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Vorstellung von der Einwirkung auf die Seelen im Fegs feuer.

Der Ablaß ist nach den Erklärungen römischkatholischer Schriftsteller der Nachlaß gewisser Kirchenstrafen, welche um irgend eines schon erreichten Erfolgs in der Seele des Gestraften willen oder in Bezug auf seine Bereitwilligkeit zu gewissen guten Werken, unter Bedingungey (und das sind dann eben gewisse gute Werke) ihn nun nicht mehr treffen sollen. Und daß die Kirche Strafen auflege und daß diese Strafen nach und nach erleichtert und am Ende nur in die weniger mühsame Verrichtung gewisser vorgeschriebenen Werke verwandelt werden: das scheint ja auf den erßen Blick gar unverfänglich zu sein. Allein gerade in dem hierarchistischen Begriffe von Kirchenstrafen als unter göttlicher Autorität verhängten eigentlichen Strafen liegt das Verderbliche in der Lehre vom Ablasse. Weil es, wie oben gezeigt worden, nicht möglich ist, den Begriff von göttlich-zeitlichen Strafen schlechthin von dem Begriffe ewiger göttlicher Strafen zu sondern, und weil jede Aufhebung göttlicher Strafen zugleich Aufhebung der ewigen Strafen ist: so ist es unvermeidlich, daß der Nachlaß der zeitlichen und kirchlichen Strafen (die den göttlichen gleich gestellt werden) auch den Gedans ken crzeugt, daß die göttlichen Strafen überhaupt nachgelassen werden durch das im Ablasse vorgeschriebene Werk. Je weniger auf der einen Seite (durch ein hier fast unvermeidlich hinzutretendes ergistisches Element vgl. S. 119 u. f.) der Glaube als dasjenige in jeder Buße augesehen wird, wodurch dem Gliede der Kirche die allgemeine Vergebung der Sünden, deren es als Wiedergeborener sich erfreut, auchy nach jeder erneuerten Uebertretung im Besonderen wieder zu Theil wird, und je mehr auf der anderen Seite ein einzelnes Werk, unter dessen Bedingung der Ablaß ertheilt wird, ihm wichtig gemacht wird: desto verderblicher entwickelt sich der Gedanke, daß dieses einzelne Werk als solches es sei, woran die Vergebung dieser oder jener Sünde hange. Diesem

Uebel könnte nur vorgebeugt werden, wenn die Kirchenstrafen als das, was sie sein sollen, als innere und äußere Wiedervereinigungsmittel mit der Kirche, wirklich auferlegt werden und dann zur rechten Zeit ganz erlassen würden. In dem Maaße aber als die gesunde und gemäßigte kirchliche Zucht selbst vernachlässigt und dann Ablässe für überwiegend äußere Werke, als Wallfahrten und Gebete an bestimmten Or ten (nicht einmal in Anschlag gebracht, daß auch Geldspenden darunter vorkommen) ertheilt werden: in demselben Maaße wächst die niedrige Schäßung der Religiosität nach der Summe und Form der äußerlichen Werke, und dieses Ergebniß fållt alsdann zusammen mit den schlimmsten Absichten des Hierarchismus, den Gemüthern der Kirchenglieder das Aeußere Außerlich zu gebieten, um selbst einen überwiegend äußeren Zweck zu erreichen *).

Auch die nicht schriftmäßig, wenn auch nicht schlechthin schriftwidrig, entstandene Vorstellung eines Reinigungsortes für die abgeschiedenen Geister derer, die in einem sehr unvollkommenen Stande der Heiligung diese Welt verlassen haben, bringt der Hierarchismus mit seiner Lehre von göttlich - zeitlich- kirchlichen Strafen in eine Verbindung, welche nicht anders als theils beunruhigend, theils falsch beruhigend auf die Frömmigkeit wirken kann. Das Fegfeuer soll nämlich der Ort sein, in welchem sich die Seelen der nicht genug gereinigten Gläubigen befinden, um eine gewisse Summe von Strafen auszustehen, die als Rückstand der hier noch nicht erlittenen zeitlichen Strafen abgebüßt wer

*) Vgl. Baur der Gegensatz des Katholizismus und Protestantismus 1. Ausg . 262-273 die treffliche Ausführung ge gen Möhler, wo zugleich die Aeußerungen des catechismus romanus über Uebertragung der Satisfakzionen des Einen auf den Anderen erörtert werden. Vgl. Bossuet art. 8 Souvent même il (Dieu) reçoit les satisfactions, que nous lui offrons les uns pour les autres.

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den müssen, zu deren Verkürzung aber die Werke der Leben, den, sowohl derer selbst, die diese Pein zu erwarten haben, als derer, die an dem Schicksale der schon im Fegfeuer Bes findlichen liebevollen Antheil nehmen, wirken können *).

