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Seite der Lüge tretend, es nichts achtend, daß sie den Irrthum und die Sünde in ihnen erzeugt, und eben damit auch gegen die Wahrheit Partei nehmend. Sofern die Wahrheit noch nicht erschienen, ist aller Irrthum und alle Sünde gleichfam nur Unwissenheit, welche Gott übersehen will (Apost. 17, 30), wofern nur die in Christus erschienene und als solche verkündigte Wahrheit nunmehr angenommen wird.

Mit der Verkündigung und Annahme der christlichen Wahrheit, wie sie in Jesus Christus ist, ist auch die christliche Kirche gegeben, und nun kann es erst einen kirchlichen Irrthum geben. Zwar die Kirche, d. i. die Gemeinschaft der Gläubigen mit Christus und untereinander, als solche kann den Irrthum nicht hervorbringen, vielmehr trågt fie durch die Gemeinschaft des Geistes Christi, in dem sie steht, die Kraft in sich, den religiösen Irrthum, der in ihren Gliedern noch von dem Zusammensein mit der Welt her ist, je långer je mehr aufzuheben. Allein der Irrthum ist doch von Anfang in der Kirche, insofern sie mit der Welt im ́Zusammenhange steht. Jedes Glied der Kirche war vor seinem bewußten Eintritt in dieselbe durch den Glauben (denn der Eintritt der Kinder ist ein unbewußter) in irgend einem Maaße so der Welt angehörig, daß es auch seinen Antheil an ihrem religiösen Irrthum hatte, und wenn es zwar durch den Eintritt in die lebendige Gemeinschaft der Kirche im Allgemeinen vom-religiösen Irrthume frei wird: so doch schon deshalb nicht absolut, weil der religiöse Irrthum mit dem weltlichen zusammenhängt. Ist hiedurch nun ein Residuum religiösen Irrthums in der wirklichen Kirche gegeben: so läßt sich daraus doch noch nicht der kirchliche Irrthum bes greifen, vielmehr erscheint das Verhältniß bis jezt nur als das allmålige Verschwinden des religiösen Irrthums durch den in der Kirche wirksamen Geist der Wahrheit.

Aber die Kirche ist nicht allein noch mit religiösem Irrthum behaftet, sondern sie ist auch nicht völlig treu in ihrem Bleiben bei Christus. Sie weiß zwar um die Noth

wendigkeit, in ihrer Gedankenbildung bei Christus und seinem Worte zu bleiben, weil sie weiß, daß nur in dieser Gemeinschaft das Leben ist, aber ihre Demuth, Wachsamkeit, Selbstverleugnung, Lauterkeit, mit Einem Worte ihre Treue, ist nicht groß genug, um den Gefahren, welche für sie durch das Zusammensein mit der Welt Statt finden, soweit zu entgehen, daß ihr Irrthum stets nur verschwände, und sich gar nicht von neuem innerhalb der Kirche zu organisiren suchte. Dieses Organisiren ist es, wozu die Welt, als in welcher die Lüge wirkt, und unter dem Vater der Lüge stehend, die Kirche unaufhörlich versucht, indem sie demselben den Schein von Wahrheit und Recht giebt. Die Welt, insofern sie, nach dem Erschienensein der göttlichen Wahrheit in Christus, sich mit mehr oder minder Bewußtsein in die Macht der Lüge begiebt, und mit ihrem Fürsten ein geistiges Ganzes bildet, haßt die Wahrheit, die in Christus und Chris stus selbst ist, und sucht sie zu trüben, zu verkehren, zu vers tilgen, soweit es möglich ist, (Joh. 7, 7. 8, 38, 40, 44. 15, 18, 19.). Da ihr nun dies in der Art nicht möglich ers scheint, wie sie es zur Zeit Christi durch das Lödten desselben zu erreichen suchte; da auch das Lödten der Glieder der Kirche, welche die Wahrheit am meisten in sich tragen und am freiesten bekennen, in unzähligen Fällen das nicht hinwegschafft, was eigentlich der Gegenstand des Hasses der Welt ist, nåmlich den sich in der Wirklichkeit des Lebens bewährenden Glauben an die Wahrheit, und da überhaupt die hassendste Wirksamkeit der Welt weniger auf das äußere Lödten als auf das geistige Vernichten der Wahrheit und Lauterkeit in der Kirche ausgeht: so wirkt die Welt (immer ihren Fürsten hinzugedacht, aber auch nie ihn allein) durch Lüge, das Wort ganz eigentlich genommen, d. h. durch Ableugnung, Entstellung, Beraubung der Wahrheit, erschütternd und ångstigend auf die Kirche. Da die Kirche nicht völlig treu und in Christus ist: so ist sie auch nicht klar und wacker genug, um die Lüge der Welt jedesmal vollständig als Lüge

