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selbst entwickeln. Die Theologie ist die begriffliche Selbstverständigung des christlichen Glaubens innerhalb der Kirche zur Vervollkommnung ihres geistigen Verkehrs. Die erste Aufgabe der Theologie ist, das Wesen des christlichen Glaubens in solcher Weise zu erfassen, daß das Zufällige davon unterschieden, und für die Bearbeitung des realen empiris schen Stoffs, der in der Kirche zum Wissen kommt, Gesichtspunkte und Grundsäße gewonnen werden. Dies ist der Begriff der philosophischen Theologie, der dieser Name deshalb zukommt, weil sie auf dem Wege einer vom christlichen Glauben an Gott selbst ausgehenden philosophischen Unterscheidung des Acußeren und Inneren sich das Wesen jenes Glaubens begrifflich klar macht. Die Natur der Kirche, in welcher allein der christliche Glaube ein wirkliches Wesen und Leben hat, bringt es aber mit sich, daß dieses philosophisch kritische Verfahren eine positive und eine negative Seite hat, obwohl beides an seiner Stelle nur überwiegend sein kann. Es kommt zuerst darauf an, die innere Wahrheit, das wahrhaft göttliche Wesen der christlichen Religion in seinem Zusammenhange mit der menschlichen Natur und der gesammten Religionsgeschichte, in Grundbegriffen und Hauptthatsachen darzustellen und zu erweisen : dies ́ ist die Aufgabe der Apologetik. Da aber der christliche Glaube nur in dem Maaße zu einer klaren Selbstverständigung kommen kann, als er sich der Irrthümer zu entledigen sucht, die ihm daher ankleben, daß er nur in der Kirche, niemals außer ihr, wirklich vorhanden ist, und die Kirche eine zwar göttlich gegründete, heilige, aber, wegen ihrer zeitlich menschlichen Seite, noch mit Sünde und Irrthum behaftete Gemeinschaft ist: so ist die zweite Aufgabe der philosophischen Theologie, den in der Kirche befindlichen Irrthum nach seinem Ursprunge, Natur und Zusammenhange mit dem Unglauben so aufzuzeigen, daß die Kirche dadurch eine wissenschaftliche Anweisung zur Reinigung und Freierhaltung des Glaubens von dem Irrthum erhalte. Dies

ist die Polemik *). Sie ist gleichsam die umgekehrte Seite der Apologetik, denn sie hat zur Aufgabe, das, was nicht wahr ist im empirischen Dasein des Glaubens in der Kirche, aufzuweisen, wie jene das, was wahr ist. Weil aber die Apologetik selbst in der Kirche entsteht, und ihren einzigen Ausgangspunkt in dem wirklichen Glauben der Kirche hat: so erscheint dieser Ausgangspunkt mit Allcm, was von ihm ausgeht, solange selbst noch nicht sicher, vom Irrthum frei zu sein, bis die Polemik hinzugetreten ist. Und weil der in der Kirche befindliche Irrthum weder seinem Ursprunge noch seinen Formen nach schon durch die Aufstellung der apologetischen Grundbegriffe und Hauptthatsachen hinlånglich klar werden kann, da ja der historische Zusammenhang des Glaubens nicht an sich schon den inneren Zusammenhang des Irrthums vor Augen stellt: so muß die Polemik als eigne Disziplin dastehen, in der Organisazion der Theologie zwar auf die Apologetik folgend, aber nicht ihr subordinirt, und auch nur so folgend, daß dabei eine fort

*) Hieraus wird zugleich klar, daß aller Frrthum, der nicht auf dem Boden der Kirche entstanden ist, auch gar nicht in der Polemik vorkommt, und daß Schleiermacher sehr Recht hat zu sagen, daß die Polemik nach innen gerichtet sei, nämlich als theologische Disziplin. Mit der praktischen Polemik, den eigentlichen nоléμois z. B. der Kirchenväter gegen Juden und Heiden, hat es eine andere Bewandniß. Diese würden aber theoretisch verarbeitet auch nur in die Apologetik gehören. Deshalb ist es ein Fehler der älteren Polemik, einen Abschnitt de gentilismo, de Iudaismo, de Mahometanismo zu haben. Doch schon Mosheim schließt die Antideistik und überhaupt die Widerlegung solcher, die nicht selbst Christen sind, aus. Und Gruner Proleg. §. 4. sagt mit Recht: Neque disputationes cum atheis, cum idolorum cultoribus, cum Muhamedanis, cum Iudaeis, cum Deistis, ego quidem theologiae polemicae terminis contineri non sine ratione gravi censeo; neque concertationes de opinionibus hominum privatorum.

schreitende Wechselwirkung beider Zweige der philosophischen Theologie vorausgesezt wird. Die Polemik seßt die Begriffe und Säße der Apologetik voraus; aber die Apologetik kann nicht vollkommen werden, wenn sie nicht durch die Polemik sich über die Natur und den Umfang des kirchlichen Irrthums, zu ihrer eigenen Selbstreinigung, hat belehren lassen. Denn alle Theologie, also auch die Apologetik, ist in der Kirche. Das Streben der Kirche, sich vom Irrthum wissenschaftlich frei zu machen und frei zu erhalten, wendet sich also zunächst auf die Apologetik zurück, sodann aber vorwärts auf das ganze Gebiet der theologischen Disziplinen, deren Bearbeitung auch eine kirchliche Thätigkeit im weiteren Sinne des Wortes ist.

