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opfers an) bequemt. Davon abgesehen, daß diese Bequemung an jüdische Vorstellungen gar schlecht gepaßt håtte zu dem Sinne des Paulus, die Heiden (welche ihrer Opfer zum Theil ganz überdrüssig waren) nicht an das eigenthümlich Jüdische zu feffeln, sondern, frei vom mosaischen Geseße, Christo zuzuführen.

3. Die Thatsache selbst aber, daß die Apostel, in Darlegung der Versöhnungslehre, sich in Ausdruck und Vorstellungen, an die alttestamentliche Opferanstalt angeschlossen haben, beweiset gerade das Gegentheil von dem, was der Razionalismus damit beweisen will. Denn sie eröffnet den Blick in den wesentlichen und göttlich gestifteten Zusammenhang des Alten und des Neuen Bundes. Eben weil die alttestamentlichen Sühnopfer in einem Zusammenhange einer, seits mit einem vollkommenen, das Innerste richtenden Geseße, und andererseits mit der schon Abraham mitgegebenen messianischen Hoffnung stehen, eben weil sie durch ihren Ursprung, ihre Form, ihre Symbolik und ihr Dasein unter dem göttlich gegründeten Volke sich weit über alle heidnischen Opfersysteme erheben, sich als eine göttliche Stiftung darstellen, und dennoch in sich selbst keine moralischreligiöse Befriedigung in Absicht auf das Versöhnungsbedürfniß des Volks, viel weniger der Menschheit, gewähren (Hebr. 9, 9; 10, 11): eben deshalb erscheinen sie als etwas, was um eines Anderen willen da war, welches ihr. Komplement sein sollte, als Vorbild und Schatten, welcher aufhört, wenn der Körper, die Sache selbst, die Erfüllung kommt, und diese Erfüllung, dieses Andere, diese wesentliche Sache muß Christus sein, derselbe, welcher als sündlos keines Opfers bedarf, welcher aber, in der Fülle der Gottheit, durch Gehorsam die sündige Welt mit Gott versöhnt. Nachdem Christus durch seine Auferstehung als die Versöhnung (k Joh. 2, 2) von Gott bestätigt war, fiel von ihm aus ein Licht zurück auf die Opfer des Alten Testaments, und diese wieder mußten beitragen, die Versöhnung, die Christus gestiftet,

in ihren mannichfaltigen Bezichungen aufzuschließen: eine Wechselwirkung, deren unaussprechliche Schönheit und Gotteswürdigkeit der Razionalismus gänzlich verkennt, welche Verkennung ihm dann allerdings zum Reize werden muß, den gesammten alttestamentlichen Opferkultus als ein eben so wenig göttliches Institut darzustellen, als irgend ein heidnisch-unsittliches Opfersystem. Diese Darstellung hat der Razionalismus als solcher hin und, wieder versucht, aber nicht geleistet. Er bleibt nur bei der allgemeinen Behauptung stehen, die Opfer seien aus der Rohheit der Völker hervorgegangen, gleich als wenn das tiefe Bedürfniß nach einer realen Vermittelung des Sünders mit Gott aufhörte, wo die Rohheit weicht. Deshalb genügt zur Widerlegung des Razionalismus in ́seinem Urtheile über die apostolische Versöhnungslehre völlig die von ihm unwiderlegliche göttliche Zusammengehörigkeit des alttestamentlichen Opfers, als des Vorbildes, und Christi als der Erfüllung. Die Leugnung eines jeden anderen Zusammenhanges des Christenthums mit dem Israelitenthum, als es auch mit dem Heidenthum hat, gehört erst dem Gnostizismus an, und dem sich in ihn verlierenden Razionalismus, und wird bei der Bestreitung von jenem vorkommen.

c. Der dritte Hauptgrund des Razionalismus gegen die schriftmäßige Versöhnungslehre ist der, daß diese Lehre, wie die Erfahrung zeige, höchst gefährlich für die Sittlichkeit sei, da die Annahme einer ohne Zuthun des Menschen gestifteten Sühne und Versöhnung, welche sogar auf die noch nicht begangenen Sünden der Gläubigen sich erstrecken solle *), nicht wohl etwas Anderes als eine unsittliche Sicher

*) Da die neueren Nazionalisten einsehen, daß eine solche Beziehung wirklich in der Schriftlehre liege: so verwerfen sie, übereinstimmend mit den rechtgläubigen Eregeten, die Hypo-` these Löffler's (Zwei Abhandlungen über die kirchliche Genugthuungslehre, 1796), daß die apostolische Lehre nur eine Ver

heit in Ansehung begangener und noch zu begehender Sün den erzeugen könne, und von einem jeden schlechtgesinnten und in der Sünde bleibenden Menschen dazu benußt werden könne, daß er sich auf Christi Opfer verlasse und ungeachtet seines ungebesserten Zustandes die Seligkeit hoffe *).

Was zuerst die Erfahrung betrifft: so kann sie so langé für die Behauptungen des Razionalismus nichts beweis sen, als von diesem nicht widerlegt worden, daß Menschen, welche die schriftmäßige Versöhnungslehre mit Innigkeit als eine ewiggültige umfassen, zu den höchsten Stufen religiöser Sittlichkeit emporgestiegen sind. Dies kann nicht widerlegt werden, weil man nicht ́in Abrede stellen wird, daß die Kirs chengeschichte, auch außerhalb des Kreises der Bekenner des Socinianismus und der Anhänger des neueren Razionalismus, eine große Anzahl solcher Personen aufweiset. So lange also bleibt die Vorausseßung in Kraft, die nachtheiz ligen Folgen der Versöhnungslehre bei gewissen Menschen müssen von einem verschuldeten Mißverstande dieser Lehre herrühren. Alles wird also darauf ankommen, ob der Bes griff von religiöser Sittlichkeit, welchen der Razionalismus aufstellt, der richtige und mit der geoffenbarten Bestimmung des Menschen übereinstimmende sei oder nicht.

