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nie als Schuld, die gesühnt, und durch eine an das Bewußtsein der Freiheit sich anschließende Erlösung aufgehoben werden muß. Da die Sünde die, entweder dualistisch oder dialektisch, nothwendige Form der Entwickelung der Menschheit zum vollen Einssein mit Gott oder zum vollen Gottsein ist: so kann dem Gnostizismus die Erlösung nichts Anderes sein als Selbstentwickelung der Welt zur volleren Geistigkeit, Selbsthülfe, aber im Wesentlichen nur so, wie sich die Pflanze hilft, indem sie aus der Knospe zur Blüthe_wird, sei es nun daß die Materie dabei angesehen werde als sich erschließend zur Geistigkeit und dadurch werdend, was sie ursprünglich oder wesentlich ist, oder als überwunden vom. Geiste und zur absoluten Scheidung von dem Reiche des Geistes verurtheilt. Der Erlöser kann dabei nicht die ewige, die Gottheit und Menschheit vereinigende Person Jesu Christi sein. Denn obwohl der Gnostizismus auf verschiedene Weise bestrebt gewesen ist, die Idee der Menschheit, wie sie in Gott und aus Gott ewig vorhanden gewesen, als den Logos der Schrift und den Logos nur als diese Idee anzusehen, und obwohl dies sogar als der Berührungspunkt angesehen werden kann, den die besseren gnostischen Systeme noch mit der rechtgläubigen Lehre haben: so wird dieser Begriff doch vollig verdorben durch die Art, wie der Gnostizismus denselben auf die Person Jesu Christi anwendet. Denn da er nicht einer wahren Erlösung, sondern nur einer Selbstentfaltung der Menschheit von der niederen zur höheren Geiftigkeit zu bedürfen meint: so ist ihm Jesus, auch bei der höchsten Auffassung, in seiner Eigenschaft als Erlöser auch nicht spezifisch, sondern nur dem Grade nach verschieden von allen anderen Menschen. Und so wie er den Logos (nach derjenigen Vorstellung, die er sich bei seiner fehlerhaften Auffassung des Verhältnisses von Gott und Welt bildet) als in allen Menschen Menschwerdend sich denkt: so muß er auch die Sünde, als das in jedem historischen Individuum als niederer Stoff noch nicht vom Geiste durchdrungene, in

dem persönlichen Erlöser annehmen, d. h. er hat nur einen Erlöser, der selbst der Erlösung bedarf, und hat eine Menschheit, die der Erlösung nicht bedarf, weil sie sich eben als Menschheit selbst hilft. Beides ist unchristlich. – Weil der Gnostizismus aber es in der Geschichte so findet (denn soweit läßt selbst der Gnostizismus die Geschichte gelten), daß von der Person Jesu aus und bis zu derselben hin das religiöse Leben der Menschheit eine gewisse Geistigkeit und Kraft gewonnen habe: so nimmt er ein geschichtlich konzentrirtes Lebendigsein der Idee der Menschheit in Jesus an, zu welcher die gesammte Religionsgeschichte, oder vielmehr die ganze Weltgeschichte, ohne Dazwischenkunft eines Volkes Gottes, eines göttlichen Gesetzes und einer göttlichen Verheißung, die Vorbereitung geliefert, und von welcher aus sich der religiöse Geist, bestimmt zur Auflösung in Spekulazion und Kunst, über die Menschheit verbreite. Der Logos verhält sich also, nach dieser Vorstellung, nur gleichsam bedeutsamer schwebend über der Person Jesu, und gefühlsmåBiger sie berührend, er wird aber nicht Fleisch in ihr. Dies ist der Doketismus, der in der einen oder der anderen Form dem Gnostizismus anhaftet. Denn es ist ́eben sowohl Dos ketismus zu sagen, Gott war nur auf ideale Weise in Chris ftus, d. i. durch eine besondere Lebendigkeit seiner menschlichen Idee, als es Doketismus ist zu sagen, der reale Logos schien nur einen menschlichen Körper zu haben in Jesus, hatte ihn nicht wirklich, denn auf beiderlei Art wird die Lehre aufgestellt, die Vereinigung der Gottheit und Menschs heit in Christus scheine nur zu sein, denn in dem einen Falle ist die Menschheit nicht (der historisch segenannte Doketismus), im anderen ist die Gottheit nicht, sondern nur die Idee der Gottmenschheit in der Menschheit (der neuere Doketismus). Diese doketische Wendung des Christusbegriffs im Gnostizismus ist gerade deshalb so verderblich, weil sie den Begriff der Versöhnung, wie er in der Schrift enthalten ist, nothwendig zerstört. Denn nicht nur ein Christus,

welcher nicht wahrer Mensch ist, kann nicht durch Leiden und Sterben versöhnen, sondern auch ein Christus, der nicht Gott ist, sondern es nur scheint zu sein, kann, in seiner eigenen Sündigkeit, die er deshalb haben muß, weil er nicht Gott ist, nicht leidend und sterbend wahrhaft fühnen und verföhnen; sondern die Versöhnung im Gnostizismus kann lediglich Symbol sein, und zwar nicht derjenigen Absterbung, die jeder Gläubige an Christus in sich erfahren muß (dies Symbol ist vorhanden in der realen Versöhnung), sondern derjenigen, die jeder Mensch, insofern er 'Menschheit ist, wirklich durch den nothwendigen Prozeß der Geistesentwickes lung in sich erfährt, wobei denn die logische und die psychologische und physiologische Seite der menschlichen Entwikkelung an die Stelle jenes göttlichen Werks der Gnade vermittelst des Glaubens an den für uns gestorbenen fündlosen Mittler Jesus Christus gesezt wird.

