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der Polemik als einer Disziplin beginnt daher erst in der Zeit nach der Reformazion, weil erst durch diese und den mit der Entwickelung der Wissenschaft Schritt haltenden Gegensatz der römischen und der protestantischen Kirche das theologische Bedürfniß der Bildung einer polemischen Disziplin entstand. Und das Bewußtsein von dem, was man bedurfte, entwickelte sich nicht nur langsam, sondern es reis nigte sich niemals von fremdartigen Elementen, so daß der sogenannte Untergang der Polemik am Ende des achtzehnten Jahrhunderts erfolgt ist, ehe der Begriff dieser Disziplin vollständig erfaßt war.

Es hat zum Theit darin seinen Grund, daß die Ges schichte der Polemik nur zwei Hauptentwickelungen erlebt hat, welche sich nach den verschiedenen Beziehungen zu einem anderen als dem theologisch-polemischen Interesse unterschei den lassen. Die erste nennen wir die kirchlich - symbolische Periode, welche von dem Zeitalter der entwickelteren Refor mazion an bis zum Ende des 17ten Jahrhunderts reicht. In dieser ist alle theoretische Polemik auf das Stärkste gefårbt von dem Bewußtsein der Kirchenpartei, welche sich symbos lisch ausgesprochen hat oder auszusprechen strebt, und die wissenschaftliche Polemik selbst großentheils noch als Angriff auf die gegenüberstehende Kirchenpartei behandelt. Ist dies eine Vermischung oder, richtiger, ein Nichtauseinandergetretensein der Gesichtspunkte: so ist es zugleich die einzige Form, in welcher die Polemik zu einer kräftig theologischen Entwickelung in damaliger Zeit gelangen konnte, und man würde dieser Periode Unrecht thun, wenu man nicht aners kennen wollte, daß, allerdings unter einer Masse der verlets zendsten und parteisüchtigsten Behauptungen, das Gold der polemischen Wahrheit herausgefunden werden könnte. Die Hauptanregung zu einer theologischen Förderung der praktischen Polemik und dadurch mittelbar zur Förderung der theologischen wird zwar durch den Lutheraner Chemnitz gegeben. Allein im Ganzen stellen sich römischkatholische und refor

mirte Schriftsteller als die fleißigeren und glücklicheren Bearbeiter der Disziplin in dieser Periode dar, und man wird nicht irren, wenn man diesen Umstand der größeren Bestimmtheit zuschreibt, mit welcher sich, mit den Lutheranern verglichen, der Begriff der Kirche, obwohl aus sehr verschie denem Standpunkte, in beiden Parteien entwickelt hatte. Die Kirchenpartei als solche auch die Materie der Polemik bestimmen zu lassen, war irrig; aber da dies zugleich die Tendenz in sich trug, den Begriff der Kirche der ganzen Polemik zum Grunde zu legen: so war mit diesem Irrthume noch eine große Wahrheit verbunden. Die zweite Periode bezeichnen wir als die dogmatisch - eregetische, insofern in ihr das Bestreben, durch die Polemik die Vollständigkeit des dogmatischen Systems zu retten, vorzüglich hervortritt. Und da diese Periode erst damals ihre Entwickelung erlangte, als, durch den Einfluß der hallischen Schule, das Dogmatische mehr empirisch - eregetisch, als streng - systematisch, begründet wurde: so ist die Benennung dogmatisch - eregetisch gerechtfertigt. Das Eregetische ist an sich das Gute dieser Periode, da es åcht polemisch ist, auf die Schrift zurückzugehen; allein das Dogmatische beherrscht leider und erdrückt zum Theil das Eregetische. Da nun das Dogmatische nicht mehr durch ein hinlänglich kräftiges Bewußtsein der kirchlichen Gemeinschaft getragen wird: so geht auch in der Polemik die ihr wesentliche Beziehung zur Kirche mehr und mehr unter; und als nun die abstrakt dogmatische Methode, mit einer nicht hinlänglich umfassenden Schriftforschung verbunden, in einen zu auffallenden Gegensah tritt mit dem, was das Zeitalter als christliche Religion richtiger oder irriger Weise anerkennt: da hört die Polemik auf bis zu einem fast gänzlichen Verkennen ihrer inneren Nothwendigkeit im Organismus der Theologie. Schleiermacher allein und ganz gebührt der Ruhm, in seiner encyclopädischen Darstellung des theologischen Studiums (1ste Ausg. 1811, zweite Ausg. 30), der Polemik ihr Verhältniß zur Apologetik, und mit

dieser ihre eröffnende Stellung zur gesammten Theologie, mit dem glücklichsten Blicke angewiesen zu haben. Wie sich in der Entwickelung der Perioden das Prinzip der einen schon lange vorher ankündigt, ehe die vorige abgelaufen ist: so ist auch in der Geschichte der Polemik Calirtus in der Mitte des 17ten Jahrhunderts ein Vorläufer der zweiten Periode, die eigentlich erst nach der Spenerischen Zeit anfångt. Diese Periode ist im Allgemeinen von lutherischen Polemikern beseßt. Denn diese, von dem systematisch dogmatischen Bestreben, welches sie seit der Konkordienformel eine Zeitlang fast allein bewegte, ausgehend, stifteten eigentlich die ganz enge Verbindung der Dogmatik und Polemik, nach welcher theils ihre bedeutendsten dogmatischen Werke, wie die eines Gerhard, Quenstedt ut. A. absichtlich eine pos Lemische Beziehung haben, theils ihre polemischen Handbůcher die Gegner fast blos mit den Waffen festgestellter dogmatischer Säße zu schlagen suchen, abgesehen davon, daß sie häufig die Polemik nach den locis ihrer Dogmatik vortragen. Dennoch treten auch in dieser Periode reformirte und rômischkatholische Polemiker auf, welche mehr oder minder dem Prinzipe dieser Periode gehorchen.

