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fortgehenden Offenbarung in ein falsches Verhältniß zur Schrift stellten, obwohl die letzten in einer weit gefährliches ren Weise als die ersten. Diese, geleitet durch redlich-praktischen Sinn, beabsichtigen eigentlich wenig mehr als das praktische Klar- und Lebendigwerden des Schriftinhalts in den Gemüthern der Gläubigen, obwohl sie die Lehre vom inneren Worte in der Art ausgebildet haben, daß mystische Verirrungen nach ihrem Prinzipe möglich sind, abgesehen von ihrer beklagenswerthen Negazion der Sakramente. Auch diejenige neuere Theologie, welche die Schrift nur als den Ausdruck des Gefühls der Kirche in der ersten, reinsten und vollen Macht des-Christenthums ansicht, kann, gerade insofern und weil sie (ungeachtet einiger neueren Parallelen) weder als razionalistisch noch als gnostisch angesehen werden kann, schwerlich von aller Anlage zum Mystizismus freigesprochen werden. Denn außer dem, daß sie, wider das Glaubensbewußtsein von Christus, als dessen Geist schon vor der Menschwerdung die profetischen Schriftsteller inspirirt habe *), das Alte Testament vom Neuen losreißt, weil ja jenes nicht Ausdruck des Gefühls der ersten Kirche sein kann, verhindert sie auch durch den Begriff Ausdruck des Gefühls die Anerkennung des eigentlich göttlichen Worts in der Schrift, welches nicht vom Gefühl der Kirche, sondern von welchem das Gefühl der Kirche abhängt. Und diese Uebersehung des eigentlich und spezifisch Göttlichen im Worte der Schrift, zunächst insofern es das Wort Jesu ist (vgl. Nazionalismus §. 2), dann aber auch in allem vom Geiste Jesu Christi vor der Menschwerdung und nach der Ausgießung des Geistes Inspirirten, läßt sich nur erklären aus einer nicht vollständigen Auffassung des Begriffs des Logos in seinem Unterschiede von der historischen Person Jesu, d. h. aus einer

*) Also auch wider den Ausspruch des nicänisch- konstantinovolitanischen Bekenntnisses vom heiligen Geiste: tỏ hahyour διὰ τῶν προφητών,

nicht gehörigen Unterscheidung der Gottheit und Menschheit Christi, und zwar auf eine dem Monophysitismus entgegengefeßte Art, nåmlich daß jene in ihrer Selbstständigkeit zu sehr zurücktritt, woraus denn unvermeidlich eine Beschådigung des Begriffs vom Worte Gottes und erst dadurch ein Nichtaufkommen des vollen Begriffs der Schrift folgen muß. Wenn dennoch diese Theologie in ihren Ergebnissen den Mystizismus nicht begünstigt: so darf dies wohl größtentheils der dialektischen Kraft und der hohen psychologischen Besonnenheit ihres Urhebers, getragen von tief christlichem Leben, zugeschrieben werden, welcher an gefährlicheren Folgerungen mit bewundernswürdiger Kunst vorbeischifft. Infofern aber dies mehr der subjektiven dogmatisirenden Gabe der Person als dem objektiven Karakter der Theologie zuzuschreiben ist, darf man nicht blos, sondern man muß sagen, daß es auch möglich wäre, aus dem Prinzipe, daß schon die Schrift lediglich Darstellung des Gefühls der Kirche sei, auch mystische Säße im schlimmen Sinne des Worts abzuleiten, d. h. solche, die durch die Schrift sich nicht bewähren lassen. Hieraus möchte folgen, daß der ganze, in dialektischer und religiöser Hinsicht edle und große Einfluß der bezeichneten theologischen Richtung nur dann gesichert und gereinigt werden könne, wenn die Lehre vom Worte Gottes (dieselbe, an welcher es auch dem Razionalismus gebricht, vgl. S. 197) derfelben empirisch und spekulativ unterbaut, und von da aus auch eine wohlthätige und von Ueberspannung freie Reakzion auf die kritischen Richtungen dieser Theologie geübt würde.

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Wir kehren jest zu der weiteren Betrachtung des mystischen Prinzips und seiner Folgen für den Glauben an die Offenbarung zurück. Weil die fortgehenden Offenba rungen des Geistes an die Gläubigen der Schrift gleichgestellt werden: so behauptet der Mystizismus auch religiöswichtige Dinge zu wissen, die nicht in der Schrift stehen, und auch gar nicht in ihrem Zusammenhange mit dem Schrift