In diesen Lehren liegt wesentlich die Tendenz, die wirk liche Geschichte Jesu zu umgehen, gering zu achten, zu untergraben. Denn die Machtthaten dessen, der sich in seiner historischen Persönlichkeit als mit dem Vater Eins darstellt und ausspricht, sind dem Gnostizismus theils zuwider, *theils erscheinen sie ihm unnüß für die religiöse Auffassung Christi, denn er haßt es, die konkrete Wirklichkeit des Wesens der Gottheit anzuerkennen nur in dieser Person, er will sie im Wesentlichen gleich für die ganze Menschheit haben. Darum geht er von diesen Voraussetzungen aus, um die evange lische Geschichte anzuzweifeln, und indem er es sich verbirgt, von wie starken Vorurtheilen befangen er die Kritik dieser Geschichte übt, wird es ihm denn auch ein Leichtes, die Aussprüche des Herrn über die eschatologischen Dinge als Symbole des auf eine absolut geistige und ewige Weise im Geiste des Menschen Vorgehenden anzuschen. So trifft der Gnostizismus, durch einen weiten Umweg, mit dem Rázionalismus in der Verwerfung des göttlichen Wortes zusammen, und zeigt dadurch seinen gemeinschaftlichen Ur

sprung aus der vermessenen Ueberschätzung des Menschens geistes.

Alle in diesen leßten Paragraphen dargestellten Lehren des Gnostizismus sind einestheils nur Folgerungen aus den in den beiden vorigen entwickelten Grundprinzipien, und widersprechen anderentheils so ausdrücklich den Zeugnissen der heiligen Schrift, daß sie für diejenigen, welche urtheilen, daß die Angriffe auf diese in dem bisherigen Gange dieses Werks hinreichend widerlegt seien, keiner ausführlichen Zurückweisung bedürfen. Denn weil das Geistesw ort des Alten Testaments auch insofern als es nicht auflösbar ist in eine logisch-spekulative Einheit des Begriffs, göttlich ist, und nicht angesehen werden darf als nur insofern göttlich, als es diese Einheit in sich enthält und vorbereitet : so ist auch das darin enthaltene Gesetz ein göttliches Zeugniß von dem Dasein der Sünde als eines freien Abfalls und Entgegensetzung gegen Gott und von Gott; wie denn dieses Zeugniß des Geseßes mit der, in ihrer populåren Verständlichkeit durch die Natur des Geistesworts als wahr sich erweisenden, Geschichte des Falls der ersten Menschen übereinstimmt. Und weil das Geisteswort des Alten und Neuen Testaments dem Mittler zwischen Gott. und Menschen, dem Sühner der Sünde, in seiner ewigen Eristenz eine Wesenseinheit mit Gott, nicht aber mit der Welt beilegt *): so ist diejenige Richtung des Gnostizismus, welche auf eine dem Sabellianismus verwandte Weise die Welt als den Sohn Gottes ansieht, so daß Christus nur deshalb so heiße, weil er die Blüthe der aus dem Wesen Gottes entsprungenen Welt und Menschheit sei, unschriftmäßig und unwahr.

*) Joh. 1, 1, 2. In Ansehung der Lehre des Alten Testaments, daß Jehovah selbst als Mittler kommen werde, und der des Neuen, daß er gekommen sei, vgl. meine Bemerkungen über den Standpunkt der Schrift das Leben Jesu von Dr. Strauß S. 29-33.

Auch derjenige Punkt, auf welchem die gnostische Irrlehre den meisten Schein spekulativer Wahrheit gewinnt, nåmlich die scheinbare Unmöglichkeit, daß der Abfall der durch und zu Gott geschaffenen Kreatur als etwas Anderes könne gefaßt werden, denn als die nothwendige Entwickelung des unmittelbaren Einsseins mit Gott zu dem durch Reflerion und Begriff vermittelten, widerlegt sich, unter dem Ansehn des Schriftwortes, durch den falschen Begriff von Gott, von welchem der Gnostizismus ausgeht. Denn jener Gedanke beruht nur darauf, daß die Hervorbringung der Freiheit und die gerechte Zusammenordnung des aus der Freiheit Hervor gegangenen nicht als der höchste Zweck der Schöpfung angesehen wird. Als solcher kann aber die Freiheit nicht angesehen werden, sobald die Schöpfung selbst nicht als ein Akt der göttlichen Freiheit in der Liebe, sondern als der Akt einer solchen Liebe angeschen wird, die mit Nothwendigkeit ihr eignes Wesen aus sich entläßt. Die nothwendige Emanazion kann nicht die Freiheit der Kreatur zur Folge haben, sondern nur ein solches Sein der Kreatur aus und in Gott, wodurch sie wiederum mit Nothwendigkeit ihrem leßten Ziele, d. h. der Verwirklichung Gottes in ihr selbst, entgegenges führt wird. Alles dieses erscheint falsch, sobald man von dem Schriftbegriffe des in seiner ewigen Liebe (in welcher die Dreieinigkeit gegeben ist) allgènugsam seligen, und in dieser Seligkeit die Welt frei aus Liebe erschaffenden Got tes ausgeht. In der Schöpfungsthat dieses Gottes muß die Freiheit, d. h. das Vermögen der Selbstbestimmung der endlichen Geister in Bezug auf Gott, das höchste sein, da es das Lezte, die bleibende Befestigung und Vollendung der Welt nach dem Sichverhalten der Freiheit, bedingt. Die Schrift kennt nur eine solche Vollendung und Verklärung der Schöpfung, die durch Gerechtigkeit (selbst nur eine we sentliche Erweisung der vollkommenen Liebe), d. h. durch Angemessenheit der Stufe des Lebens und des erkennenden Selbstbewußtseins zur Würdigkeit oder zum Verhal

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