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Eine Tugend aus eigener Kraft, ein Mannhaftsein unseres vernünftigen, von der Idee des Guten geleiteten Willens nach unten und nach außen, ohne Bezug auf den in Christus geoffenbarten Gott, der die Liebe ist, will das Christenthum als solches gar nicht, weil es etwas will, worin die dort fehlende Beziehung auf Gott in der Art gegeben ist, daß dadurch allein erst das ideal-ethische Streben von der in ihm, dem Christenthume, klaren Sünde der Gottesverachtung und des Stolzes befreit wird. Das Christenthum will nicht mehr und nicht weniger als Erzeugung wahrer Gottesliebe im Innersten des Menschen, und diese Erzeugung ist, in dem sündigen Zustande des Menschengeschlechts, nur möglich durch Erkenntniß Gottes als des Versöhnenden, als dessen, der die Macht der Sünde, als eines Gesammtleidens und einer Gesammtschuld, hinweggenommen hat. Diese Erkenntniß Gottes, insofern er jenes durch den Tod Christi bewirkt, oder Gottes als des die Welt mit sich selbst Versöhnenden, erzeugt, wenn sie durch den Glauben entsteht, unfehlbar Liebe Gottes als Grundrichtung der erneuerten Seele, und eben damit ein entschieden vorwärtsschreitendes Streben, den Willen Gottes immer vollkommner zu erfüllen. Jene Erkenntniß schließt wesentlich auch die Zuversicht in sich, daß für die als Nachwirkung der Sünde in den Wiedergebornen auch später noch zu erwartenden, wider ihren besseren Willen geschehenden, Fehltritte ebenfalls in dem Tode Christi Versöhnung sei; aber so unmöglich ist es, daß hieraus an sich Gleichgültigkeit gegen Verfehlungen hervorgehen könne, daß von demjenigen, bei welchem eine solche herrschend wird, vielmehr zu urtheilen ist, daß er die Versöhnungslehre gar nicht erkannt hat, ja die Versöhnung selbst gar nicht glaubt. So erzeugt gerade die Versöhnungslehre allein ganz dankbare und demuthvolle Liebe in den Herzen der durch die Liebe Gottes in Christus Versöhnten, und diese Gesinnung ist die einzige Grundlage, auf welcher das Gebäude einer christlichen Tugend errichtet werden kann, obgleich gewiß

ist, daß dieser Begriff zwar ein wesentliches Merkmal des Begriffs eines Christen ist, aber niemals die Fülle des ihn karakterisirenden und von Nichtchristen unterscheidenden Les bens bezeichnen kann.

Zum Zwecke dieser Widerlegung der razionalistischen Befeindung der Versöhnungslehre ist es nicht nöthig auszuführen, welche schädliche Wirkungen der in die Mitte der Religionslehre verpflanzte Tugendbegriff, wie er_auf_antiken Grundlagen vermeintlicher unverdorbener Selbst- und Willenskraft beruht, hervorbringt. Nur das bemerken wir: es ist etwas Anderes diesen Begriff in der Ethik als aus der Idee sich entwickelnd auszubilden, und etwas Anderes ihn an die Stelle der christlichen Lehre von Buße, Glauben und Heiligung zu sehen. Jenes ist ein nothwendiges Element der Wissenschaft; dieses ist eine kirchliche Irrlehre.

S. 5.

Der Razionalismus untergräbt, durch Verbreitung eines flügelnden Geistes im Gebrauche der Schrift, alle feste Grundlage der kirchlichen Gemeinschaft.

Der Irrthum des Razionalismus in Ansehung der Göttlichkeit und des Ansehns der heiligen Schrift ist, seinem Wesen nach, schon oben, bei der Bekämpfung seines Widerspruchs gegen das Wort Jesu als das Wort Gottes (§. 2.), bestritten worden, denn alles Ansehn der Schrift fließt aus dem Worte Jesu als Gottes eigenem Worte. Es hätte schon an jenem Punkte weiter ausgeführt werden können, zu welchen Geringachtungen der Schrift der Razionalismus, von dem Verwerfen des unbedingten Ansehns des Wortes Jesu aus, nothwendig kommen muß. Allein da nicht eine schon ausgebildete Lehre von der Göttlichkeit der Schrift, fondern die Annahme des Wortes Gottes im Munde Jesu Christi, der Grund ist, auf welchem die christlichen Haupt

dogmen sich erbauen: so war eine weitere Bekämpfung der Begriffe des Razionalismus von der Schrift an jenem Orte überflüssig. Jeßt aber, als Resultat der razionalistischen Grundsäße in unmittelbarerer Einwirkung auf die Kirche, tritt uns die irrthümliche Behandlung der Schrift durch den Razionalismus noch einmal und klarer vor Augen, weshalb wir dieser Behandlung schließlich diesen Paragraphen ents gegensetzen.

Zur Anknüpfung des Zusammenhanges mit §. 2. bemerken wir folgendes.

