Immagini della pagina
PDF
ePub

Kirche mit dem Inhalte der Laufformel, d. h. das Festhalten der Kirche an der im Glauben an Christus gegebe nen Lehre vom Vater, Sohn und heiligem Geist in ihrem göttlichen Einssein. Wie die Laufformel aus göttlicher Weisheit und Fürsorge dasjenige wörtlich ausspricht, was aus dem Geistesleben der Kirche sich als der Inbegriff des Glaubens, in dem sie ein Geistesleben hat, hervorhebt: so erkennt die Kirche auch in der Schriftlehre von Vater, Sohn und heiligem Geiste ihren, nicht durch die Laufformel als Formel erst entstandenen, aber durch diese allein und vollständig, rein und unveränderlich sich objektivirenden, Glaus ben wieder, und darum spricht sie ihn auch so wieder aus. Deshalb wurde die Laufformel auch die Grundlage jenes Glaubensbekenntnisses, dessen die Kirche sich zum Zeugnisse gegen die gefährlichste Macht der Håresie bis zum Anfange des vierten Jahrhunderts fast allein bediente, und dieses wurde wieder die Grundlage jedes spåteren. In der Laufformel wird der Glaube als ein solcher ausgesprochen (und gerade das bewährt ihren göttlichen Ursprung), wie er dem Ganzen der Kirche, insofern sie tauft, und dem Individuum, insofern es getauft wird, identisch ist, und deshalb kann es keine andere Fundamentalartikel geben als die drei vom Vater, vom Sohne und vom heiligen Geiste. Da dieser dreifache innig verbundene Glaubensausdruck Alles gleichsam anzieht und im Gemüthe der Kirche sich umgiebt mit Allem, was Schrift und Erfahrung von den Hauptmomenten des Glaubens an die Hand geben: so läßt sich auch jede in der Kirche aufkommende Lehre an ihrer Uebereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit diesem göttlichen Kanon als wahr oder falsch erkennen *). Denn jede spekulativ - kosmo

*) Dies allein ist wohl das Wahre in der Lessing-Delbrückischen Vorstellung von der Glaubensregel. Falsch aber ist es, daß jenes dreifache Dogma in der Form des apostolischèn Symbolums der Grund der Kirche sei und über der Schrift stehe

logische Lehre findet ihr Maaß an der Schrift und Kirchenlehre vom Vater, jede anthropologische an der vom Sohne (dessen Ehre z. B. verlcht wird, wenn eine Erlösung gelehrt wird, die keine ist, weil keine Sünde anerkannt wird); jede Lehre über die Kirche und das von ihr zu führende Leben an der vom heiligen Geiste.. Es wird hiedurch nicht etwa behauptet, daß die Kirche in ihrer Entwickelung und nach ihren zeitlichen Aufgaben, in ihrer Stellung zur Welt, nicht Grund haben könnte, noch andere Glaubensbes kenntnisse, außer dem, welches das apostolische genannt wird, aufzustellen (von welchem übrigens hier eigentlich gar nicht die Rede ist) *), sondern es soll nur festgestellt werden, welches der wesentlich christliche und reinkirchliche Begriff von Rechtgläubigkeit oder Orthodorie sei, wie sie als das von jeder Håresie Verleßte zur Erkennung von dieser hinreicht.

S. 2.

Die geschichtliche Entstehung jedes kirchlichen Jrr thums erklärt sich aus dem Zusammenwirken der Ver worrenheit des Ganzen mit der Vermessenheit Einzelner.

Eine gewisse Verworrenheit des Ganzen der christlichen Kirche und in demselben wieder eines größeren oder geringeren Gebiets derselben in gewissen Zeiten erklärt sich hinlänglich aus ihrem Zusammensein und Zusammenhange mit der Welt, und aus der der Kirche noch anhaftenden Unreins

Vgl. Delbrück: Philipp Melanchthon der Glaubenslehrer, Bonn 1826. Ueber das Ansehn der h. Schrift Drei Sendschreiben von Sack, Nißsch und Lücke. Bonn 1827.

*) So daß also in dem Gesagten noch nicht die Behauptung des Calixtus von der symbolisch - irenischen Bedeutung des apostolischen Symbols enthalten ist.

heit und Dunkelheit. Auch liegt es in dem Zusammenwirken aller der Kräfte, aus denen die Geschichte der Kirche sich entwickelt, daß diese Verworrenheit sich von Zeit zu Zeit so gestaltet, daß der eine oder der andere Fundamentalartikel des Glaubens den Gemüthern in Unklarheit zu treten beginnt. Die Verworrenheit des Ganzen aber erzeugt an sich keinen bestimmten Irrthum, denn einerseits lähmt die Verworrenheit den Trieb des bestimmten Denkens und die Kraft, dem Herkömmlichen sich mit Bewußtsein entgegenzustellen, andererseits hemmt und beschränkt sich derjenige Theil des Ganzen, in welchem Verworrenheit herrscht, durch die Vielheit der Stimmen selbst. Tritt aber aus der Masse eines über einen Hauptpunkt des Glaubens verworrenen Gebiets der Kirche ein Einzelner hervor, mit Vermessenheit genug begabt, um das von der Masse unbewußt gewollte und schon geheim geliebte Unwahre in bestimmter begrifflicher Lehrform auszusprechen: dann ist der kirchliche Irrthum da. Denn da es nicht fehlen kann, daß Viele aus der Masse in dieser Lehre das erkennen, was sie dunkel in sich trugen, und wodurch sie sogar aus der Dunkelheit in das Licht der Wahrheit kommen zu können wähnen: so schließen sie sich an jenen Einzelnen an, sie bilden eine Gemeinschaft, welche sich selbst etwas Eigenes erwählend sich der rechten Lehre gegenüberstellt, ihre Lehre stellt sich als Håresie oder Kezerei, ihre Gemeinschaft als Sekte dar *). Das Verhältniß

