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geworden sind, oft unendlich mehr Geistesleben enthalten als die, welche noch nicht zu dieser liebevollen Popularitåt herabgebracht sind, obwohl sie wahre Spekulazion enthalten. Denn diese Aehnlichkeit haben nothwendig gerade die höchsten christlichen Geisteswerke mit der Schrift, daß sie, nach Durchlaufung einer Bahn, welche die heiligen Verfasser zu durchlaufen nicht nöthig hatten, nun wieder populår und praktisch werden in der Fülle der Erkenntniß, der Weis: heit und des Lebens. Popularität, sei es in poetischer oder prosaischer Form, mit der ganzen Macht der Bewegung von dem Höchsten zu dem Niedrigsten (und das Niedrigste ist hier der arme, noch in der Knechtschaft der Sünde und in der Unwissenheit des Weltlebens sich befindende Mitmensch, zu dem sich der Geist, Christus ähnlich, mit einem populås ren Worte herabläßt), oder (was dasselbe sagt) Praris, in welcher das Erzeugen des Begriffs Eins ist mit der Erwekkung des handelnden Lebens in der Liebe, das ist das höchste Geistesleben, was in der Menschheit möglich ist, und die christliche Wissenschaft selbst kann beweisen, daß Werke wie z. B. diejenigen Augustin's, wo er in der Fülle seines Er. kennens populår ist, und wie ein Theil von Luther's Predigten und Kommentaren, und wie Johann Newton's Briefe, der nie die Höhe des Erkennens hatte, aber eine Fülle der Weisheit, Liebe und inneren Schönheit, mehr Geistesleben haben, als in spekulativer Form überhaupt möglich ist. Hier ist die Spekulazion, die so gern die Ueberwinderin der Momente sein will, selbst überwunden, aufgelöset in Weisheit, Leben und Kraft, und dies muß also ihr höchster Triumf sein.

Der gnostische Begriff vom Geistesleben zeigt sich zweitens als irrig und dem Schriftbegriffe entgegen dadurch, daß er die Bedeutung und den Werth des geschriebenen göttlichen Worts für das Geistesleben nicht richtig auffaßt. Was historisch geworden und überliefert, was schriftlich ges staltet und niedergelegt ist, das vermag der Gnostizismus

gar nicht anders denn als Gewesenes, als überwundene menschliche Stufe, als aufgehobenes Moment zu fassen, und die Form, in der es allein bleibenden Werth haben soll, ist dann nach ihm der spekulative Begriff, oder, in der Weise des alten Gnostizismus, die spekulative Anschauung. Daher das Bestreben, das profetische Wort als eine menschliche Entwickelungsstufe und als göttlich nur in demselben Sinne zu fassen, wie alle Religion, auch die niedrigste positive, göttlich ist, um der unbewußt einwohnenden Idee willen, welche ringt, Begriff zu werden. Daher das Herabsehen auf diejenigen als Psychiker, die den karakterischen Unterschied des profetischen Worts von jedem anderen Erzeugnisse der alten Literatur behaupten. Während aber der Gnostis zismus eben diese Herabseßung des biblischen, besonders des alttestamentlichen Worts vom Standpunkte des Geistes, der hier noch gebunden sei, behauptet, läßt es sich zeigen, daß gerade der biblische Begriff des Geisteslebens die Thatsache des biblischen Wortes ganz anders auffassen lehrt. Denn zugegeben, daß die Sprache, die Nazionalitåt, die Empfindungsweise, die Geistesbildung der biblischen, besonders der alttestamentlichen, Schriftsteller beschränkt sei: so folgt daraus nicht, daß nicht der Geist Gottes, der ewig - lebendig und göttlich-reich über der menschlichen Beschränktheit steht, diese habe zu einem Sprachgebilde, zu einem Geistesworte voll ewiger und unendlicher Bedeutung, auch der Form nach, machen können. Denn wäre dies nicht möglich: so håtte der Geist Christi auch nicht in den mittleren Jahrhunderten, in welchen Empfindungs- und Gedankenbildung so vielfach beschränkt war, in einzelnen Individuen einen Grad von Vollkommenheit des inneren Lebens und von Aehnlichkeit der Herzensgestalt mit Jesus Christus hervorbringen können, welcher einen bleibenden, festen Seelenwerth behält gegenüber der sich fort und fort entwickelnden Kultur der Zeit. Eben so wenig als das Persönlich individuelle, in welchem christliches Geistesleben ist, verschlungen und der

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Werth desselben verringert wird durch eine höhere Nazional- oder Weltkultur: eben so wenig darf es dem persönlichen Geiste Gottes abgesprochen werden, aus dem Empfindungs- und Gedankenleben der hebräischen Nazionalitåt einen wortmäßigen Ausdruck seines persönlichen Wesens bilden zu können. Und dies ist der Begriff des profetischen Geistesworts. Die Persönlichkeit der profetischen Schriftsteller wird nicht vernichtet, aber sie dient nur als mehr oder minder vollkommenes Organ für den Selbstausdruck des heiligen Geistes, dessen Persönlichkeit die erste und wesentliche Bedingung zur Auffassung des Unterschiedes zwischen der heiligen Schrift und der übrigen Literatur ist. Weshalb auch der Mangel des Begriffs von der Persönlichkeit des heiligen Geistes der gemeinsame Grund ist, aus welchem sowohl Schriftsteller, die den Razionalismus nicht ganz überwunden haben, als gnostische Schriftsteller das Schriftwort in irgend einem Maaße herabseßen; denn die Persönlichkeit, die der Gnostizismus etwa dem Geiste Gottes beizulegen scheint, ist nicht die wahre. Dies ergiebt sich gerade daraus, daß das Wort nicht in dem rechten Verhältnisse zum Geiste aufgefaßt wird, dem es doch der Gnostizismus wenigstens dem Namen nach beilegen kann, was der Razionalismus nicht kann. Denn es ist eine beschränkte, ja falsche Vorstellung von der Natur des Worts, daß es blos das Gedankenleben ausdrucken soll, immer also nur insofern Werth habe, als es dem Ausdrucke des Begriffs, als der höchsten Form des Gedankens, sich nähere. Vielmehr das Wort ist der Ausdruck des ganzen persönlichen Wesens, also auch der Liebe, die in seinem Inneren lebt, und die, ihrer Natur nach, niemals in dem Begriffe vollkommen aufgeht, also auch nicht durch die spekulativ-logische Seite des Worts sich vollkommen ausspricht. Wie nun das menschliche Wort, außer der logischgrammatischen Seite, noch eine Fülle von Kräften zum Ausdrucke des Inneren hat, welche es, von der Abbildlichkeit für die höchsten Anschauungen bis zu dem