1. Die Kirche, welche das Wort Jesu als das eigne Wort des lebendigen Gottes erkannt hat und betrachtet, nimmt um dieses Worts willen auch diejenigen Aussprüche, Vorstellungen und Zeugnisse Jesu mit unbedingter Ehrfurcht auf, deren Inhalt Thatsachen aus der unsichtbaren Welt sind, welche als solche über die Erfahrungen des natürlichen Weltlaufs hinausgehen. Hiehin gehören die Vorstellungen von Ens geln und Geistern und die Aussprüche über die leßten Dinge. Die Kirche, in ihrer gesunden theologischen Bewegung, findet sich zwar eben so verpflichtet als berechtigt, durch historische Forschung zu ermitteln, in welchem Sinne diese Aussprüche von Jesu gesagt seien, und wieweit die Worte und Begriffe sich an frühere israelitische Vorstellungen bestätigend oder berichtigend und erweiternd anschließen. Hat sie aber ihren Sinn gefunden: so ist es fern von ihr, darin, daß sie keine Analogien in der jeßigen Erfahrung haben, oder daß sie sich einem spekulativ-wissenschaftlichen Begreifen mehr als andere Gegenstände entziehen, einen Grund zu finden, sie mit geringerer Ehrfurcht als andere anzunehmen, oder an der Wahrheit und Wirklichkeit ihres Inhalts den mindesten Zweifel zu hegen. Denn es steht ihr um des Karakters Christi als des schlechthin irrthumlosen Logos und Interpreten Gottes fest, daß nichts, was wir hinreichenden Grund haben als ein von ihm gesprochenes Wort anzusehen, einen Irrthum enthalten oder bestätigen und begünstigen

könne. Hieraus ergiebt sich auch, daß eine historisch kritische Untersuchung darüber, ob etwas zum Kanon Gerechnetes ein Wort Jesu enthalte oder nicht, d. h. ob die Berichte von seinen Worten authentisch seien, ein unbedenkliches Recht der Kirche und der Theologie sei; eine Verwerfung deffen aber, wovon die Kirche überzeugt ist, daß Jesus es gespro-chen, ist, von Seiten der Kirche selbst, schlechterdings unmöglich.

2. Das persönliche Wort Jesu giebt den Schriften des Alten Testaments göttliches Ansehn. Denn da wir sicher wissen, daß Jesus dieselbigen Schriften, die wir zum Kanon des Alten Testaments rechnen, als die heilige Schrift Israel's gehabt und angesehen hat: so folgt daraus, daß seine Anerkennung dieser Schriften als von Profeten als solchen geschrieben, einen Begriff von diesen Schriften, als welche, verschieden von den Schriften der Weltvölker, göttlich veranstaltete Zeugnisse der thatsächlichen Offenbarung und wahren Religionslehre in Israel enthalten, in den Zusammenhang seiner Lehre und unserer Erkenntniß einführt. Da der Herr von David sagt, er habe „im Geiste“, d. h. in göttlichgewirkter Geistesklarheit, geschrieben, und er von Moses und den Profeten nichts Geringeres behaupten kann als von David: so folgt daraus wenigstens für die mosaischen und profetischen Schriften (wozu die früheren historischen gehören) und für die davidischen, daß Christus ihnen ein göttliches Ansehn zuschreibt. Nicht so ausdrücklich bezeugt dies der Herr von den übrigen Hagiographen außer den davidischen Psalmen; allein da er und seine Apostel niemals der Annahme des jüdischen Volkes widersprechen, daß sämmtliche Hagiographen von Verfassern geschrieben seien, die Gott dazu erleuchtet und berufen habe: so läßt sich nur dieser Begriff in Jesus selbst voraussetzen; womit jedoch die Ans nahme eines gewissen Vorranges der mosaischen und profetischen Schriften vor den Hagiographen wohl scheint vereis nigt werden zu können.

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3. Christus sezt die Apostel so entscheidend zu Lehrern der Völker ein, und verheißt ihnen so bestimmt den Geist der Wahrheit, und sagt so ausdrücklich, daß sie, so wie er, gehört werden müssen, daß wir die Annahme ihrer Schriften als die christliche Geschichte und Lehre rein enthaltens der als seinen Willen anzusehen haben. Paulus gehört zu diesen Aposteln, von dem Herrn den Uebrigen persönlich hinzugefügt. Wo also ächte Schriften der Apostel sind: da haben wir die Aussprüche und Zeugnisse derselben in der Weise, wie die unmittelbaren Worte des Herrn, zu ver ehren. Denn es ist ein unstatthafter Gedanke, daß Jesus solche als Apostel sollte eingesetzt haben, die, auch nach der Mittheilung des Geistes der Wahrheit, irgend etwas als einen wesentlichen Theil der christlichen Geschichte und Lehre sollten vorgetragen haben, worin sie geirrt hätten. Die Schriften der Gehülfen der Apostel erhalten ihr Ansehn theils in dem Maaße, als sie mit den apostolischen übereinstimmen, theils als glaubwürdige Zeugnisse wohlunterrichteter und von dem Geiste Christi zur Einfachheit des Sinnes und Gewissenhaftigkeit der Mittheilung gereinigter Schriftsteller.

Auf diese Weise liegt die Schrift des Alten und Neuen Lestaments der Kirche vor als die durch den Geist Christi in sich einige Urkunde des göttlichen Worts. Die Kirche nimmt alle ihre Aussprüche über die göttlichen Dinge an als Worte Christi und Gottes, also nicht nach dem Maaße ihres Begreifens derselben (womit gar nicht geleugnet wird, daß die Kirche zum Begreifen derselben hinstrebt), sondern in dem Zusammenhange ihrer Glaubenserkenntniß. Der Hauptgegenstand und lebendige Mittelpunkt aller Glaubenserkenntniß der Kirche ist Christus als Mittler. In dem Maaße als irgend ein Ausspruch der Schrift mit der Erkenntniß Christi, welche die Kirche hat, in lebendige Vers bindung tritt, erkennt sie auch diesen Ausspruch, und aus dieser Erkenntniß fließt ihr erhöhtes Leben zu, möge nun die Erkenntniß zur wissenschaftlichen Begreiflichkeit ausges

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