Wir unternehmen jeßt eine Uebersicht der wichtigsten Schriftsteller zu geben.

Erste Periode.

Wir nennen zuerst die römischkatholischen Polemiker, da sie früher, als die protestantischen, die Idee einer theologischen Darstellung der Håresten ausführten, lassen dann die lutherischen und zuletzt die reformirten folgen, wie es, im Ganzen, der Zeit gemåß ist.

1.

Alphons de Castro, ein spanischer Franziskaner, welcher Philipp II. nach England begleitete, und 1558 zu Brüfsel starb, schrieb libr. 14 adversus omnes haereses, in quibus recensentur et revincuntur omnes haereses, quarum memoria extat, quae ab apostolorum tempore ad hoc usque seculum in ecclesia orta sunt. Paris. 1534. Vermehrte

Ausg. von Feuardent 1570. „Er stellt, sagt Ståudlin Gesch. der theolog. Wissensch. Ch. 2. S. 28 in einem allgemeinen Theile Untersuchungen über die Håresie überhaupt an und versteht darunter eine mit Hartnäckigkeit verbundene Vertheidigung eines dem orthodoren Glauben zuwiderlaufenden Irrthums; doch erklärt er auch diejenigen für Håretiker, welche einen Glaubensartikel fortdauernd bezweifeln“ *). Eine Erklärung, deren ersten Theil man als ganz richtig anerkennen muß. Der spezielle Theil ist nach der Ordnung der Lehren. Er beschäftigt sich vorzüglich mit den protestantischen Lehren.

Auch scheint hieher zu gehören die theologische Topik des Joachim Perionius, eines französischen Benediktiners, der 1559 starb. Sein Werk stellt die Beweisgründe dar, nach welchen die Kontroversfragen zu entscheiden seien. Vgl. Dupin Th. 16. S. 30.

Die Schriften der Jesuiten Franz Coster (enchiridion controversiarum 1585) und Gregorius von Valentia (de rebus fidei hoc tempore controversis 1591) erlangten in ihrer Kirche Ruhm.

Eine unvergleichbar höhere Bedeutung für das polemische Verhältniß beider Kirchenparteien, als die vorigen, hat Robert Bellarmin. Er war 1542 geboren in Montepulciano in Toskana, trat im achtzehnten Jahre in den Jes suitenorden, wurde 1570 Lehrer der Theologie zu Löwen, 1599 Kardinal, und drei Jahre darauf Erzbischof von Capua. Dieses Amt legte er 1605 nieder und starb 1621. Er ist Verfasser des Werts: Disputationes de controversiis christianae fidei adversus huius temporis haereticos, tribus tomis comprehensae. Dupin giebt als die erste Ausgabe die von 1587-1590 zu Ingolstadt an. Ungeachtet der Litel nur auf den Protestantismus zu zielen scheint, behandelt Bellarmin wirklich fast alle in der Geschichte vorgekommene

*) Sein Bericht über de Castro ist aus Dupin bibliothéque des auteurs ecclésiastiques, ed. 2. t. 16. p. 20

Håresten nebst dem, was er von seinem Standpunkte dafür hält, und zwar nach der Ordnung der Materien, welche jes doch keine streng dogmatische ist. Bellarmin schreibt mit Gelehrsamkeit, mit nicht geringer Geschicklichkeit und einer wènigstens eben so sehr von romanistisch falschen Prinzipien als von dem Bewußtsein der Wahrheit ausgehenden Superiorität.

Martin Becanus, ein niederländischer Jesuit, der 1624 als Beichtvater Kaiser Ferdinand's des Zweiten starb, schrieb ein manuale controversiarum huius temporis, 1623, wel ches durch kompendiarische Methode vorzüglich in der Bestreitung des Protestantismus Ansehn gewann. In einem feiner praeludia handelt er de varia dispositione adversariorum et quomodo cum singulis agendum, und hier fehlt es nicht an manchen guten Bemerkungen.

Bossuet's berühmte exposition de la doctrine de l'église catholique sur les matières de controverse, Paris 1671,, ist Apologie des römisch-katholischen Lehrbegriffs, und ents hält Polemisches in einem mehr praktischen Sinne. Der apologetisch-irenische Ton, der mit großem Lalente dem Ganzen mitgetheilt ist, verbirgt an vielen Stellen die Schwäche der Gründe *).

2. Fast aus demselben Grunde würde des Martin Chemnitz examen concilii Tridentini, welches 1565 als weis tere Entwickelung einer früheren Schrift gegen die Theologie der Jesuiten erschien, nicht bei den theoretisch-polemischen Schriften anzuführen sein, wenn nicht Chemnitz durch dieses große und ruhmwürdige Vertheidigungswerk für den protestantischen Lehrbegriff zugleich die Anregung zu theologischer Polemik im kirchlichsymbolischen Sinne überhaupt gegeben håtte.

*) Die Schrift wurde, ungeachtet der Approbazion von Innocenz XI. 1680, 1685 von der Löwener Universität für eine höchst ärgerliche erklärt. Wichtigere Gegenschriften von Jurieu, Fr. Spanheim und Dan. Severin. Scultetus (antididagma 1684).

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