Ist nun hiedurch der Unterschied der Polemik von der Apologetik wohl hinreichend klar gemacht: so möchte sich doch ein Einwurf gegen die Bestimmung der Polemik, eine eigne Disziplin zu sein, von daher erheben, daß man die systematische Theologie, namentlich die Dogmatik, ansähe `als diejenige theologische Disziplin, in welcher beide, Apologetik und Polemik, schon nothwendig mit enthalten seien. Dieser Gedanke, welcher von der neueren spekulativen Schule in dem Maaße für richtig gehalten wird, daß auch alle abgesonderte Behandlung der Apologetik für unnüß erklärt wird, muß widerlegt werden, wenn nicht die ganze Bearbeitung der Polemik als unnüß erscheinen soll. Die Art, wie er sich zu rechtfertigen sucht, ist diese. ́ Die Wahrheit des Christenthums entfaltet sich vollständig und allein in der Darstellung seines Begriffs. Der Begriff desselben ist allein erst seine Wahrheit, welche in der Geschichte nur vorläufig, unentwickelt und abstrakt existirt, und erst in der spekulativen Theologie (und alle Dogmatik soll dies sein) zum vollen geistigen Leben kommt. Daher kann weder die Wahrheit des Christenthums in einer vorzugsweise die historischen Entstchungsformen und die Machterweisungen desselben darstellenden Apologetik besonders entwickelt werden, noch bedarf

es einer besonderen Aufweisung des Irrthums, da der Jrrthum als ein durch die volle Entwickelung des dogmatischspekulativen Begriffs stufenweise überwundenes Moment hier schon auf seine Weise vorkommt, aber auch vollständig überwunden wird.

Wenn in dieser Ansicht blos behauptet würde, daß die vollständigste Erkenntniß des kirchlichen Frrthums in seiner dogmatischen Scheinform erst auf dem Boden der Dogmatik selbst gewonnen werde: so wäre dagegen nichts einzuwenden, es wäre dies aber auch nichts Anderes als die in der gesammten Theologie anzuerkennende Wechselwirkung der Disziplinen, vermöge deren die Dogmatik auf die polemische Erkenntniß zurückwirkt, und natürlich um so bedeutsamer zurückwirkt, als die Dogmatik in innigster Zusammenfassung des religiösen und des spekulativen Elements den Mittelpunkt der gesammten Theologie bildet. Da aber die Behauptung die ist, daß die Wahrheit des Glaubens nur in der Idee sei, welche durch irgend ein Historisches zeitlichvergånglich repräsentirt und symbolisirt wird: so wird verkannt, daß der christliche Glaube wesentlich auf ein Objekt geht, das nicht blos Idee ist, sondern historisch - konkretes, göttlich-reales Leben, und welches eben deshalb niemals auch nicht in der vollkommensten Entwickelung des Begriffs aufgeht, wie dies allerdings von der Idee behauptet werden muß. Deshalb kann der Irrthum, welcher der kirchlichen Auffassung dieses Objekts anhaftet, auch nicht allein durch die Entwikkelung des aus dem Idealen des Objekts sich entfaltenden Begriffs erkannt werden, sondern nur zugleich durch die nicht schlechthin begriffliche, sondern zugleich das Lebendige des Objekts unmittelbar anerkennende, historisch anschauende und beurtheilende Thätigkeit des Geistes, und gerade diese ist es, welche, mit Zurückbeziehung auf die Prinzipien der Apologetik, die christliche Polemik hervorruft. So lange also dasjenige Apologetische, welches einen schlechthin göttlichen Mittelpunkt der Weltgeschichte im Christenthum, als welcher

nicht gleichartig ist mit der übrigen weltgeschichtlichen Entz wickelung, annimmt, nicht vollständig siegreich umgestoßen ist: so lange wird die Prätension der Dogmatik, eigentlich allein Theologie, also auch Apologetik und Polemik, zu sein, nichts als eine Pråtension bleiben *); oder mit anderen Worten: so lange nicht erwiesen ist, daß der historische Kern des Christenthums bloße vergångliche Form desselben ist: solange wird die absolute Auflösung der Theologie in Philosophie ein Unrecht und ein Fehler bleiben.

Aus der Bestimmung des Gegenstandes der Polemik als des kirchlichen Irrthums geht auch hervor, daß die åltere Auffassung des Begriffs der Polemik, nach welcher sic die Wissenschaft der theologischen Kontroversien ist, zu enge war **). Denn der Begriff der theologischen Kontroversien bezieht sich auf theologische Verhandlung dogmatischer Punkte, und daher rührt auch die enge Anschließung der älteren wissenschaftlichen Polemik an die Dogmatik, als wäre sie nur ein Anhang von dieser. Aber der theologische Irrthum hat seinen tieferen Grund in dem kirchlichen, und nur wenn dieser erkannt ist, ist jener erst methodisch entwurzelt. Es

- *) Und so erscheint sie bei Rosenkranz in der Encyclopädie S. 365. Auch Tholuck, obwohl gar ́nicht auf gleichem Standpunkte mit jenem Verfasser, billigt, ohne die Gründe zu erörtern, diese wissenschaftliche Aufgebung der Apologetik (Glaubwürdigkeit der evangelischen Geschichte S. VIII). **) Gruner institut. theol. pol. Proleg. §. 2. Hanc igitur scientiam, vel, si, mavis, disciplinam interpretamur, quae rationem controversiarum theologicarum, inter nominis christiani sectas maxime vigentium, declarat. Miller comp. theolog. polem. Proleg. §. 1. Polemica theologia definitur scientia controversiarum de rebus theologicis ita tractandarum, ut veritas defendatur, errores vero ili oppositi refutentur. Schubert institution. theol. polem, dissertat. prooemialis. Significamus hac voce scientiam, controversias fidei explicandi, errores theologicos refutandi, et de illorum pondere ac momento iudicandi.

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