zu erkennen, und indem sie die Lüge (obwohl sich, durch ihre Schuld, nicht bewußt, daß sie Lüge sei) auch nur in irgend einem Punkte als Wahrheit gelten läßt, erhält der in ihr von ihrem alten Zustande her noch nicht gänzlich ausgetriebene religiöse Irrthum Kraft, sich scheinbar als Wahrheit dem kirchlichen Bewußtsein einzupflanzen, beizumischen, an die Seite zu stellen, und dieser Schein, der durch die Lüge auf den religiösen Irrthum geworfen wird, ist der kirchliche Irrthum. Denn nunmehr ist der Irrthum nicht mehr in der entschiedenen Schwäche eines geschlagenen und sich zurückziehenden Feindes, welches eigentlich sein natürlicher Zustand in der Kirche ist, sondern er tritt auf mit dem Anspruche auf kirchliches Recht, auf christliche Wahrheit, auf religiöse Gedankenbildung, und sobald er diesen Anspruch in einer gewissen Gemeinschaftlichkeit solcher ausübt, die offenbar ihrer Grundgesinnung nach Glieder der Kirche sind, so wird er kirchlicher Irrthum, insofern die Kirche ihn als in ihr selbst vorhanden und von den Kräften ihrer Glieder getragen erkennen kann. In jedem kirchlichen Irrthume sind also die beiden Faktoren zusammenwirkend, die Lüge der Welt und die Schwäche der Kirche. Daß die Kirche nur schwach und irregeführt ist, giebt die Zuversicht, daß sie werde geheilt werden können. Daß die Kirche in jedem kirchlichen Irrthume von der Lüge des Satans und der Welt betrogen ist, zeigt die Unmöglichkeit, daß die Håreste anders als mit der vollen Macht der Wahrheit und des in ihr lebenden Geistes Gottes überwunden werden könne *). Denn so ernst

*) Matth. 13 v. 38 u. 39 als Erklärung von v. 25. Denn wenn zwar die vioì τov novηgoυ nicht die irrenden Glieder der Kirche sein können, weil jene gar nicht in der Kirche sind: so kann man sich doch die Thätigkeit der vioì Tov Tоvηgoй in der Welt, mit welcher die Kirche sich berührt, gar nicht anders denken, als so, daß in den weniger treuen Gliedern der Kirche die Neigung zum Frrthum erzeugt wird.

haft ist jeder kirchliche Irrthum, daß der ihn für nichts Achtende eben dadurch, daß er sich so darüber hinwegseßt, schon in einem bedeutenden Grade von der Lüge sich abhängig macht.