Daß nicht alle Seelen, welche sich unmittelbar nach dem Tode an dem Orte einer gewissen Pein befinden, deshalb schon der ewigen Verdammniß anheim fallen, daß es auch für solche noch eine Probe des Glaubens geben könne, vermöge deren Bestehung sie Vergebung der Sünden auch in jener Welt erlangen können: dies ist eine Vorstellung, welche, wenn auch nicht durch ausdrückliche Stellen der Schrift erweisbar, dennoch durch das Ganze derselben und durch den Blick auf die verhältnißmåßig geringen Mittel, zum Glauben zu gelangen, deren Viele sich in diesem Leben erfreuten, wahrscheinlich wird. Aber Gläubige, d. h. solche, die durch den Glauben an Jesus Christus hier Vergebung der Sünden erlangt haben, und gerechtfertigt worden sind, können als abgeschiedene Geister nicht an einem Orte der Pein sein, wenn auch zugegeben werden muß, daß ihr Zu stand die mannichfaltigsten Grade der Seligkeit zuläßt, und daß die zwischen dem Tode und der Auferstehung Statt fins dende Seligkeit selbst mit einem gewissen schmerzhaften Ge fühle der Nothwendigkeit, noch von anhaftenden Flecken frei zu werden, verbunden sein könne.

Das Erste, was demzufolge der oben dargestellten Lehre vorzuwerfen ist, ist die Verwischung des Unterschiedes zwis

*) Bellarmin t. 2. lib. 1. c. 1. Bossuet art. 8. Ceux, qui sortent de cette vie avec la grace et la charité, mais toutefois redevables encore des peines que la justice divine a réservées, les souffrent en l'autre vie. C'est ce qui a obligé toute l'antiquité chrétienne, à offrir des prières, des aumônes et des sacrifices pour les fidèles, qui sont decédés en la paix et en la communion de l'église, avec une foi cortaine, qu'ils peuvent être aidés par ces moyens.

schen Gläubigen und Ungläubigen, so daß einerseits solche, denen ein Zustand überwiegender Pein bereitet ist, für Glåubige gehalten werden (und also auch insofern der Glaube an Christus als unfähig, das Strafverhältniß des Menschen zu Gott im Ganzen aufzuheben, betrachtet wird), andererseits diejenigen, die nur nicht in höherem Grade Gottlose waren, schon eben deshalb, nach der Zwischenzeit des Fegfeuers, als Erben der Seligkeit angesehen werden. Hierz aus entwickelt sich einerseits die falsche Vorstellung, daß diez jenigen Entbehrungen, Schmerzen oder Unvollkommenheiten des Zustandes, welche wir uns bei den gläubig Entschlafenen doch nur als die von ihnen selbst als nothwendig erkannten, weise und heilig geordneten Entwickelungen ihres schon sez ligen Innern denken können, müßten als Strafen hinweggethan, und als Hinwegzuschaffendes von Fürbitte Thuenden könnten in's Auge gefaßt werden, andererseits die Vorausseßung, daß auch nichtgläubige Abgeschiedene, also außer halb der mystischen Gemeinschaft der Kirche des Herrn Befindliche, durch das Gebet Anderer können zu einem Leben gebracht werden, dessen Vorhandensein doch erst die Bedingung einer erfolgreichen, wechselseitigen Fürbitte ist. Diesem Zwiefachen stellt sich entgegen, daß für die selig im Glauben Abgeschiedenen nicht gebetet zu werden braucht, ebwohl die Gemeinschaft mit ihnen auch durch unser Gebet und den darin enthaltenen Dank gegen Gott für sie kann und wird unterhalten werden; für die ungläubig Abgeschie denen aber kann nicht gebetet werden, da die Gesinnung in ihnen nicht vorhanden ist, vermöge deren eine Gemeinschaft des Geistes mit ihnen Statt finden könnte. Bleiben nun vollends die Werke, welche man für die Seelenruhe der Abgeschiedenen glaubt verrichten zu müssen, nicht bei Gebeten stehen, werden Almosen, Seelenmessen, und Leistungen, für welche Ablaß ertheilt wird, dafür angesehen, daß sie die Seelen aus dem Fegfeuer befreien, so ist abergläubische Werkgerechtigkeit unvermeidlich. Der Gedanke endlich, sich

seine eigene künftige Pein im Fegfeuer durch einzelne äußerlich verrichtete Werke zu verkürzen', enthält eine solche Verwirrung und ein solches Verschwundensein des Vertrauens auf die heiligende Kraft der im Glauben ergriffenen Gnade Jesu Christi, daß man hierin den äußersten Punkt erkennen kann, bis zu welchem auch bessere Seelen durch die Irrthüs mer des Hierarchismus verdunkelt werden können.

Zweites Kapitel.

Vom Cásareopapis mus.

S. 1.

Der Cäsareopapismus ist der Irrthum, nach welchem die obrigkeitliche Einheit des Staats auf eine die innere Lebendigkeit der christlichen Kirche beeinträchtigende Weise im Kirchenwesen geltend gemacht wird.

Der Casarcopapismus ist die andere Form des Theokratismus, welche dem Hierarchismus gegenübersteht. In demselben Maaße als die Unchristlichkeit und Verderblichkeit des hierarchistischen Prinzips empfunden wird, ohne daß deshalb der theokratistische Trieb, vermittelst göttlichen Ansehns die Kirche überwiegend äußerlich zu regieren, aufgehoben ist, entwickelt sich die Neigung, die Kirche vermittelst des obrigkeitlichen Ansehns blos gefeßlich zu leiten. Derselbe Geist der Herrschsucht, insofern er die hierarchistische Form hat aufgeben müssen, flüchtet sich in den Cåsareopapismus, und bildet, im unklaren Zusammenhange mit wahren Gedanken und geschichtlichen Verhältnissen, sich zu einem mehr oder minder auch theoretisch festgehaltenen Irrthum aus.

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