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können. Allein da andere Irrthümer und Schwankungen zwischen Wahrem und Falschem sich mit ihm berühren, da der Indifferentismus von der einen und der Literalismus, besonders der Orthodorismus, von der anderen Seite eine natürliche Verwandschaft mit dem Cåsareopapismus hat: so hat dieser auch eine Neigung, dem einen oder dem anderen, theils durch ausdrückliche Verbote, theils durch den Mangel an ernstem Eingreifen, Vorschub zu thun. Denn sobald bei Entstehung kirchlicher Lehrstreitigkeiten der Staat nicht die Partei ergreift, daß er beide Parteien an dem auf verfafsungsmåßigem Wege langsamer oder schneller, vollkommener oder unvollkommener, sich Bahn machenden kirchlich rechtgläubigen Bewußtsein als Parteien untergehen läßt; sobald er aus cåsareopapistischem Streben selbst in die unvollendete Entwickelung des kirchlichen Streits eingreifen will: so kann er nur in einen von beiden Fehlern verfallen, entweder er wirft sich mit seiner ganzen Autorität auf die Seite, welche den Buchstaben der Orthodorie für sich hat, und auch in dem günstigeren Falle, daß diese Seite noch nicht in Orthodorismus ausgeartet ist, bringt er nun diese Seite um die Reinheit ihres Sieges, und schadet ihrer Sache durch das Hinzutreten der weltlichen Macht und die dadurch hervorgelockten unreinen Motive *). Oder wenn die orthodore oder orthodoristische Partei dem Cåsareopapismus, von seinem irrigen Standpunkte aus, einer Seite des Staatsinteresses entgegenzutreten scheint: dann läßt sich der Cäsareopapismus leicht dazu hinreißen, durch Verbote fernerer Verhandlungen, ja sogar des Vortrags gewisser Lehren, deren Nichtwesentlichkeit für den kirchlichen Lehrbegriff zu behaupten von seiner Seite immer nur ein Machtspruch sein kann, den reinen kirchlichen Gang der Ausbildung des Lehrbegriffs zu hemmen und so mittelbar die Gesinnung derjenigen zu stärken,

* Eine folche Verbindung der Politik und der praktischen Po lemik war. B. in den Dordrechtischen Verhandlungen.

die alle Verwendung von Geisteskraft auf die Darstellung des Dogmas für thöricht halten *).

Die Formen des Kultus als der Ausdruck des Heiligsten und Lebendigsten in dem Gemeinleben der Kirche machen es jeder kirchlichen Behörde zur Pflicht, mit eben so fester Hand willkührlichen Neuerungen der Individuen zu wehren, als die durch die Entwickelung des Ganzen rein, übereinstimmend und beharrlich ersehnten Fortbildungen in's Werk zu richten. Und dieser doppelten Pflicht kann auch das staatliche Kirchenregiment dadurch entsprechen, daß es vermittelst der verfassungsmäßigen Organe der größeren kirchlichen Abtheilungen sich mit dem Sinne, dem Bedürfnisse, den besonderen Verhältnissen der Gemeinen vertraut macht, und so aus dem Zusammenwirken der Behörden und der Gemeinen das Werk hervorgehen läßt. Cäsareopapistisch dagegen ist das Verfahren, welches, mit Umgehung dieser achtungswürdigen Stimmen, entweder Neuerungen gleichgültig und fahrlässig geschehen läßt, oder wohlthätige und heilsame Veränderungen hindert, oder endlich ein unvorbereitetes Neues gebietend einführt.

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Was die Kirchendisziplin betrifft: so ist ihr Verschwinden aus dem größten Theile der protestantischen Kirche durchaus nicht allein cåsareopapistischen Gründen zuzuschreis ben. Gewiß aber ist es, daß der Cåsareopapismus da, wo er herrscht, dieses Verschwinden, soweit es noch nicht vollendet ist, begünstigen, und das Wiederaufkommen der Kirchendisziplin hindern wird. Denn da der Begriff der Kirchendisziplin wesentlich auf einer tiefen Erkennung des Un

*) Oft freilich wird die Gränzlinie zwischen rechtmäßiger Un terdrückung ertravaganten aufregenden Streits und unreinem Eingriffe in den Gang der Kontrovers nicht leicht zu ziehen sein. Aber die Geschichte giebt Beispiele genug, wo sie er: kennbar war, und dennoch nicht erkannt wurde.

terschiedes von Kirche und Staat beruht, da nur eine zarte Auffassung dessen, was das religiössittliche Ehrgefühl der Kirche verlangt, den Schein von Härte, der im Begriffe der Kirchendisziplin liegt, vernichten kann: so ist eine căsareopapistische Ansicht, die von allem diesem nichts will, gånglich unfähig, in der Kirchendisziplin, deren innerstes Wesen Liebe zur Kirche und Verlangen nach ihrer Reinheit ist, etwas Anderes als Herrschsucht und geistlichen Stolz zu sehen. Da der Cåsareopapismus die Glieder der Kirche nur als die Bürger des Staats, insofern sie religiös sein sollen, ansieht: so urtheilt er auch, diejenige bürgerliche Ehrbarkeit und sichtbare Religiosität, die ihm als Staat genügt, müsse nothwendig auch der Kirche genügen. Davon hat er keine Vorstellung, daß jemand, den er allerdings zu ehren Ursache und Recht hat, doch von Seiten der Kirche, `z. B. wegen ausgesprochener Verachtung des Evangeliums Jesu Christi, von dem vollen Genusse ihrer Güter müsse abgehalten werden, und kaum davon einigermaaßen, daß die Kirche jemanden, den der Staat zu strafen Recht und Pflicht hat, dennoch, wegen ihrer Ueberzeugung von der Aufrichtigkeit seiner Buße, schon könne wieder als ihr vollberechtigtes Glied ansehen. Indem er nun scheut sich selbst die Aufgabe zu stellen, den unter Kirchendisziplin Gefallenen doch in voller bürgerlicher Ehre zu erhalten (eine schwierige, wiewohl nicht unausführbare Aufgabe): so traut er auch den Versicherungen der Kirche nicht, daß sie nicht schaden, nicht herrschen, nicht verderblich eingreifen, daß sie nur leben wolle als ein dem Herrn in wachsender Reinheit angehöriges Ganzes. Und doch ist es dieses in die Kirche gesezte Vertrauen in aller Macht der Wahrheit und der Liebe, durch welches das Verhältniß von Staat und Kirche erst seiner Vollendung entgegen gehen würde.

Unter solchen Umständen ist es nur von der Anschauung lebendiger kirchlicher Ganzen, welche Kirchendisziplin ausüben, zu erwarten, daß die Macht der Vorurtheile gegen

diesen Beruf der Kirche werde gebrochen werden. Und diese Anschauung können in dem gegenwärtigen Zustande der Kirche vielleicht nur die größeren kirchlichen Gemeinschaften in Nordamerika gewähren, die wenigstens von dieser Seite eine reine und wahrhaft freie Entwickelung des christlichen Protestantismus vor Augen stellen.

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