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energischreligiösen Einfluß auf die gesammte europäische und damit auf die Neubelebung der Kirche ausüben, oder ob sie, mit dem traurigen Ruhme eines sublimeren Indifferentismus, im Ganzen den Fortschritt der europäischen Denkart zum Literalismus und Hierarchismus, den natürlichen Erben aller Güter und Kräfte eines indifferentistischen Zeitalters, beschleunigen wird.

S. 3.

Die beiden Hauptformen des Indifferentismus sind der Naturalismus und der Mythologismus.

Es könnte scheinen, als wenn der Indifferentismus seiner Natur nach das Hervortreten in bestimmten Formen fliche. Denn da es ihm um das Gleichmachen des wesentlich Verschiedenen zu thun ist: so könnte er scheinen sich auch nur in einer gleichartigen Masse negirender, die Unterschiede im religiösen Gebiete auflösender Säße darstellen zu können. Allein dem kann nicht so sein. Sobald der Indifferentismus Grundsah, Lehre, in irgend einem Sinne System sein will (und er will es): so muß er in der Bes handlung seines Gegenstandes, des vermeintlichen Gleichvielwerthseins der positiven Religionen, auch in demjenigen Gegensaße sich ausbilden, welchem überhaupt die denkende Auffassung der Dinge unterworfen ist, dem Gegensaße des Realen und Idealen. Wirft sich der Indifferentismus auf das Reale, Empirische in der Religion: so erscheinen ihm die Religionen deshalb gleich gut, weil sie sämmtlich nur aus der Natur hervorgegangen seien, und so wird er Naturalismus. Ergreift er das ideale, geistige Gebiet der Religivnen: so geht er dem Gedanken nach, dieses Geistige sei so gleichmäßig in allen Religionen, und dieses gleiche Geistige sei so gewiß der alleinige Inhalt der wahren Religion, daß man die verschiedenen positiven Formen nur als mythologische Hüllen betrachten dürfe, deren Werth in åsthetischer

Hinsicht verschieden, in religiöser Hinsicht indifferent sei. Diese Denkart, insofern dabei das Mythologische der alten Religionen mindestens eben so berechtigt erscheint, als das Historische des Christenthums, abgesehen davon, ob dieses für Mythus erklärt wird oder nicht, darf man Mytholo= gismus nennen. Der Naturalismus erscheint in Verbindung mit einem gewissen Natursinne, der wiederum in gröberer oder feinerer Gestalt sich darstellt. Sein der Welt am meisten gefallender Repräsentant ist Rousseau. Der Mythologismus erscheint in Verbindung mit einer gewissen Geschichtsphilosophie und philosophischer Bildung. In neuester Zeit ist er die herrschendste Form des Indifferentismus *).

Erstes Kapitel.

Vom Naturalismus.

S. 1.

Der christliche Naturalismus unterscheidet sich dadurch vom deistischen und antichristlichen, daß er das Positive des Christenthums nicht bekämpft, aber es mit dem Natürlichen indifferenzirt.

Dürften wir keinen in irgend einer Hinsicht noch christlich zu nennenden Naturalismus annehmen und als solchen

Diese Unterordnung des Naturalismus und dessen, was die Aelteren Gentilismus nannten, unter den Indifferentismus scheint entschieden richtiger als die bisher übliche Koordinazion. Denn indem z. B. Walch und Schubert diese befolgen, wissen sie den Naturalismus theils nur als deistische Feindschaft gegen das Christenthum zu behandeln, was er durchaus nicht immer ist, theils kommt unter Indifferentismus bei ihnen kaum etwas Anderes vor, als was beim Naturalismus schon da war.

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ihn vom deistischen Naturalismus unterscheiden: so würde dieser Irrthum gar kein kirchlicher sein und nicht in die Polemik gehören. Denn der sich dem Christenthume bewußt gegenüberstellende Naturalismus ist nicht in der Kirche als solcher, und wird durch die Apologetik vollständig überwunden. Allein es giebt einen Naturalismus, der aus und als Indifferentismus noch in der Kirche bleibt, und sich mit den kirchlichen Grundlagen in einem gewissen Zusammenhange erhält, weil er in sich selbst Grund hat, sie nicht zu bestreiten, und dieser kann deshalb ein christlicher genannt werden, weil er noch am Christenthume, insofern er es mit der natürlichen Religion für Eins ansicht, festhålt. Der deistische Naturalismus stellt sich selten ganz rein als Feindschaft gegen das Christenthum dar, sondern in seinen meis sten Erscheinungen beherbergt er eine gewisse Anerkennung des Christenthums *). Auf der anderen Seite ist in dem neueren Razionalismus viel Naturalismus enthalten, welcher, zum Zwecke vollständiger Auffassung der Nichtigkeitvon beiden, von ihm ausgeschieden werden muß. Da nun die bisherigen Polemiker den antichristlichen Deismus, den christlichen Naturalismus und den zu ihrer Zeit erst werdenden Razionalismus fast immer vermischt haben: so konnte das polemische Resultat schon aus diesem Grunde nicht ges nügend sein **).

