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Form zu stark hervortritt, wie denn des Stoffs dieser Art hier viel vorhanden ist. Dafür aber ist jeder Haupttheil so verständig in Unterabtheilungen geordnet, es wird in jedem Abschnitte so besonnen auf das Prinzip der Gegner geachtet, und die Bekämpfung ihrer Säße geschieht mit so vieler logischen Klarheit, Präzision und Sinn für die Schriftwahrheit, daß man das Studium dieses Werks noch jezt als ein Mittel theologischer Bildung empfehlen kann.

Nachdem dieser Höhepunkt erreicht war, stieg die Polemik mit raschen Schritten von demselben herab, wie denn die Gründe, aus welchen die theologische Gesinnung und Kraft sich seit den sechziger Jahren kaum gegen die Feinde der christlichen Religion vollständig zu waffnen für nöthig fand, so daß sie die Håretiker um so mehr aus den Augen verlor, hinlänglich bekannt sind.

Der Marburger Theolog Wyttenbach) (theologiae elenchticaé initia, 1763-65. 2 vol.) schloß sich an die dogmatische Ordnung der Lehren an, offenbar in Bezug auf den Begriff der Polemik ein Rückschritt.

Dasselbe that der göttinger Theolog Miller in seinem compendium theologiae polemicae, 1768, in welchem, bei dem redlichsten Willen, schriftmäßig über dogmatische Fragen zu urtheilen, dennoch die dogmatisch-eregetischen Gegengründe gegen die Behauptungen der Gegner allzu abstrakt, formal und vereinzelt dastehen, um eine gründliche Einsicht in das Ganze und Innere eines Irrthums zuzulassen,

Zehn Jahre später erschienen Johann Friedrich Gru ner's institutionum theologiae polemicae libri sex, unmittelbar nach dem Tode des Verfassers, der während des Drucks starb, im Auftrage desselben von Georg Christiap Knapp herausgegeben, Halle 1778. Das ausführlich und fleißig gearbeitete Buch, das leßte Handbuch der Polemik, trägt durchaus den Beweis in sich, warum es das lezte sein konnte, ja mußte. Von der blos dogmatischen Methode ist der Verfasser zwar frei, aber auf eine blos negative

Weise. Er geht die Parteien und Sekten in einer gewissen historischen Ordnung durch, aber die Behandlung ist kritisch ohne feste theologische Prinzipien. Während Geschichte und Literatur übermäßig viel Raum einnimmt, wird die Behandlung der Kontrovers selbst meist auf etwas ziemlich Unbe deutendes reduzirt. Die Neigung, zwischen kirchlicher und biblischer Lehre zu unterscheiden, ist schon stark, und wird meist ungerecht zum Schaden der ersten geübt, während doch für eigentliches Ergründen und Begreifen der biblischen Lehre wenig oder nichts gethan wird. So sehen wir hier denjes nigen Supernaturalismus, der sich formal und negativ im Bestreiten kirchlicher Bestimmtheit übt, und eben deshalb keinen wahren Grund in sich hat, warum er selbst in dieser Form einer Polemik da zu sein brauche, da sich diese einzelnen Kritiken, Scholien und Bemerkungen viel besser in der Geschichte oder Symbolik, allenfalls auch in der Dogmatik, håtten anbringen lassen.

Mit diesem Werke begann die Polemik wie auf einmal, und dennoch vorbereitet genug, ihren langen todtenähnlichen Schlaf. Volborth's zu Göttingen primae lineae theologiae historico - polemicae 1790 sind nur ein literarhistorischer Abriß *).

Die römisch-katholischen Polemiker haben bis über die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts fortgefahren, die Polemik in veralteter Form der speziellen Apologetik des tridentinischen Lehrbegriffs zu behandeln. Erst seit dieser Zeit haben Tentscher (Institutiones polemicae Prag, 1767) und Gazzaniga (Theologia polemica. Vindob. 1779. Mogunt. 1783) diesen Weg auf eine gebildetere Weise betreten.

*) "Friedr. Sam. Bock's Lehrbuch für die neueste Polemik, Halle 1782, scheint nur eine Uebersicht der damals neuen Veränderungen der theologischen Lehrart enthalten zu sollen.

Allgemeine Polemik.

Die allgemeine Polemik behandelt den kirchlichen Irrthum in allen denen Beziehungen, in welchen er noch nicht als ein besonderer erscheint, sondern als Irrthum im Allgemeinen der Wahrheit, wie sie in der Kirche ist, sich entge genstellt, und von der Kirche bekämpft werden muß. Hieraus ergeben sich zwei Hauptaufgaben der allgemeinen Polemik, die eine, den Irrthum überhaupt zu begreifen als in der Kirche seiend, die andere, die Bestreitung des Irrthums als eine kirchliche nach ihren wesentlichen Merkmalen darzustellen.

Erstes Kapitel.

Vom kirchlichen Irrthum überhaupt.