durch den Ton vermittelten Ausdrucke der leisesten Schwingungen des Gefühls, zu einem natürlichen Wunder der Offenbarung des ganzen inneren Menschen macht: eben so, nur in unendlich höherem Grade, vermag das durch wahre Wirkung des Geistes Gottes erzeugte Wort die Lebensfülle dieses Geistes auszusprechen. Und diese Lebensfülle ist wesentlich Liebe, wollende, wissende Liebe, weil das Wesen Gottes solche Liebe ist. Nicht deshalb ist sie, jene Lebensfülle, Liebe, weil sie Geist ist, sondern sie ist Geist, weil sie Liebe ist, d. h. das Geistsein, das schlechthin heilige, des Geistes Gottes, ist bedingt dadurch, daß er der Geist der vollkommenen Liebe ist. Also ist der Begriff der Liebe voller und höher als der des Geistes. Ist es nun gerade die Lebensfülle des Geistes in der Liebe, deren Offenbarung durch das den Profeten gegebne und in den Profeten erzeugte Wort sich ausdrucken muß: so wird dieses Wort nicht seinen Hauptwerth haben als Bezeichnung eines Moments des Denkens (diesen Prozeß kennt und befördert der Geist, aber der eigentliche Zweck seiner Selbstoffenbarung ist ein weit höherer), sondern als Ausdruck der Liebe. Die Liebe des Geistes muß aber vor Allem Liebe zum ewigen Worte oder zum Sohne sein, den der Geist Gottes als das Ebenbild Gottes, als den Tråger aller Dinge, und als dessen Geist er sich weiß. Nun liegt es im Wesen der alttestamentlichen Dekonomie (nicht der Weltentwickelung als Jdee), daß der heilige Geist vor der Menschwerdung des ewigen Wortes als liebend-wissend um ihn, ihn wahr und wirklich weissagend, und in beidem ihn mit göttlich-zarter Kunst des Wortes zeichnend erscheint. Er kann sich dabei der subjektiven Sehnsucht der Genossen des Offenbarungsvolks als Grundlage und Organs seiner Aussprüche bedienen, aber niemals werden diese Aussprüche aus dieser zu erklären sein, sondern sie aus ihnen, und immer werden sie in ih rer über der Volksentwickelung erhabenen göttlichen, in sich selbst vollkommenen Weisheit und Schönheit erkennbar

sein. Daher wird das profetische Wort auch nur dann recht verstanden und gewürdigt, wenn es vorzugsweise von der Seite dieser die Liebe im Wissen ausdruckenden Lebendigkeit, Schönheit und zarten Angemessenheit erkannt wird, wozu denn die durchaus einzige Vorbereitung und Ausstat tung der hebräischen Nazion und Sprache für das Geistige liebende und Moralischzarte in der Auffassung der Persön lichkeit zu benußen ist. In dieser Form nun, die diesen Inhalt darstellt, ist das profetische Wort weder überwunden noch je zu überwinden, sondern es ist göttlich vollkommen, immer bleibend, und überwindet selbst alles Menschliche, d. h. vorzüglich die menschliche Unwissenheit, Unehrerbietung und Kälte gegen den Sohn Gottes, indem es diesen einmal so gezeichnet hat, daß der Geist Gottes selbst für alle Zeiten an diesem Terte seine innere Predigt in den Gemůthern der auf das Wort Achtenden anknüpfen kann. & ist auch so wenig widersprechend, daß der Geist, welcher in der Dekonomie des Neuen Testaments sich voller und allgemeiner ausgegossen hat, auf sein eigenes Wort zurückweiset, daß es vielmehr noch unnatürlicher wåre, wenn er es nicht thåte, als wenn ein Dichter auf seine vollendetsten Kunstwerke deshalb nicht mehr zurückweisen sollte, weil er in spå teren Zeiten überhaupt keine dichterische Werke mehr schreibt, sondern in einem unmittelbaren christlichen Geistesleben die Resultate seiner Erfahrungen und seiner Kräfte zusammendrängt. Der Werth und die Bedeutung des profetischen Worts hört deshalb so gar nicht mit der Erfüllung des Hauptinhalts, durch die erste Ankunft Christi, auf, weil Beweis für das Gekommensein Christi, Erkennung Christi als des Verheißenen nie die Hauptabsicht der Weissagung war,

* In der Aufhebung des Unterschiedes zwischen menschlichreli giöser Sehnsucht und wirklichem Geistesworte wurzelt auch die Verkennung des Alten Testaments, die sich durch die Schleiermacherische Theologie hindurchzieht.

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