worte dialektisch können nachgewiesen werden. Er fordert also für etwas, was nicht strenge Wissenschaft sein kann, und auch nicht blos subjektive Erfahrung sein will, sondern Aussage eines objektiven Seins, Glauben ohne Zeugniß der Schrift, schlechthin auf die Aussage dessen, der die Offenbarung empfangen hat. Dies würde ganz statthaft sein, so lange der Gegenstand als religiós - indifferent angesehen würde, denn so wenig es metaphysisch oder theologisch möglich ist, jemandem von vornherein abzuleugnen, daß er nicht könnte Mittheilungen aus der unsichtbaren Welt empfangen haben: so gewiß läßt sich auch denken, daß diese Mittheilungen durch die Wahrhaftigkeit des Berichterstatters im Zusammenhange mit dem Natürlich - psychologischen ein Interesse für die Wissenschaft, und einen Werth für die persönliche Religiositåt haben können. Aber niemals einen für den Glauben der Kirche, und gerade hier ist es, wo das håretisch - mystische Gebiet sich von dem der tieferen Seelenkunde und der råthselhafteren Naturerscheinungen sondert. Der Mystiker will Gesichte und Stimmen haben; möge er, er wird dadurch, daß er sie hat, noch nicht ein schlechterer Christ oder ein Håretiker. Aber er will sie von der Kirche als religiöswichtige, das Seelenheil betreffende Offenbarun gen angenommen wissen, und hierin besteht sein Irrthum, seine Anmaaßung, denn es ist unmöglich, daß dasjenige, was Gott durch Christus, Christus durch die Apostel, und der heilige Geist durch die Profeten geredet hat (Hebr. 1,1) nicht sollte hinreichend sein zu einem das Heil verbürgenden Glauben; und es ist unehrerbietig von der Hirtentreue Christi gedacht, daß er seiner Gemeine die Annahme von Aussprüchen zumuthen sollte, die keine Bürgschaft in dem geschriebenen Worte haben, während sie ihrer Natur nach sich auch nicht als Ergebnisse einer vom Glauben getragenen vernünftigen Reflerion darstellen. Auf diesem Punkte läßt sich auch auf eine für den wahren apologetischen Wunderbegriff höchst vortheilhafte Weise zeigen, daß Wunder an sich für solche

Pråtensionen gar nichts beweisen würden, weil Wunder nur im Zusammenhange mit dem sich als das eigne Wort Gottes durch göttlich - moralische Geisteswirkung bewährenden Worte sich als göttliche beweisen. Für die Kirche ist das Wort Gottes in der Schrift; wo Zusammenhang und Uebers einstimmung mit der Schrift fehlt, sind auch Wunder nichts Göttliches und Beweisendes. Zu gleicher Zeit zeigt sich, wie der Razionalismus, der Glut mystischer Gefühle und Gesichte nichts entgegenzustellen wissend als die abstrakte Forderung der Vernünftigkeit und Säße, die auf formale Weise aus dieser hervorgegangen sind, durchaus unzureichend ist, den Mystizismus zu besiegen, vielmehr von dems selben durch Innigkeit und Liefe des Gefühls und Lebendigkeit der Phantasie, zwar auch nicht besiegt, aber doch beschämt, wo nicht gar zum Ueberspringen in das mystische Gebiet gebracht wird.

Aus diesem Prinzipe des Mystizismus gehen nun alle Behauptungen desselben hervor, die, indem sie schlechthin Uebernatürliches und Neues, Seltsames und Erstaunenswerthes darbieten, die sinnlich - selbstische Neugierde reizen, die Phantasie unnatürlich aufregen, den Sinn für das Geheimnißvolle um der darin enthaltenen Vermischung des Sinnlichen und des Geistigen willen (nicht um des darin flar gegebnen Göttlichen willen) nähren, und die eigenlies bige Erwartung irgend einer die Gläubigen sinnlich auszeichnenden nahenden Erscheinung wecken. Dies sind auch die Quellen des unwahren Chiliasmus, d. h. dessen, der auf sinnliches Glück der Erwählten, und auf eine damit in Verbindung stehende Berechnung des Anfangs und der Dauer desselben gerichtet ist, eine Denkart, mit welcher freilich die ausgebildetere Hoffnung einer einst vorherrschenden Macht Christi und seines Geistes in den Angelegenheiten und Verhältnissen dieses irdischen Weltlaufs keinesweges verwechselt werden darf.

S. 3.

Der Mystizismus, in unkirchlicher Festhaltung des Besonderen in der religiösen Entwickelung, neigt zu sittlich extravaganten Schritten und zur Härte gegen das rein Menschliche.

Festhaltung der Eigenheit im Gegensahe gegen das kirchlich Gemeinschaftliche liegt im Wesen des Mystizismus, und er schneidet sich selbst das Mittel ab, von diesem Fehler frei zu werden, indem er die Schrift nicht zur Richterin seiner Vorstellungen und Gefühle macht. Daher er in einem tief haftenden Mißtrauen, daß das, was die Kirche als ge= meinsame Sitte hinstellt, nicht das Rechte sein könne, einen Reiz darin findet, sich von dem geebneten kirchlichen Geleise zu entfernen, und Ungewöhnliches, besonders Starkes, Neues, und doch Erfolgloses, zu thun. Und so muß das fehlerhaft Sonderbare der Unternehmungen des Mystizismus dazu dieven, daß das durchaus nicht Seltsame, das rein Kirchliche, sobald es nur aus einer reineren Liebe und volleren Kraft hervorgeht, als die öffentliche Meinung des großen Haufens oder das Urtheil verderbter Leiter der Kirche aufzufassen vermag, für Mystizismus und Fanatismus ausgegeben werde, wie es heutzutage mit den Thätigkeiten für Verbreitung der heiligen Schrift und für die Evangelisirung der Heiden am Lage liegt. Der Mystizismus glaubt nicht allein der kirchlichen Autorität und Genehmigung in Bezug auf gewisse christliche Handlungen nicht zu bedürfen (dies kann den Umstånden, nach völlig rechtmäßig sein), sondern er hålt eine Sache in dem Maaße für christlich, als sie nicht auch sichtbar kirchlich ist, ein Irrthum, welcher nur aus der Verkennung der wahren Leiblichkeit der Kirche zu erklären ist.

In naher Beziehung zu dieser Neigung zum Ungewöhnlichen steht der Trieb des Mystizismus, das Fleisch, unter der täuschenden Erwartung, es auf seinem Wege recht kraft

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