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bildet werden oder nicht, in beiden Fällen theilt sie ihr Leben mit, und giebt ihr eine gemeinschaftliche feste Grundlage, auf welcher der Austausch der Erkenntniß und des Lebens unter den Gliedern der Kirche unzerstörbar fortschreitet, so gewiß unzerstörbar, als das profetisch-apostolische Wort fest, klar und unzweideutig ist, und als es unmöglich ist, daß die wahren Kirchenglieder nicht durch den Geist Christi willig sein sollten, dieses Wortes Inhalt gemeinschaftlich anzuerkennen. Dies ist das Prinzip der Schrift als der göttlichgegebnen Regel des Glaubens- und Erkenntnißverkehrs der Kirche, dessen entscheidende Heraustretung eine der beiden großen Grundlagen des kirchlich-historischen Protestantismus ift.

Was thut nun der Razionalismus ? Nicht zufällig, nicht aus Mangel an Folgerichtigkeit alterirt er dieses der ganzen wahren Kirche einwohnende Prinzip, sondern aus Grundsaß, aus seinem innersten Wesen heraus nagt er an diesem Prinzipe, und trachtet das Schriftwort flüssig, unfest, schwankend zu machen. Denn indem er die Vernunft, welche, Ideen aussprechend, von dem Thatsächlichen unabhängige Lehren aufstellend, stets nur subjektiv ist, als Quelle der Religionslehre ansieht, und die Schrift nur soweit gelten läßt, als sie sich dieser subjektiven Vernunft fü gen will, zicht er, soviel an ihm ist, das Wort der Schrift in die ganze schwankende und schwebende Bewegung des subjektiven Denkens, Meinens und Fühlens hinein, er giebt je den willkührlichsten Voraussetzungen des subjektiv zuversichtlichsten, wenn auch am wenigsten christlichfrommen, von seiz ner Meinung Ueberzeugten das Recht, soviel von der Schrift zu verwerfen, als ihm gefällt, und diese Verwerfung mitten in der kirchlichen Gemeinschaft geltend zu machen, dadurch wird er, der Razionalismus, unter dem scheinbaren Karakter vernünftiger Religionslehre, der Erschütterer des einzig möglichen festen Zusammenhangs der Kirche Christi. Deshalb es auch der Natur der Sache gemäß ist, daß der

Anblick der verwirrenden Folgen seines Prinzips den mit besseren Elementen gemischten Razionalismus am ehesten zum Aufgeben seiner selbst zu bringen vermag.

Zweites Kapitel.

Vom Gnostizismus.

S. 1.

Der Gnostizismus ist diejenige Form des Spiriz tualismus, in welcher das Erkennen in seiner Selbstüberhebung über das göttliche Wort als Mittel der Vereinigung mit Gott angesehen wird.

Wie das Wort Gnostizismus an sich schon eine Verirrung des Strebens nach Erkenntniß bedeutet: so ist es hier in dem weiteren Sinne genommen, der, unabhängig von seiner kirchenhistorischen Bedeutung, die Verirrungen des kirchlichen Strebens nach Erkenntniß, ein ungesündes Verhältniß dieses Strebens zum Inhalte des Glaubens, bezeichnet. Und die Geltendmachung dieses Mißverhältnisses, als wäre es das rechte, ist die andere Hauptform des Spiritualismus. Denn wenn der Geist nicht in der Art sich der gesunden Lehre entzieht, daß er als abstrakte Vernunft den Inhalt des göttlichen Worts nach willkührlichen Voraussetzungen auswählt und ausleert: so bleibt ihm, insofern er eine falsche Selbstständigkeit behaupten will, nur das übrig, daß er als Geist sich selbst als den Urheber des göttlichen Worts ansieht, und in seiner Selbstentwickelung, in welcher das göttliche Wort nur ein Moment sei; sich seiner Einheit mit Gott bewußt zu werden meint. Eben deshalb

ist auch ihm das göttliche Wort (der Quell aller reinen Lehre) nicht im eigentlichen Sinne Gottes Wort, es ist ihm sein eigenes Wort, das er, mehr unbewußt, produzirt hat, und zu dessen bewußter Erfassung er durch spekulative Selbstentwickelung kommt, und eben damit sich seines Einsseins mit dem göttlichen Geiste erst wahrhaft christlich bewußt wird. Dem Gnostiker ist das göttliche Wort nur eben so göttlich, wie er selbst göttlich ist. Und er selbst ist, seinem geistigen Wesen nach, in der Art göttlich, daß nur die Nothwendigkeit, sich zu entwickeln vermittelst der Produkzion des Wortes, ihn von Gott selbst unterscheidet. Der Razionalismus entleert und schwächt das Wort, indem er eine falsche Mittelbarkeit desselben behauptet, und es nach abstrakten Säßen mißt, indem er den menschlichen Geist nur als abstrahirendes Vermögen auffaßt; der Gnostizismus faßt den Geist als das konkrete Leben selbst, und vernichtet die Bedeutung des göttlichen Worts dadurch, daß er es nur als seine eigene, vorübergehende Erscheinung auffaßt, statt sich vor demselben zu beugen, und mittels desselben sich mit dem Geiste Gottes taufen zu lassen. Der Razionalis mus will das Positive des Christenthums, die ewiggültige historische Thatsache der Versöhnung, gar nicht, und will Alles auflösen in abstrakte Ideen und Lehren, die keinen positiven Gegenstand haben; der Gnostizismus will das Positive, allein er will es nur als That und Geschichte des menschlichen Geistes, und der Ausgangspunkt des Positiven ist bei ihm das spekulativ-begriffliche Erkennen und das vermittelst dieses erkannte Sein der Dinge, nicht die Erneuerung des Herzens durch die Macht Christi. Der Razionalismus. beruht auf dem Dünkel auf abstraktes Denken und vermeintlich moralisches Handeln, und hat eine Verwandschaft mit dem nackten Deismus auf der einen und dem indifferenten Naturalismus auf der anderen Seite. Der Gnostizismus beruht auf dem Stolze des spekulativen Vermögens, und hat eine Verwandschaft mit dem Pantheismus und dem Mythologismus.

