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den Naturalisten. Alle Thatsachen, durch welche sie mit der natürlichen Entwickelung einer Volksliteratur zusammenhängt, gewinnen bei ihm eine ungebührliche und unberechtigte Bedeutung, die Sammlung der heiligen Schriften erscheint ihm als ein religiós indifferentes, zufälliges Werk, und die fortwährende Unterscheidung derselben von anderen Schriften als eine alte Gewohnheit.

Fassen wir die den Naturalismus karakterisirende Ignorirung der Wunder, der Geheimnisse und der Inspirazion der heiligen Schriften zusammen: so erkennen wir die Nichtanerkennung der göttlichen Dreieinigkeit in dem Sinne, wie die Offenbarung sie wesentlich in sich schließt, als Inbegriff und Wurzel seines Indifferentismus. Denn indem er die Wunder leugnet (wenigstens als religiös wichtig leugnet), bestreitet er, daß Gott vermittelst des Logos wirken könne, er schreibt ihm nur Wirkung durch die Natur zu, er verkennt also das eigentliche Vatersein Gottes zu dem ewig aus ihm hervorgehenden Logos. Indem er die Geheimnisse verachtet, wendet er sich ab vom Sohne, der als menschgewordener Logos der Inbegriff aller Geheimnisse gerade insofern ist, als diese religiöse Bedeutung und Zusammenhang mit dem Geoffenbarten haben. Indem er die Göttlichkeit der heiligen Schriften in Abrede stellt, verkennt er die Heiligkeit des Geistes, durch den sie göttlich und von blos menschlichen Büchern unterschieden sind, und zugleich das wirkliche Ausgehen eines heiligen Geistes von Gott. Es ist also nicht blos die Dreieinigkeit der kirchlich-symbolischen Lehrentwicke lung, die er umgeht (möchte er, denn dies bewiese noch nicht die Falschheit seines Prinzips), sondern es ist diejenige wes sentliche Zusammengehörigkeit und göttliche Einheit des Vaters, Sohnes und Geistes, die aus dem ganzen Karakter, Inhalt und Form der göttlichen Offenbarung mit unabweislicher Nothwendigkeit und innerer Wahrheit hervorgeht. Und diese Leugnung oder Verkennung der Dreieinigkeit ist so sehr Hauptgrundsaß des Naturalismus, daß sie das im letzten S.

Dargestellte theils hervorbringt, theils immer neu von ihm hervorgebracht wird. Und aus diesem Zirkel kann der Naturalismus so lange nicht heraus, als er nicht die Offenbarung in ihrem Unterschiede von der Natur ehrerbietig hinnimmt, d. h. so lange er nicht aufhört Naturalismus zu sein.

S. 4.

Der Naturalismus ist indifferent gegen Alles, woz durch sich Christus als Erlöser bewährt, und kennt nur eine natürlichpsychologische Anregung durch seine Lehre und seine Stiftungen.

Nach den im Vorigen entwickelten Grundprinzipien des Naturalismus ist es unmöglich, daß Christus ihm als der göttliche Erlöser erscheine, durch welchen allein Befreiung von der Gewalt der Sünde und des Todes gegeben ist; sondern das Menschlichnatürliche ist es, was der Naturalismus sich vermittelst seiner Grundprinzipien willkührlichy aus der historischen Erscheinung Christi herausschält, und woran er dasjenige anlehnt, was er als Religionslehre fests halten zu müssen meint. Eben deshalb bedarf es auch nur einer kürzeren Darstellung seiner Lehren über Christus, die Religiosität und die Kirche.

1. Da es für den Naturalismus keine Sünde giebt, die den Menschen von Gott getrennt und in die Obrigkeit der Finsterniß gebracht hat (Apost. 26, 18. vgl. §. 2.), sondern nur eine aus der Schwäche der Natur selbst hervorge, gangene Ausartung und Erkrankung der Natur: so bedarf es keines Erlösers, der absolut frei wäre von der Sünde, sondern nur eines Arztes, der gesunde Naturkraft genug besist, um durch Rath und Beispiel der erkrankten Menschennatur zu Hülfe zu kommen. Als ein solcher, welcher durch besonders begünstigte Umstände eine größere psychisch - moralische Gesundheit sich bewahrt, als Vorgånger und Zeitge

nossen, erscheint Jesus; und da er durch uneigennüßig angewandte Ueberlieferungen uralter årzlicher Weisheit, auch durch eine gewisse magnetisch-artig gesteigerte Wirkungskraft seiner körperlichen Natur geeignet war, besonders ergreifend und moralischwohlthätig auf die Menge zu wirken: so lag es in der natürlichen Entwickelung der Menschheit, daß seine Lehre und Gesellschaft der Grund dessen wurde, was man die christliche Religion nennt, und was als Form der Hervorförderung des rein Natürlichen im Menschen fortwåhrend Geltung verdient. Die Auferstehung Jesu ist von einer blos symbolischen Bedeutung, da Jesus nicht gestorben war, sie ist nur Wiederbelebung, und die Auffahrt ist bloßes Symbol zur Umhüllung seines unbekannt gebliebenen eigentlichen Lodes.