Der razionalistische Begriff von religiöser Sittlichkeit ist, abgesehen von untergeordneten Verschiedenheiten, der, daß der Mensch aus eigner Kraft, blos durch logisch - psychologische Mittel der Belehrung und Anregung, wie sie die göttliche Vorsehung oder auch die Offenbarung als Belehrungs

söhnung in Ansehung der vor der Taufe begangenen Sünden kenne.

*) Wegscheider §. 141:,,Longa denique experientia ostendit, quantum fiducia in piaculis qualibuscunque collocata emendationis studio virtutisque severitati et verae pietati nocuerit, quippe quae hominem non nisi in suo ipsius pectore salutem suam quaerere iubet."

anstalt darreicht, unterstützt, sich selbst bessert, tugendhaft wird und das "Gute thut; daß, nachdem dieses geschehen, die göttliche Gnade sich ihm zuwendet, d. i. ihn die Belohnungen empfinden läßt, welche die Gerechtigkeit Gottes mit der Lugend eben so zusammengeordnet hat, wie mit dem Laster Strafen, und daß er dann in dem Maaße, als er fortschreitet, auch die Strafen für seine früheren Uebertre- ́ tungen des göttlichen Gesetzes weniger empfindet, so daß man diese nach seinem Fortschritte in der Tugend sich richtende Verminderung der natürlichen Strafen wohl Vergebung nennen könne, wobei jedoch festzuhalten sei, daß derjenige, welcher viel gefehlt hat, niemals zu dem Grade von Glückseligkeit emporsteigen könne, als der, welcher weniger *).

In dieser Theorie ist der Begriff der religiösen Sittlichkeit oder dessen, was die Schrift Gerechtigkeit nennt, Eins mit dem Begriffe Lugend, der der Sünde Eins mit dem Begriffe Untugend. Da nun allerdings die Untugend nur dadurch aufhören kann, daß die Tugend an ihre Stelle tritt, weil diese eben so gewiß Kraftentwickelung des Willens ist als jene Schwäche des Willens, aber dadurch auch schon sicher aufhört: so kann eigentlich gar nicht von Vergebung von Seiten Gottes die Rede sein; denn in sofern Gott in die Fr.iheit tes Untugendhaften in jedem Moment

*) So die Vergebungslehre bei Wegscheider §. 140:,,Quicunque e vita turpi, qua poenas contraxit, ad virtutem emerserit, is eadem ratione ac proportione, qua iam in virtutis studio progressus fuerit, in gratiam cum Deo reversus, ab eodem praemiis dignus iudicabitur. His autem praemiis Dadurch minuetur atque elevabitur.

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summa poenarum
befördere diese Lehre die Tugend, weil sie legis moralis seve-
ritatem peccatori ob oculos ponat, quo citius et diligentius
saluti suae consulens Iesum Christum tanquam servatorem,
morali quidem sensu homines Deò reconciliantem, pie am-
plectatur." Luther pflegte zu sagen, die severitas vorzuhal-
ten, sei nur das Amt Moses (vgl. Joh. 1, 17).

es gelegt hat, tugendhaft zu sein: hat er eigentlich dadurch schon als Schöpfer und Erhalter einer solchen Freiheit erflårt, daß er nicht zu vergeben nöthig habe, da es ja stets im Willen des Menschen liege, ihm durch Tugend zu gefallex, und die Ausübung dieser Lugend dann von selbst das Aufhören der unangenehmen Folgen der Untugend nach sich ziche. Eine Versöhnung, die ein für alle Mal die Macht und die Folgen der Sünde vernichtet, hat in diesem Systeme keinen Sinn, denn wenn die Sünde nichts ist als Untugend, und da die Aufhebung der eigenen Untugend nur durch die eigene Tugend erfolgen kann: so kann auch kein frem des mittlerisches Verdienst hier irgend eine Beruhigung oder eine erhöhete Kraft hervorbringen. Eben deshalb sollte man von diesem Systeme aus aber nicht sowohl von Schädlichkeit der Versöhnungslehre sprechen, als vielmehr von völliger Unverständlichkeit; und wenn das System die Neigung, sich mit fremdem Verdienste bei eigener Tugendlosigkeit zu beruhigen, nicht durch sich selbst, d. h. durch seine Lehre von der Lugend, aufzuheben vermag: so sollte es dies der Kraftlosig- . keit dieser Theorie zuschreiben, die Menschen in seinem eigenen Gedankenkreise festzuhalten, und schon dadurch auf die Vermuthung geleitet werden, die Versöhnungslehre gehöre einem ganz anderen Gebiete als dem der Bestimmung des Menschen zur Tugend an, und beziche sich auf eine Sehnsucht der menschlichen Seele, welche auf diesem Gebiete gar nicht befriedigt werden kann. Hieraus würde sich dann sogleich ergeben, wie die Anwendung jener Lehre zur Beruhigung bei vorherrschender Untügend beides ein gänzliches Mißverstehen der Versöhnungslehre und eine völlige Abwesenheit des Tugendsinnes in sich schließt. Jener ganze pelagianisch - razionalistische Tugendbegriff druckt gar nicht die Bestimmung des Menschen zur Gemeinschaft mit Gott, der vollkommenen und seligen Liebe, aus, und tritt an sich schon völlig heraus aus dem christlichen Offenbarungsgebiete, auf welchem die Versöhnungslehre allein verstanden werden kann.

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