5, 19 wird das Sündigwerden durch Adam mit dem Gerechtwerden durch Christus parallelisirt.

Hienach sind die Einwürfe leicht zu beantworten, welche aus Schriftstellen gegen die Gattungssünde beigebracht werden: 1. Die Schrift erkenne einen Unterschied von Frommen und Gottlosen, Guten und Bösen auch vor Christus und unter Heiden an. Daran ist kein Zweifel. Aber was beweiset dies gegen die Erbsünde ? Man kann nach dem Maaße seiner vorchristlichen Erkenntniß fromm, gerecht, gut sein, und dennoch ist die Herrschaft der Sünde noch nicht in uns gebroden, mant ift noch nicht ἄνωθεν γεγεννημένος, und darauf kommt Alles an. 2. Die Freiheit des Menschen werde als unverloren betrachtet, weil der Herr und die Apostel sonst nicht sagen könnten: Bessert euch **). Nun sagen zwar beide niemals: Bessert euch, denn μetavoɛite heißt dies nicht. Aber es ist ganz richtig, daß sie die Freiheit anerkennen, als das Vermögen, sich durch das Wort und den Geist Gottes bewegen und ziehen zu lassen, oder auch

*) Dennoch leugnet dies Bretschneider wiederholt. S. 144. 176. **) Bretschneider S. 123. 124.

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