Sollen wir das Prinzip des Gnostizismus in seiner Unchriftlichkeit verstehen: so bedarf es einer kurzen Orien tirung über das Verhältniß des Geistes zu Gott und des Erkennens zum Glauben, wie beides der christlichen Lehre gemäß sich darstellt.

Die heilige Schrift kennt zwar den Geist des Menschen als das ihm von Gott eingehauchte, aus Gottes Wesen mitgetheilte (1 Mos. 2,7) Vermögen, aber nicht als den Inbegriff seines eigenthümlich menschlichen zu Goit geschaffenen Wesens. Als dieses erscheint vielmehr, das Vermögen, geistig, d. i. erkennend, zu lieben, und liebend zu handeln, ein Vermögen, in welchem das Dasein des Geistes als eines selbstbewußten vorausgesetzt wird, welches aber der Begriff des Geistes an sich nicht in sich schließt. Deshalb ist auch in der Schrift das Herz, zugleich Ursprung freier Gedanken und Inbegriff menschlicher Gefühle, die Bezeichnung des Innersten, worin sich die göttliche Natur des Menschen, besonders in Bezug auf freies Sichabwenden von Gott und Sichbelebenlassen von Gott, zu erkennen giebt *). Der Geist aber zeigt sich im Menschen so lange in einer theils passiven, theils unruhig thätigen Unbestimmtheit, bis das Herz durch den Glauben an den geoffenbarten Gott das ruhig bewegte Leben der Liebe empfangen hat **). Der Glaube an Gott aber ist allein vollkommen da im Glauben an Christus als den Mittler, und den durch ihn sich mittheilenden heiligen Geist. Mit Christus ist auch das Wort Christi und Gottes gegeben. Die aus dem Geiste Gottes stammende Lebendigkeit des Innern des Gläubigen theilt sich auch dem denkenden Geiste mit, welcher von der

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*) Gen. 6, 5. Exod. 28, 3. Deut. 6, 5. Pf. 22, 27. Jef. 51, 7. Jef. 17, 10. Matth. 13, 19. Luk. 8, 15. Act. 16, 14. Röm. 10, 8. Gal. 4, 6. Hebr. 13, 9.

**) Act. 15,9. Röm. 5, 5. 8, 16. 10, 10. 2 Kor. 4, 6. 1 Thess. 5, 23.

Kraft des liebenden Wollens jetzt bei Gott in Christus festgehalten wird, oder vielmehr sich frei in der Erkenntniß des in Christus geoffenbarten, in ihm wirkenden Gottes entfaltet. Dieses Erkennen Gottes ist aber nur vermittelst des Wortes Christi, nicht wie dasselbe ein blos äußerliches ist, sondern wie das leibliche und allerdings leiblich bleibende Wort durch den Geist Gottes aufgeschlossen ist und wird zu einem sich immer erneuernden und sich selbst anwendenden Zeugnisse und Lehrentfaltung. Die daraus hervor gehende Erkenntniß des Geistes wird spekulativ, sobald der Geist den christlichen Gottesbegriff zu einem überschauenden Ausgangspunkte für die Betrachtung alles Seienden, unter Durchlaufung aller wissenschaftlichen Vorstufen, die dieser Standpunkt erfordert, zu machen weiß; und eine jede natür liche Spekulazion des Geistes wird christlich in dem Maaße, als der Geist seinen Ausgangspunkt ganz mit dem christlis chen Gottesbegriffe erfüllt. Da das Erkennen jedes Glies des der Kirche aber, auch wenn es spekulativ ist, immer ein Erkennen in der Gemeinschaft des heiligen Geistes ist, welche als ein heiliges Einwohnen Gottes nur in der Kirche, nicht in der Menschheit als solcher, Statt findet: so kann die allgemeinmenschliche Geistesentwickelung niemals die volle Erkenntniß Gottes sein. Und da die Kirche, als der Christus, dem Haupte, angehörige Leib, niemals einen volleren Gegenstand der Erkenntniß haben kann als ihr gottmenschliches Haupt: so kann auch die wahre christliche Erkenntniß nie über das Erkennen Gottes in der Person Christi hinausgehen.

Wie tritt nun der Gnostizismus dieser schriftmäßigen Grundlage des christlichen Erkennens entgegen? Folgendermaaßen. Der Geist, angeregt durch die Kräfte des Chris stenthums, aber nicht ausharrend bis zu der mit der Wiedergeburt des Herzens erfolgenden Erleuchtung, verwechselt seine vorbereitend religiöse Anregung, wie sie mit dem durch die Phantasie ergriffenen Naturleben in Berührung steht, mit

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