*) So nennt Herbert von Cherbury die christliche Religion gut und heilsam, aber die anderen nicht minder, de veritate im appendix de religione laici p. 28. Der kühnste Versuch der Verknüpfung einer Anerkennung selbst des Verdienstes Christi mit einem sehr ausgebildeten Naturalismus ist in der Schrift des Florentiners Franciscus Pucci enthalten: De Christi servatoris efficacitate in omnibus et singulis hominibus, quatenus homines sunt, assertio catholica etc. Gouda 1592. Fast ganz aufgenommen in Franciscus Junius op. tom. 1. und in Lucas Osiander's refutatio scripti satanici a F. Puccio editi.

**) So Schubert, der ausführlich und gründlich de naturalismo,

S. 2:

Der Naturalismus begreift das Christenthum nur als natürliche Befriedigung des Religionsbedürfnisses, und ist indifferent gegen den Unterschied von Religion und Natur.

Ein natürlich religiöses Bedürfniß erkennt der Naturalismus an, und versteht darunter jenen aus der Uebereinstimmung des besseren Gefühls mit den Natureindrücken sich bei allen Völkern hervordrängenden Trieb, ein höchstes Wesen als Gott anzuerkennen, von dem er seine Eindrücke ableitet und auf das er seine Handlungen bezieht. Da ihm die Natur, wie er sie als die gemeinschaftliche Wurzel der äußeren Welt und seiner Gefühle ansieht, die ganze Offenbarung Gottes ist: so faßt er den Gedanken nicht auf, die Religion könne in einem über die Natur hinausgehenden geistigen Verhältnisse zwischen Gott und dem Menschen bestehen, und also auch den nicht, die gegenwärtigen Naturgefühle seien nicht reine Aeußerungen der Religion. Indem er das Wahre festhält, daß alles richtige Verhältniß des Menschen zu Gott mit dem Naturleben des Menschen zusammenhänge, und dieses zur höchsten Potenz erheben müsse: bildet er sich eine allgemeine gesunde Natur vor, die im Menschen ihren Höhepunkt als Religion hat, doch so, daß diese nichts Eigenthümliches, von der Natur Verschiedenes, sondern das unter der unvermeidlichen Vorstellung des höchsten Wesens sich schwächer oder stärker in Bezug auf diese Vorstellung bewegende Naturgefühl des Menschen selbst sei. Die Unregelmäßigkeiten, Disharmonien und Stockungen in diesem religiösen Naturgefühl sind ihm Fehler, welche mit der

aber meist vom deistischen, und gar nicht vom Razionalismus handelt. Miller, der eine brevis delineatio disputationis anti-deisticae hat.

Schwäche und dem nicht völligen Gesundsein der gesammton menschlichen Natur zusammenhängen, welche aber durch die Fülle der menschlichen Naturkraft gut gemacht werden können. Da nun die Entwickelung des natürlichen Religionsfinnes in der Menschheit und im Individuum von allen den Bedingungen abhänge, unter welchen die fortschreitende Entwickelung der Humanität überhaupt steht: so erkläre es sich, daß die durch die Kulturverhältnisse der alten Welt hervorgebrachte christliche Religion als die gebildetste, bildsamste und allgemeinste sich darstelle, d. h. als die, welche alles Menschlichnatürliche am sichersten und folgerichtigsten hervorfördere. Deshalb müsse sie auch behalten werden, wo sie fei, während freilich auf anderen Stufen der Menschheit andere positive Religionen gerade eben so wahr und nöthig seien, und nur diejenige Vertauschung einer anderen Religion mit der christlichen von Seiten einer Nazion oder eines Individuuns zu billigen sei, welche völlig naturgemåß, d. h. ohne Grundveränderung in der bisherigen natürlichen Richtung des Menschen, vor sich gehe, und von vorn herein die Tendenz auf Entwickelung des Natürlichmenschlichen habe. Die christliche Religion sei nur Mittel zu diesem Zwecke. In dem Maaße, als dieser Zweck erreicht werde, trete sie zurück, und mache der natürlichen Religion der gesunden Lebensentwickelung des Menschen Plaß.

Die relative Wahrheit, an der sich diese falsche Lehre entwickelt hat, ist das Gefühl, daß das Natürliche im Menschen durch die Religion nicht dürfe zerstört und erdrückt, sondern müsse bewahrt und entwickelt werden. Der Naturalismus ist ein relativ nothwendiges Gegengift gegen den Manichåismus, nach welchem die Natur an sich böse ist, und durch die Religion vernichtet werden soll. Jener hat das Wahre, daß die Wahrheit der Religion sich auch darin bewähren müsse, daß die gesammte Natur des Menschen durch sie erneuert, gesund gemacht, `hergestellt werde.

Der Irrthum des Grundprinzips des Naturalismus stellt

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