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Staatsentwickelung aufzulösen strebt: so ist er eigentlich beiden Elementen gleich feind, weder reinkirchliche Einheitspunkte noch synodalische Lebensäußerung will er, sondern eine Entkräftung beider durch das übel gefaßte Staatsinteresse *). Im deutschen Protestantismus, welcher auf gróßere Einheitspunkte von Anfang an weniger gerichtet war Cobwohl das Amt der Pastoren, besonders der Hauptpastoren in größeren Städten, und dann auch das der Superintendenten, von ihm unter diesem Gesichtspunkte gefaßt wurde), mußte sich der Cåsareopapismus vorzüglich gegen die Entwickelung des presbyterialischen Elements richten, obwohl das Zurückbleiben desselben in den früheren Zeiten auch andere theils unschuldigere, theils mehr hierarchistische Gründe eben in der Auffassung des Pastorats hatte.

Der Begriff des Presbyterats entwickelt sich in der Apostelgeschichte vor unseren Augen. Es ist der sich an die reinere synagogische Form anschließende solcher Männer, die, als eine brüderlich und im Geiste Christi verbundene Gesammtheit, das Gesammtleben einer Gemeine, als anerkannte Organe des sie belebenden Geistes, leiten. Durch das Amt der Diakonen haben die Presbyter ein Vermittelungsglied mit der Vielheit der Gemeinglieder und ihrer individuellen Bedürfnisse. Deshalb das Synodalwesen der alten Kirche auch nichts Anderes als eine natürliche gegenseitige Anzies hung des Presbyterialelements der verschiedenen Gemeinen war, eine äußerliche Erscheinung des die ganze Kirche durchdringenden Vertrauens, der Zusammentritt ihrer Bischöfe

* In dieser Beziehung schon zeigt sich das großbritannische Staatsprinzip als nicht wesentlich cäsareopapistisch, da es die Bischöfe in England und die Synoden in Schottland stehen läßt. Die Kämpfe in England beruhen auf einem tieferen hierarchisch-aristokratischen und independentisch-demokratischen. Gegensate, in welchen freilich das Verhältniß der Kirche zum Staate hineinwirkt.

und Presbyter werde nicht anders als zur Leitung ihrer gemeinsamen Angelegenheiten von dem Herrn der Kirche gesegnet sein *). Dieser reine Gang der Entwickelung des kirchlichen Lebens wurde weniger dadurch gehemmt, daß die Bischöfe mit bedeutendem Vorrange an die Spize der Presbyter traten, als dadurch, daß die Presbyter sammt den Diakonen schlechthin als Kleriker angesehen wurden, während gerade hierin eine wesentliche Seite des Instituts lag, daß der Unterschied von Klerikern und Laien in Presbytern und Diakonen vermittelt war. Der Begriff der Presbyter, die den Bischof umgaben (mochte dieser ein fürstlicher Prålat oder ein Pfarrer sein, dies war in dieser Beziehung einerlei), ist immer geblieben, nur wurde er im Mittelalter immer strenger hierarchisch in der Form theils der untergeordneten Grade des Klerikats, theils der Kapitel ausges bildet, und in einem großen Theile der protestantischen Kirchen wurde er bis zum Begriffe eines für bloße Aeußerlichkeiten sorgenden Kirchenvorstehers herabgedrückt. Hier ist der Punkt, wo sich die Einwirkung des Cåsareopapismus verstehen läßt. Fürchtend den aus den Gemeinen hervors gehenden kirchlichen Repräsentazionsgeist, welcher sich von selbst zum Synodalwesen entwickelt, hindert er die Organis sirung der Gemeinen durch das Presbyterat, und unterwirft die Kirche nach unten, d. h.. die einzelnen Gemeinen, ausschließlich dem Ansehn des Pastorats, während er dieses durch obrigkeitliche Einwirkungen von dem, was ihm zu viel Macht zu sein scheint, zurückzuhalten sucht. Jemehr nun das Pastorat nach obenhin nur durch solche Vorgeseßte, die durchaus vom Staate abhängig sind, mit dem Ganzen der kirchlichen Bewegung in Berührung steht: destomehr nåhert sich der Zustand den Wünschen des Căsareopapismus, nåm

*) Ueber die wahrscheinliche Theilnahme der Presbyter and Diakonen an den Synoden im 2ten und 3ten Jahrh. vgl. Planck Christlichkirchliche Gesellschaftsverfassung Th, 1. S. 95.

lich daß von der Kirche nicht anders die Rede sei als von einer Staatsanstalt zur Befriedigung des Religionsbedürfnisses der Unterthanen.

Eine natürliche Folge dieses Verfahrens, wodurch zus nächst die kirchliche Lebendigkeit der einzelnen Gemeinen, ihr Interesse am Leben der Gemeine, die Entwickelung der Geis stesgaben und Liebeskräfte zum Besten des Ganzen gehemmt wird, ist die Behandlung der Pfarrer als bloßer Staatsdiener. Da der Cåsareopapismus die eigentlich kirchliche und seelsorgerische Bedeutung des Pfarramts verkennt und geringschäßt: so findet er es sehr in der Ordnung, daß die, welche nach seiner Ansicht sonst wenig nüßen würden, mit' einer Menge ihrem Amte heterogener, zum Theil blos polis zeilicher Geschäfte beauftragt werden, durch deren Abwartung das ächte theologische Leben der Pfarrer, und die, Muße und Entlastung des Geistes erfordernde, Wechselwirkung der Theologie und des Amtslebens bedeutend erschwert wird.

