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Genossen religiösem Werthe unterhält: so verliert sich _Neigung und Fähigkeit immer mehr, die große Mannichfaltigkeit der Geistesgaben in der Kirche unter Geistlichen und Laien anzuerkennen, und sich derselben dankbar zu erfreuen. Alles nicht seinem Kreise Analoge heißt ihm sogleich Welt und Natur in dem Sinne, daß ihm die Gnade abgesprochen wird. Da fehlt es denn nicht an schroffen Urtheilen, an furchtsamen Abschließungen, und während der pietistisch Gesinnte recht zu zeugen meint gegen die Sünde und Welts lichkeit, beraubt er sich dieser Fähigkeit dadurch, daß er Welt im Sinne der Schöpfung und Welt im Sinne der Gemeinschaft der Sünde verwechselt. Indem er in jene nicht genug hineintritt, kann er auch diese nicht so erkennen und aufzeigen, als der Christ in allen Lebensgebieten die Sünde zu erkennen und zu bezeichnen berufen ist.

Fünfter Abschnitt.

Vom Theofratism u s.

S. 1.

Der Theokratismus ist derjenige Irrthum, vers möge dessen das Göttliche in dem Dasein der menschlichen Autorität zur Hemmung des Geisteslebens in der Kirche gemißbraucht wird.

Der Theokratismus ist die falsche Behandlung der Theokratie, soweit dies durch menschliche Verirrung möglich ist. Die Theokratie ist die Herrschaft Christi, Gottes durch Christus, wie diese im Leben der Kirche und der christlichen Staaten dem durch Antheil am Geiste Christi aufgeschlosses nen Sinne sich zu erkennen giebt. Der Theokratismus ist die fehlerhafte ausschließliche Beziehung des Göttlichen in der Theokratie auf das Göttliche in dem Dasein der menschlichen Autorität. Daß Obrigkeit sei, daß auch im religidsen Leben der Menschheit_Ueberordnung, Vorstand, Autoritåt sei, ist von Gott, aber daraus folgt nicht, daß alles göttliche Herrschen an das Recht und die Macht der menschlichen Autoritåt gebunden sei. Vielmehr ist das göttliche Herrschen Christi ein solches, welches nicht nur die Inhaber der menschlichen Autorität auf ganz gleiche Weise, wie die, welche ihnen zeitlichmenschlich unterthan sind, beherrschen will, sondern welches auch seiner Natur nach sich nicht vollständig

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in den Formen menschlicher Beherrschung darstellen kann, weil es eben das Herrschen Gottes ist, in welchem die absolute Macht stets mit der Heiligkeit des Geistes, der im Volke Gottes wirkt, vereinigt ist. Das Gute des Theokras tismus besteht darin, daß er an ein Herrschen Gottes glaubt, und das menschliche Herrschen von wegen des Willens und im Namen Gottes, und zu den Zwecken seines Reiches, festhalten zu müssen die Einsicht, zu wollen den Entschluß hat. Sein Böses wurzelt in der Weltlichkeit, mit welcher er das Gesammtleben der Kirche als ein doch nur so beschaffenes ansieht, welches überwiegend äußerlich müsse geordnet werden, aus der Herrschsucht, mit welcher er auch die reinsten und mächtigsten Regungen der Geistesgemeinschaft vollständig in seiner Gewalt zu haben trachtet. Und während dieses Böse sich auf der einen Seite durch die Vorstellung der doch überhaupt angestrebten Aufrechthaltung des Rechts Gots tes vor sich selbst verbirgt, steigert es sich auf der anderen dadurch, daß es dem Herrn nichts will vorbehalten sein lassen, und durch den in ihm liegenden Mißbrauch des Heiligen, zu dem in der Kirche überhaupt möglich höchsten Grade von Härte.

