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schon vorher bemerkt, zu den äußerlichmessianischen Kriterien, nach den Vorstellungen seiner Zeit, nicht gehörte, sondern vielmehr als ein vorläufiges Geheimniß seiner reinen und mit Gott vereinigten Menschheit von ihm weder gelehrt, noch bezeugt, noch vertheidigt werden konnte. Es bleibt dem Razionalismus also nichts übrig, um diese Behauptung zu stüßen, als das Vorurtheil, es gebe keine wahre Wuns der, und ein Gott, der sich nicht auch bei seiner Selbsts offenbarung durch die Geseße der materiellen Natur cinschränken lasse, sei nicht. Dieses Vorurtheil haben wir schon oben bei dem Abschnitte von der Auferstehung und den Wundern zurückgewiesen.

Weniger auf dem Boden des Razionalismus entsprungen, aber ihm sich zur Hülfe darstellend, ist diejenige Wendung der Bestreitung der übernatürlichen Erzeugung Jesu, wonach man sie zur Entstehung einer fündlosen Menschheit theils für überflüssig, theils für unzulänglich erklärt *). Ein Wunder müsse man freilich annehmen, aber dieses könne eben so gut in der Abhaltung der Sündenmittheilung bei der natürlichen Erzeugung bestanden haben. Allein hier wird übersehen, daß der Zusammenhang der jungfräulichen Geburt Jesu mit seiner göttlichen und sündlosen Persönlichkeit der ist, daß seine Erzeugung ohne das Egoistische des Geschlechtstriebes, was aller natürlichen Erzeugung, wenn auch nur als Minimum, beigemischt ist, Statt fand, nåmlich von Seiten des ihn empfangenden Weibes als ein reiner Akt des Glaubens an das Wunder und des leidentlichen Gehorsams gegen den Willen Gottes **).

Aus dem Bisherigen ergiebt sich, daß der Razionalismus folgerichtiger Weise keinen sündlosen Christus haben kann. Denn ein Christus, der nicht Gott ist, also nicht deshalb, auf eine mit dem ersten Menschen analoge, obgleich

*) Schleiermacher Glaubenslehre, 2te Ausg. Th. 2. S. 73 u. 74. **) Vgl. Nitsch System 3te Ausg. §. 129.

unendlich höhere Weise, alles Menschliche ursprünglich in reiner Unterordnung unter den Willen Gottes in sich hat, und der auch nicht ausgenommen ist von der Mittheilung der Sünde durch die natürliche Erzeugung, kann nicht sündlos gedacht werden, es kann in Ansehung seiner nie zur vernünftig-religiösen Ueberzeugung werden, daß er ein sündloser Mittler zwischen Gott und Menschen sei. Wie sehr sich der bessere Razionalismus bemühe, die Sündlosigkeit festzuhalten: es ist von seinem Standpunkte aus unmöglich, es sei denn daß er sich überrede, sein eigenes menschliches Ideal könne Gegenstand seines Glaubens an einem wirklichen sündlosen Christus sein *). Der schlechtere Razionalismus muß also in dem Hauptpunkte des christlichen Glaubens immer mehr zum Naturalismus herabsinken, und, lauter oder ges heimer, zu erkennen geben, daß kein sündloser Christus fei **).

*) Beides, jenes Streben und diese Ueberredung, bei de Wette Luth. Dogm. §. 66: „Die Wissenschaft wird auf den wahren Punkt hinweisen, worauf Alles ankommt, und dieser ist der 'heilige Karakter, die Sündlosigkeit Christi, worin Göttliches und Menschliches verknüpft ist." Wie soll aber die arme Wissenschaft auf etwas hinweisen, welchem sie selbst vorher alle Gründe entzogen hat! **) Bretschneider S. 136:,,Das zoois &uagrias kann nun in diesem Zusammenhange schlechterdings nichts weiter heißen, als: ohne daß er sich in diesen schweren Prüfungen, die ihn trafen, eines Abfalls von der Treue schuldig machte, nämlich daß er sich dem Tode, der ihm bestimmt war von Gott, zu entziehen versucht, und, um das Leben zu retten, seinen Beruf verleugnet hätte. Es ist daher im höchsten Grade willkührlich, wenn man das „ohne Sünde" (zwois aμagtías) ganz allgemein, als ob es hieße zwois dμagrías tivos, auffaßt, und glaubt, es werde hier gesagt, Christus habe von Kindheit an keine Sünde irgend einer Art gethan, und es sei auch in ihm nie ein Verlangen, eine Neigung zu irgend etwas vorhanden gewesen, was sich nicht mit dem strengsten

Man kann deshalb mit gutem Grunde sagen: Jeder, welcher die Sündlosigkeit Jesu nicht blos denkt, sondern les bendig glaubt, und auch gewiß ist, daß dieser Glaube nicht vor irgend welchen vernünftigen Gedanken werde weichen. müssen, habe den Razionalismus schon wesentlich überwunden, wieviel Einzelnes ihm auch noch von demselben anhängen mag. Dagegen umgekehrt jeder, welcher die Sündlosig keit Jesu nicht festhält, sei noch ganz vom Razionalismus oder vom Naturalismus beherrscht.