In Ansehung der Behandlung der einzelnen Bürger und ihrer religiösen Anlage schwankt der Cåsareopapismus zwischen einem Zuviel und Zuwenig von Forderungen und Zugeständnissen. Denn indem er auf der einen Seite die Res ligiosität seiner Bürger fördern will (und das ist gerade die gute Seite, durch welche er sich noch an der Idee des christlichen Staats festhålt), versieht er es darin, daß er auf seine, d. i. mehr oder minder geseßliche, durch Belohnungen und Strafen einwirkende, Weise dasjenige hervors rufen will, was nur Werk des heiligen Geistes durch das Wort Gottes sein kann. Dahin gehört der Besuch des Gottesdienstes (es sei denn bei politischen Veranlassungen), der Genuß des Abendmahls zum Zwecke der Erlangung politischer Rechte und Aemter. Auf der anderen Seite fürchtet er den freien Trieb der Gestaltung eigenthümlicher Gemeinschaften zur Erbauung, zur Ausbildung einer besonderen symbolischen oder Gefühlsrichtung oder zur Verfolgung praktisch - christlicher Thätigkeiten, und auf diese Weise geråth

er oftmals dahin, das christlich höchst Unschuldige zu verbieten und die kirchliche Besonderung um eines Krankhaften willen so gewaltsam zu hemmen, daß nun erst das Krankhafte sich recht erzeugt, während es, dem freien Herausstellen seiner selbst überlassen, sich bald würde erschöpft haben und wåre geheilt worden.

Es würde durchaus irrig sein, wenn man die bisher beschriebenen Verirrungen und Unterdrückungen des kirchlichen Lebens als in dem Wesen der sogenannten Konsistorialverfassung gegründet ansehen wollte. Derjenige wenigstens ist noch fern von dieser Behauptung, welcher sagt, daß der Cásareopapismus häufig an der Konsistorialverfassung Anlaß genommen habe, diese selbst verderbend, hervorzutreten. Die Konsistorialverfassung beruht auf dem Vertrauen der Kirche, daß gemischte Behörden, bestehend aus christlichen Theologen und christlichen Juristen, die Angeles genheiten einer Landeskirche zu leiten am besten im Stande seien, und daß die Einsetzung dieser Behörden von dem Fürsten ausgehen müsse. In dem Maaße nun als die Bes griffe christlicher Fürsten und Behörden, christlicher Theologen und Juristen, festgehalten und realisirt werden, ist das gegen nichts einzuwenden, und wird der Cäsareopapismus auch unter dieser Form umgangen und überwunden werden können. Freilich, insofern geurtheilt würde, dieses Recht gebühre dem Fürsten auch insofern er nicht Fürst eines christlichen Staates, noch selbst Mitglied der Kirche sei, und zu dieser Form gehöre die bleibende Ausschließung des synodalischen und presbyterialischen Elements, insofern würde diese Auffassung der Konsistorialverfassung schon selbst Eåsareopapismus sein, und in -Ansehung ihrer würden diejenigen Klagen gerecht sein, die schon Spener über die Zurücksetzung des dritten Standes, wie er es nennt, in kirchlichen Dingen, so bedeutungsvoll geäußert hat *). Uebrigens geht aus der

*) Vgl. Briefe über die Union. Vierter Brief. Spener Theolog.

Natur der Sache und aus der Geschichte z. B. dem Beis spiele von Schottland und Holland und einigen kleineren Ländern in Deutschland) zur Genüge hervor, daß das Vers hältniß der Kirche zum Staate, auch einem monarchischen, sich auch in der vorherrschend presbyterialischen Form fegenreich entwickeln könne; ja daß diese Form Früchte des christs lichsittlichen Lebens entwickelt habe, um derentwillen jeder christliche Staat diejenigen Lånder beneiden muß, denen ́sie zu Gute gekommen sind. Und dies ist um so beachtenswerther, weil auch die günstigste Entwickelung der Konsistorials verfassung als solcher immer nur die richtige Behandlung des Verhältnisses von Kirche und Staat darstellt, also immer noch die eigentliche Form des reinkirchlichen Lebens schuldig bleibt. Und die Keime von dieser liegen schriftmäßig und cinfach da in dem Presbyterat.

S. 3.

Der Cäsareopapismus lähmt und verwirrt die gesunde Bewegung der Kirche im Lehrbegriffe, im Kultus und in der Disziplin.

Würde die Kirche zu jeder Zeit von dem Geiste der wahren Rechtgläubigkeit in Bezug auf alle Hauptlehren des christlichen Glaubens getragen: so würde der Cåsareopapismus, obwohl selbst ein kirchlicher Irrthum, dennoch in die Entwickelung des Lehrbegriffs nicht störend eingreifen

Bedenken Th. 3. Art. 1. Dist. 3. Sect. 20. ed. 1708.,,Auch sehe ich nicht, wir mögen es bemänteln, wie wir wollen, daß wir den dritten Stand von allen denjenigen Officiis und Pflichten, so ihnen nach göttlicher Ordnung und Erempel der ersten Kirchen gehören, ausgeschlossen haben, daraus mehr Ungemach entstehet, als mit wenigem sich ausführen läßet." Vgl. Nitsch Theologisches Votum über die neue Hofkirchen Agende. Bonn, 1824. . 48. 49.

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