Allein die Vorausseßung, daß die Kirche den kirchlichen Irrthum als solchen erkennen könne, schließt in sich, daß sie durch denselben das gefährdet sehe, was ihr als wesentlicher Glaubensinhalt gewiß ist, oder, mit anderen Worten, der Irrthum stellt sich erst dann als kirchlicher oder als Håresie dar, wenn er gegen einen Fundamentalartikel des christlichen Glaubens gerichtet ist. Denn eine Lehre, von welcher die Kirche einsähe, daß sie der Festhaltung des wesentlichen Inhalts des Glaubens gar nicht im Wege stehe, kann ihr als Kirche auch nicht als falsch erscheinen, sondern etwa nur Einzelnen ihrer Glieder in wissenschaftlicher oder prak tischer Beziehung; die Kirche als solche kann nicht nur eine. solche Lehre, sondern sie soll sie auf sich beruhen lassen. Auf der anderen Seite giebt sich jede innerhalb der Kirche mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit ausgesprochene Lehre für etwas wesentlich zum christlichen Glauben Gehöriges aus, und muß also als wahr oder falsch erkannt werden können an dem, was der Kirche als wesentlicher Inhalt des Glaubens gewiß ist. Dies giebt den Begriff des Fundamentalartikels, oder eines solchen Glaubenssaßes, an dem Widerspruche mit welchem die Kirche die Häresie erkennen kann. Es ist also nöthig, an dieser Stelle diesen Begriff

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1 Tim. 4, 1: Es werden aufstehen лооσézоνтεs пνενμασι πλάνοις καὶ διδασκαλίαις δαιμονίων. Zu unmittelbar und den anderen Faktor, die Schwäche der Kirche, nicht be. rücksichtigend, wird bei Ignatius der Teufel als Urheber der Sirefie angefeben, ep. ad Trallianos: φεύγετε τὰς ἀθέους αἱρέσεις· τοῦ διαβόλου γὰρ εἰσιν ἐφευρέσεις (wohl abfid)t= lides Wort piel) τοῦ ἀρχεκάκου όφεως. Cf Suic. s. v. αϊ.

ρεσις.

einer nåheren Bestimmung zu unterziehen, da es nur unter der Voraussetzung, daß es Fundamentalartikel giebt, auch eigentlich kirchliche Irrthümer oder Hårefien geben kann.

Welches ist ein Fundamentalartikel im reinkirchlichen Sinne? Das systematisch-dogmatische Verfahren, nach welchem jeder Saz vermöge seiner Beziehung zum Prinzipe und im Zusammenhange des Systems gleichen Werth hat, kann uns hier nicht leiten, denn es kommt hier auf eine Artikulirung von Sågen an, welche nicht auf wissenschaftlichem, sondern auf kirchlichem Wege geschieht. Die einzelnen Säße einer kirchlichen Erklärung oder eines Symbolums sind als solche auch nicht Fundamentalartikel, denn daß dieses Einzelne richtige Lehre sei, ergiebt sich erst aus der nothwendigen, kirchlichklaren Beziehung zu dem Wesentlichen des christlichen Glaubens, und dieses Wesentliche, eben weil es nicht in einem bloßen Gefühle bestehen kann (welches als solches keinen Angriff einer kräftigen Irrlehre aushalten kann), muß sich in einem objektiven kirchlichen Bewußtsein aussprechen. Dieses wird aber endlich auch nicht unvermittelt aus der Schrift zu nehmen sein. Denn wenn dieses Herausnehmen nicht der einzelne, für die Kirche gleichgültige, Akt eines Individuums sein und so, wenn derselbe nicht Eigenthum der Wissenschaft wird, ganz subjektiv bleiben soll: so muß es ein Akt der Kirche sein, und zwar ein solcher Akt, in welchem das Bewußtsein der wesentlichen Momente des Glaubens schon objektiv vorhanden ist, so daß das Einzelne der Schrift, vermittelst einer innerlich nothwendigen Anziehung und Zusammengehörigkeit, sich zum Ausdrucke des von der Kirche Erkannten darreicht, d. h. das Einzelne der Schrift (vom Ganzen kann in dieser Beziehung nicht die Rede sein) ist es nicht, was den Fundamentalartikel macht, sondern dieser ist es, der das Einzelne in der Schrift erkennt, anzieht, sich mit demselben gleichsam umgiebt.

Dieses kirchlich objektive Bewußtsein kann nun nicht mehr und nicht minder sein als das Sich-eins - wissen - der

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