*) algeois kommt zwar bei den Griechen noch im indifferenten Sinne von Erwählung irgend einer Meinung oder Lebenss weise vor, aber Apost. 24, 5, 14 1 Kor. 11, 19. Gal. 5, 20. schon in dem schlimmen einer in religiöser Hinsicht irrigen Eigenthümlichkeit. Bei Athanasius (quaest. 38 de parabolis) miro αἵρεσις erflärt απο τοῦ αἱρεῖσθαι τί ἴδιον καὶ τούτῳ

axoloveiv, wo es noch im allgemeineren Sinne gefaßt zu sein scheint. ́ ́aigɛtıxós wird in älteren canones in all, gemeinerem Sinne gebraucht, wo es auch Schismatiker, ja Unchristen in sich faßt. Canon VI Conc. Constantinop. und

der Vermessenheit des Einzelnen zur Verworrenheit des Ganzen ist aber nicht von der Art, daß im Ganzen immer die geringere, im Einzelnen stets die größere Schuld wäre. Die Verworrenheit kann auch eine solche sein, in welcher sich die in der Kirche überhaupt möglichen, d. h. mit dem wirklichen Wollen des Glaubens vereinbaren, Wirkungen der Lüge in einem bedeutend hohen Grade äußern, und dann bedarf es nur derjenigen Vermessenheit, welche gewöhnlich mit Eitelkeit verbunden ist, einer gewissen weltlichen Unruhe und Uebergeschäftigkeit, oder einer gewissen selbstgefälligen Selbstweisheit, um die Irrlehre in einem Individuum zu repräs fentiren, welches die Zeit zu führen scheint und glaubt, aber mehr von ihr geführt und dem in ihr waltenden Geiste bes trogen wird. Da der Irrthum in der Kirche nicht Wurzel fassen könnte, wenn er nicht mit der christlichen Wahrheit in Verbindung stånde, nicht selbst diese im Grunde suchte, obs wohl er sie verfehlt hat, und da die Verworrenheit, in der er allein entstehen kann, sich nicht entwickelt hätte, wenn die früheren Formen der Lehre nicht schon Irriges an sich genommen håtten: so ist im kirchlichen Irrthum immer eine relative Wahrheit, er bringt immer eine Richtung des Denkens hervor, die bis heran mit Unrecht vernachlässigt war, und auch dadurch wird es bestätigt, daß die Heger und Ausbilder des Irrthums nicht ohne allen Wahrheitssinn und Glauben zu denken sind, ja daß sie, je eifriger sie für den Irrthum als einen kirchlichen sind, desto weniger als von

Cod, Iust. 1. 1. tit. 4. Im engeren Sinne aber bedeutet es irrigen Lehren anhängende Christusbekenner, seit Theodosius dem Großen die die Trinität nach der Nicänischen Feststellung Leugnenden. Cod lib. 1. tit.. Später 3ongras ad canon. VI Constant.: αἱρέτικους πάντας καλεῖ τοὺς παρὰ τὴν ὀρθόδοξον πίστιν δοξάζοντας; und Photius in Nomocanon. Constitut. 12, tit. 5: αἱρετικός ἐστιν ὁ μὴ ὢν ὀρθόδοξος.

bewußter Lüge beherrscht und dem Reiche Christi absichtlich schadend zu denken sind. Zwar können Menschen, welche als Knechte des Satans nichts Geringeres beabsichtigen, als das Evangelium und die Kirche zu vertilgen, mit thåtig sein in der Verbreitung von kirchlichen Irrthümern, aber dann immer nur unter dem erheuchelten Scheine von Theilnahme an der Reinheit der christlichen Lehre, und bei innerer herz licher Verachtung alles dessen, was sich auf die gemeinsame Grundlage stüßen will. Die eigentlichen Håresiarchen dagegen, wenn sie nicht so gut als auf die heidnische Seite hinübergetreten sind, können zwar in einem bedeutenden . Grade verkehrt und vermessen sein, sind aber deshalb noch nicht als schlechthin ungläubig oder feindselig gegen das Christenthum zu betrachten. Woraus hervorgeht, daß in alten und älteren Zeiten die Beurtheilung der håretischen Hauptpersonen oftmals viel zu strenge war.

S. 3.

Die Wirkung des kirchlichen Irrthums gereicht bis zu unberechenbarem Grade zum Verderben der Kirche, vermag aber nicht ihren Fortschritt zur Vollendung aufzuheben.

Die Wirkung des kirchlichen Irrthums ist nicht nur an sich eine verderbliche, weil der Irrthum die Macht der Wahrheit relativ dämpft, und das Heil der Kirche allein in der Wahrheit ist, sondern diese verderbliche Wirkung ist unberechenbar groß. Denn da alle Lebensthätigkeiten der Kirche zusammenhängen, und alle nur durch den Geist der Wahrheit in richtigem Verhältnisse erhalten werden: so ist es auch keinem menschlichen Geiste gegeben, zu überschauen, in welchem Grade durch den mächtig gewordenen, bewußt hervorgetretenen Irrthum (und nur das ist der kirchliche) auch die tieferen und zarteren Lebenskräfte der Kirche geschwächt und

« IndietroContinua »