Da der kirchliche Irrthum eine besondere Gestalt des menschlichen Irrthums überhaupt ist: so bedarf es einer Darstellung dessen, was den kirchlichen Irrthum von allem anderen Irrthum unterscheidet. Da er auf eine gewisse Weise zwar immer ist in der Kirche, aber auf eine der Erkennbarkeit und Bestreitung fähige nur unter gewissen Bedingungen hervortreten kann: so müssen diese Bedingungen dargestellt

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werden. Da nur seine Ausbildung und die Art seiner Wirkung in der Kirche sein Verhältniß zur Wahrheit in der Kirche vollständig aufschließt: so muß diese Wirkung in's Auge gefaßt werden. Wir erhalten also drei Abschnitte : 1) Vom Wesen des kirchlichen Irrthums. 2) Von der Entstehung des kirchlichen Irrthums. 3) Von der Wirkung des kirchlichen Irrthums.

S. 1.

Das Wesen des kirchlichen Irrthums besteht in demjenigen Scheine der Wahrheit, den die Kirche, in: sofern sie nicht ganz bei Christus bleibt, durch die in der Welt wirksame Lüge in ihrer Mitte entstehen läßt.

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Aller Irrthum ist ursprünglich Abirren von der dem menschlichen Denken vorgeschriebenen Bahn. Die unserem Denken vorgeschriebene Bahn ist die Auffassung aller uns durch unsere von Gott angewiesene Stellung zur Betrach tung kommenden Dinge in Gott, d. h. in ihrer Beziehung zu dem offenbaren, lebendigen und alleinguten Herrn, Schepfer und Erhalter der Dinge. Irrthum tritt ein, wenn die Gedankenthätigkeit des Menschen das Bewußtsein, nur durch Bleiben in Gott Wahrheit und Leben zu haben, sich durch das Hervortreten des Selbstischen verdunkeln läßt, und, gend ein Kreatürliches, wie es die Selbstsucht anregt, in einem unwahren Verhältnisse auffassend, die wahre Beziehung der Dinge und besonders des Menschen zu Gott sich verdunkeln läßt. Aller Irrthum ist also ursprünglich religiöser Irrthum, und die Annahme einer Uroffenbarung, wie die heilige Schrift davon Kunde giebt (Gen. 1. 2.), eines dem erschaffenen Menschen leuchtenden Gotteslichtes, welches beides, innerlich und äußerlich, war, und aus welchem der Mensch freiwollend, obschon berückt, herausgetreten ist, ist ein genügender Aufschluß über die Entstehung des Irrthums.

Diesen Urirrthum vorausgesetzt fand nun keine ganz lebendige und reine Zusammenstimmung der Gedanken über Gott mit denen über die Welt mehr Statt, und hieraus ergeben sich zwei Hauptklassen des Irrthums, wie sie aus dem ursprünglich religiösen Irrthum entsprangen, der religiöse Irrthum im engeren Sinne, der in fortgeseztem Trennen der Gedanken über Gott von dem nie ganz dem Menschen entzogenen göttlichen Lebenslichte besteht, und der weltliche Irrthum, der in fortgeseßter Losreißung der Gedanken über die Dinge von ihrer Beziehung auf Gott besteht. Die Erhaltung dieses doppelten Irrthums in der Welt denken wir uns nach der Schrift als das Werk des Satans, des Vaters der Lüge, jenes unsichtbaren Gottesfeindes, welcher, in dieser Feindschaft sich nur durch Lüge halten könnend, die Lüge als sein Eigenes von sich ausgehen läßt, und durch die Lüge in dem Menschengeschlechte, welches sich einmal für sie empfänglich gemacht hat, die Macht aller Arten von Irrthümern unterhält, und dadurch, und zwar dadurch allein, seine Herrschaft gründet über die Welt, d. h. die von Gott abgewandte, aus Gottes Gemeinschaft herausgetretene Menschheit. (Joh. 8, 41-44. Joh. 14, 30. Ap. 26, 18, in allen drei Stellen Worte Christi.) Denn wie jeder Sünde eine verborgene Lüge zum Grunde liegt: so erzeugt auch die Lüge allein und immer die Sünde. In dieser Herrschaft des Satans liegt aber nicht, daß alle Menschen, die ganze Welt, obwohl sie im Argen liegt (1 Joh. 5, 19) als solche schon mit Bewußtsein der Lüge diene, sondern sie ist die Betrogene von fremder Lüge, und wird die Lüge so lange für Wahrheit und Wesenhaftigkeit halten, und mehr von ihr leiden, als sie thun, bis die Wahrheit, in sichtbarer Gestalt und zugleich göttlich geistiger Kraft ihr erscheint. Wann und wo dies geschieht, spaltet sich die Menschheit in Kinder Gottes und Kinder des Teufels (1 Joh. 3, 10), jene sich an die offenbare Wahrheit vertrauend anschließend gegen den Jrrthum, wie er ihnen nun als Lüge erschienen, diese auf die

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