Die Falschheit dieser Säße geht theils aus der Unrichtigkeit ihrer Pråmissen, theils aus dem Widerspruche derfelben mit den Worten Christi und der Apostel hervor. Nach dem Naturalismus ist Christus ein wirklicher Arzt im enges ren Sinne des Worts *); er sieht aber nicht, daß seine Heis lungswunder nur Begleitungen, Bestätigungen und Vorbereitungen seiner Chaten an der Seele als Heiland waren, und daß die Sünde keine leibliche Krankheit, sondern eine Verkehrung des geistig-seelischen Innern zur Knechtschaft des Teufels ist, wogegen nicht Kraut noch Pflaster hilft, sondern allein das Wort des allmächtigen Logos **) und seine fündlose Selbsterniedrigung zum Menschenleben. Er redet von. einer Blüthe der menschlichen Natur, die in Jesus erschie nen sei, vermag aber durchaus nicht klar zu machen, wie diese Blüthe in dem so tief herabgekommenen Volke Ifrael

*) Daher auch nichtgläubige Aerzte, mit einer gewissen natürlichen Rüstigkeit ausgestattet, oft zu den gefährlichsten Verbreitern naturalistischer Grundsäße gehören.

**) Denn also ist es erlaubt, den Ausspruch des Buchs der Weisheit 16, 12 anzuwenden.

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erscheinen konnte, welches so viele Seiten der menschlichen Natur, die zur Entwickelung ihrer höchsten Blüthe nothwendig mitwirken mußten, wie Wissenschaft und Kunst, viel weniger als andere Völker ausgebildet hatte. Eine Sündlosigkeit Jesu behauptet er zwar gar nicht und braucht' sie nicht in seinem System, allein er nimmt einen vorzüglichen Grad von Weisheit und Tugend an, kann aber damit durchaus nicht in Uebereinstimmung bringen das Eingehen Jesu in die Erwartung eines von den Profeten verheißenen Kö ́nigs bis zur Versicherung, daß von ihm in den drei Theilen der heiligen Schrift Alten Testaments geschrieben sei (Luk. 24, 44.), bis zur Auslegung gewiffer Stellen als von ihm handelnd (Luk. 24, 27); denn gerade die, höchste Weisheit håtte Jesus die Mittel an die Hand geben müssen, die Gedanken seines Volks von den Profeten abzulenken, und auf die Wiederherstellung und Entwickelung der Naturkraft hinzulenken. Mit einer Tugend, die nur einigermaaßen nach dem Muster der wahrheitliebenderen Alten gebildet wäre (vielweniger mit einer, die die Blüthe aller früheren Lugend gewesen wåre), reimt es sich nicht, daß Jesus seine Auferstehung als etwas Großes voraussagt, wenn sie nichts Großes war, daß er seine Auffahrt täuschend versichert, wenn sie nie Statt finden sollte. Hatte er aber diese Dinge sich selbst eingebildet: so war er ein Schwärmer, dessen Lugend weit unter dem Kaltblut und der Nüchternheit eines Sokrates und Anderer steht. Sind es aber nur seine Jünger gewesen, welche spåter in enthusiastischer Uebertreibung sich ihn so vorgestellt haben, wie er nicht war: so ist es ein Zeichen von dem Gegentheile von Weisheit, daß Jesus Männer zu Jüngern wählte, von denen er vorher wissen konnte, daß sie unfähig bleiben würden, eine nüchterne und wahrhaftige Erzählung seiner Lehren und Schicksale auf die Nachwelt zu bringen. Was aber diejenige Tugend betrifft, welche, laut dem Zeugnisse der Geschichte, am meisten aus dem Beispiele reinerer israelitischer Vorfahren und Zeitgenossen sich hätte ent

wickeln können, die Demuth: so würde derjenige das Gegens theil derselben an sich tragen, der, ohne fündlos zu sein, in einem moralischen und einzigen Sinne sich den Sohn Gottes, den Menschensohn schlechthin, genannt håtte, ja es würde das Aeußerste entweder des Stolzes oder der Schwärmerei in sich schließen, daß ein solcher sein Einssein mit Gott, sein volles Abbilden des Vaters, sein Geehrtwerden, müssen wie der Vater, und sein Haben alles dessen, was der Vater hat, von sich aussagt. Von welchem Punkte man auch ausgehe: die natürliche Blüthe der Menschheit in Jes sus, im Sinne des Naturalismus, will nirgend für sich bestehen: entweder sie vereinigt sich mit der Annahme seiner Gottheit, die die Menschheit zu solcher Reinheit und Wahrheit annahm, oder sie fållt ab vor der Vergleichung mit eben dem blos Menschlichnatürlichen, dessen höchste Entwickelung fie sein sollte.

2. Der Naturalismus nimmt auch die Nothwendigkeit einer gewissen Veränderung des fündig -schwachen Menschen zum Besseren an, allein es ist ihm dies nur eine parzielle, und eine aus eigener Kraft durch die Empfindung der Reue und die Stärke des Willens hervorgebrachte. Da ihm die Sünde immer nur Schwäche, Erkrankung, Fehler ist, und nur von der Art, daß die gesunde Kraft der menschlichen Natur im Innersten des Menschen unverlegt vorhanden ist: so bedarf es nicht einer Entwickelung und Mittheilung neuer göttlicher Kräfte, sondern nur einer Weckung und Anregung der in der Menschheit naturmäßig vorhandnen. Eine solche Weckung und Anregung ist nicht eigentlich Christus selbst (da dieser nur so als abgeschiedener Geist da ist, wie man nicht mehr persönlich wecken kann), sondern die Vorstellung, das Bild von Christus und die Vergegenwärtigung seiner sittlichen Aussprüche als des im populären Gebiete besten Ausdrucks des sittlichen Naturgefühls. Jene Vorstellung und diese Vergegenwärtigung ist das Einzige, wodurch die Verånderung des Menschen zum Guten mit Christus in einer

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