Wenn wir hinzufügen, daß der Arianismus wesentlich ünter dem Razionalismus begriffen sei: so ist dies deshalb nicht eine blos historische Bemerkung, weil die neuere Geschichte eines Theils der protestantischen Kirche,`nåmlich Englands, wahrscheinlich mächt, daß der Arianismus noch nicht ganz ausgestorben ist, und weil es auch in der Natur der Sache liegt, daß mannichfaltige Formen desselben sich von Zeit zu Zeit erneuern. Das arianische Prinzip beruht wesentlich darauf, daß die Unbegreiflichkeit und Ueberschwenglichkeit der Menschwerdung Gottes der Vernunft, insofern sie keine unbedingte Ehrfurcht vor der Thatsache des göttlichen Worts hat, zum Anstoß gereicht, und deshalb schuf jene, mit Umgehung der wichtigsten Aussprüche der Schrift, sich einen solchen Logos, dessen Menschwerdung der Vernunft des Arius und Eunomius wahrscheinlicher vorkam, als die Menschwerdung des ewigen wesengleichen Wortes. Abgesehen aber von dem Monströsen, was in der Vorstellung eines Geschöpfs liegt, was an der Spize aller anderen Ge

ittlichen Urtheil vertrage:" S. 137 scheint zwar der Verfasser die Unsündlichkeit “Jesù nur in dem Sinne derjenigen Moralisten, die ein heftiges Begehren für etwas Sündliches halten, bestreiten zu wollen. Aber in welchem Sinne er sie annimmt, wird nicht klar, und kann schwerlich je klar werden, da er åuagría nicht auch von Schwachheitssünden verstanden wissen will (f. S 210), er alfo die Stellen Joh. 8, 46. 1 Petr. 2, 22 nicht brauchen kann.

schöpfe steht, und was sich dann mit der Natur eines anderen Geschöpfs, des Menschen, vereinigen soll: so ist so viel klar, daß auf diesem Wege Jesu Wort nicht als das eigene und eigentliche Wort Gottes erkannt werden kann, sondern nur als ein abgeleitetes, nicht durch Gott selbst vers mitteltes, durch welches eben deshalb auch die Vernunft nicht von innen aus, durch den Glauben an Gott, zu einer einfachen Anerkennung gebracht werden kann, sondern welches ihr vielmehr zum Reize wird, mit mehr oder minder willkührlicher Voraussetzung und abstrakter Begreiflichkeit sich die Aussprüche der Schrift zurechtzulegen *). Soviel darf vom Arianismus behauptet werden. Daß in der Bewe gung der Geister zur Zeit der Entstehung desselben auch etwas Besseres lag, was der Nicănismus, obwohl er die wesentliche Wahrheit in sich trug, nicht vollständig entwickelte, kann dabei doch zugegeben werden.

2. Die Bestreitung einer objektiven Versöhnung der Menschen mit Gott durch den Tod Jesu Christi folgt nothwendig aus dem Widerspruche des Razionalismus gegen die Gottheit Christi, obwohl damit nicht behauptet wird, daß nicht der Widerspruch gegen die Versöhnung in gewissen Formen des Razionalismus das Frühere war, welches, zu seiner Selbstsicherung, erst die Leugnung der Lehre von der Gottheit Christi nach sich zog. Denn ist Christus nicht schon durch die Vereinigung der Gottheit und der Menschheit in seiner Person ein Mittler zwischen Gott und Menschen: so

*) Der Razionalismus des Arianismus tritt am deutlichsten in Eunomius auf, welcher den ganzen Unterschied des Logos von den anderen Geschöpfen darein seßte, daß jener unmit telbar, diese mittelbar geschaffen seien, so daß er diese gar nicht religiöse abstrakte Unterscheidung von dem Mittelbaren und Unmittelbaren der Geschöpfe im Verhältnisse zu Gott zum Mittelpunkte der Religionslehre machte. Vgl. Nean der Kirchengeschichte, 2ter Band, S. 860.

ist er auch unfähig zur Vollbringung einer objektiven Versöhnung, d. h. einer solchen, welche als That Gottes etwas ist, noch abgesehen von der subjektiven Aneignung derselben von Seiten der Menschen. Christus als bloßer Mensch kann nur auf dieselbe spezifisch-gleiche Weise versöhnen, wie jeder Mensch, wenn auch in viel geringerem Grade, auch versöhnen kann, ja so daß jeder Mensch als mit versöhnend muß angesehen werden, und dies ist eben das Subjektive, was den christlichen Begriff der Versöhnung wesentlich alterirt *). Hieraus folgt schon, daß zu dem Begriffe einer blos subjektiven Versöhnung, die Christus durch Lehre und Beispiel vollbracht habe, wie der Socinianismus ihn allein statuirt, die Sündlosigkeit Jesu gar nicht erforderlich ist, welche daher von den Socinianern aus anderen Gründen angenommen wird, nåmlich zur Vollkommenheit der Lehre und des Beispiels, und von dieser läßt sich dann gar nicht beweisen, daß sie, zu der mittelbaren Versöhnung, d. h. zur Anreizung der Menschen sich selbst zu bessern, nöthig gewesen wåre.

Der Razionalismus, vorzüglich unter dem Vorgange des Socinianismus, bestreitet also eine solche durch den Tod Christi geschehene Versöhnung, durch welche die Möglichkeit der Aufhebung der ewigen Sündenstrafen und der Begnas digung des ganzen menschlichen Geschlechts wesentlich, als durch ein Opfer, bedingt war und bewirkt ist, und die Gründe, die er gegen diese Lehre, welche die griechische, die

*) De Wette Luth. Dogm. §. 73, a: „Der Tod Jesu ist Symbol der Versöhnung, aber ein geschichtliches, nicht menschlich erfundenes, sondern von Gott selbst aufgestelltes. Es ist das größte und wichtigste, aber nicht das einzige. Es ist daher ächt christlich, jeden Tod der Aufopferung und Ergebung als Symbol der Versöhnung zu betrachten und uns den Tod Jesu als Muster der Nachahmung vorzuhalten." Hierin liegt deutlich die Aufhebung des spezifischen Unterschiedes zwis schen dem Versöhnungstode Christi und den Selbstaufopfe rungen anderer Menschen.

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