Der Theokratismus lehnt sich sowohl innerlich als historisch an den Separatismus an als dessen vermeintliches Heilmittel. Wenn die Gefahren und verderblichen Wirkungen des Separatismus hervorgetreten sind, entwickelt sich in gewissen Efåren der Kirche der Grundsaß, es sei auf keinem anderem Wege Ordnung und Einheit in der Kirche zu erlangen als durch eine Autorität, welche den Gliedern der Kirche das individuelle Schöpfen aus dem Worte Gottes in der Schrift und die vom inneren Geistestriebe ausgehende Zu sammenwirkung möglichst verwehre. Mit dem Theokratismus endigt die freie Bewegung der Kirche bis zur Unmög lichkeit der Entstehung neuer Håresien. Denn nur mit dem Vorsage alle auszurotten, außer derjenigen, die er selbst ist, kann der Theokratismus sich entwickeln und sich gleich

sam vor sich selbst rechtfertigen. Da er aber mit der Håresie zugleich die gute Geistesbewegung in der Kirche unterdrückt: so bewirkt er, soviel an ihm ist, geistlichen Lod, Indifferentismus, welcher dann, unter der Beihülfe des Uns glaubens und des Zornes über lange getragene Fesseln, den Theokratismus ablöset.

Die Anfänge des Theokratismus in der Geschichte zeigen sich von dem Zeitpunkte an, wo der Klerus auf unapostolische Weise sich über die Gemeinen hinaushob. Hieraus entwickelte sich das Streben, das Ansehn der Bischöfe mit Hårte und Einseitigkeit über das der Presbyter zu erheben, womit nicht gesagt wird, daß das Hervortreten der Bischöfe an sich theokratistisch war. Die seit dem Ende des vierten Jahrhunderts immer bedenklicheren Eingriffe der Kaiser, bes sonders der oströmischen, in das kirchliche Leben, hatten groBentheils einen theokratistischen Karakter, und riefen den freilich noch durch so viele andere Gründe bedingten Theokratismus der römischen Bischöfe hervor, welcher, seit dem neunten Jahrhunderte mit immer vollerem Bewußtsein ausgebildet, unter der Beigesellung wahrer und großer Ideen, immer drückender auf der Kirche lastete, bis er durch die Reformazion theils aufgehoben, theils durch eine gewisse Ausgleichung mit dogmatischen Ueberzeugungen und politischen Verhältnissen gemäßigt, theils aber auch, unter Gegenwirkungen, befestigt wurde. In England zeigte sich diese Denkart in den Ansprüchen Heinrich's des Achten und der Stuarte, und in Deutschland trat sie während einer gewissen Entwickelungsstufe des Verhältnisses der Kirche zum Staate auf. Noch jezt ist dieses Uebel aus allen drei Hauptgebieten nicht ganz verschwunden, und kann nur in dem Maaße überwunden werden, als eine von Separatismus freie Belebung der Kirche, durch das Licht und die Kraft des göttlichen Worts, in Erkenntniß und Predigt fühlbar wird, und die Kirche von innen aus ordnet und zusammenhålt.

S. 2.

Die beiden Hauptformen des Theokratismus sind der Hierarchismus und der Cäsareopapismus.

Der Theokratismus kann sich an Alles anschließen, was vom Standpunkte der kirchlichen Gesinnung aus als ein Heiliges und zur Leitung der menschlichen Gesinnungen und Handlungen göttlich Bestimmtes erkannt wird. Hier nun stellt sich vor allem Anderen das Zwiefache dar, das kirchliche Aufsichtsamt und das staatliche Herrscheramt. Knüpft sich der Cheokratismus an das erste: so entsteht der Hierarchismus, oder der Grundsaß, über die Kirche, vermöge der äußerlichen Autorität des Klerus, zu gebieten. Schließt sich der Theokratismus an das Herrscheramt im Staate an: so entsteht der Cåsareopapismus, oder die Lehre, daß der Herrscher als solcher das kirchliche Leben, auf eine im Wesent lichen gleiche Weise mit dem bürgerlichen, geseßlich zu leis ten habe.

Erstes Kapitel.

Vom Hierarchismus.

S. 1.

Der Hierarchismus ist diejenige Auffassung der Bedeutsamkeit des Lehr- und Hirtenamts, durch welche der menschliche Ausspruch über das Wort Gottes hinausgehoben und zu einem den Glauben beengenden Geseze gemacht wird.

Die Entwickelung dieser ersten Form des Theokratismus muß damit beginnen, vor der Verwechselung des Hiers

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