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kommt theologisch nicht blos darauf an, den Irrthum zu erkennen, wie er sich in Gestalt theologisch-dogmatischer Disputazionen zu halten sucht, sondern wie er im Gesammtleben der Kirche als solcher da ist und schadet. Das Theologische ist immer erst das Zweite, gewisse obere Regionen der Kirche Ergreifende. Schon ohne daß er theologisch wird und ehe er es wird, (und das Liefste des Irrthums entzieht sich dem Theologischwerden) bedingt der Irrthum die unreinen Gestalten des gesammten kirchlichen Lebens, und gerade in diesen Quellpunkten seiner Wirkung muß er erkannt werden, wenn diese Erkenntniß ein organischer Theil der Theos logie sein soll. Hieraus ergiebt sich, daß es nicht nur eine Einseitigkeit war, die moralischen Kontroversien nicht eben so, wie die dogmatischen, in die Polemik aufzunehmen, sondern daß der ganze systematisch - theologische Gesichtspunkt der älteren Polemik dieselbe theils so mit dialektischer Form ausstatten, theils so mit historischem Stoff überladen mußte, daß ihre Auflösung in Dogmatik und Dogmengeschichte unvermeidlich war. Alle Erneuerung der Polemik muß also damit anfangen, sie von der Dogmatik loszureißen, dieser Alles zu überlassen, was sich auf die Gestaltung einzelner loci bezieht, die der systematischen Theologie angehören, denn hier gilt der Grundsaß, daß nur diejenige Begründung eines Sazes eine tüchtige ist, die durch sich selbst die Versuche, den Saß zu leugnen, schlägt. Sich selbst aber muß die Polemik streng auf demjenigen ethisch-theologischen Gebiet halten, in welchem das allgemeine Sein der Menschheit und der Kirche in ihrer Wechselwirkung zur Anschauung kommt.

Jezt kann auch der Ungrund des Urtheils erkannt werden, welches man in mehren neueren Schriften findet, daß die Begründung der Symbolik, wie sie vorzüglich durch Planck und Marheineke zu Stande gekommen, eine Erneuerung der Polemik sei *). Sie kann es nicht sein, da es in

*) Stäudlin Geschichte der theolog. Wissensch Th. 2. S. 512.

der Symbolik nicht auf Widerlegung des Irrthums als solchen, sondern auf Zusammenstellung der kirchlichen Lehrbegriffe ankommt. Nicht das Irrige des einen oder des anderen soll in der Symbolik dargestellt werden, sondern der Zusammenhang des Einzelnen mit dem Ganzen und das Verhältniß zum Ganzen der kirchlichen Lehrgestaltung. Wenn das Resultat dieser Zusammenstellung auch eine Erkenntniß der einem jeden der dargestellten Lehrbegriffe einwohnenden Mångel und Irrthümer darreicht: so ist dies eine Rückwirkung auf die Polemik, welche diese zu nüßen hat, wodurch sie aber nicht erseßt ist. Der Schein der Identität der Symbolik mit dem Wesen der alten Polemik beruht nur darauf, daß diese wirklich sehr vielen reinsymbolischen Stoff aufzu nehmen pflegte, weil sie selbst noch nicht zur vollen Einsicht ihres Unterschiedes von der Symbolik gekommen war *). Immer aber wollte sie doch den Irrthum als solchen zum Gegenstande haben,, eben déshalb kann sie nur erneuert werden in einer Disziplin, welche dieses auch will.

S. 2.

Die Quellen der christlichen Polemik sind die kanonischen Schriften, die Religionsphilosophie und die Geschichte der christlichen Völker.

Daß die heilige Schrift als die Einheit der kanonischen Schriften des Alten und Neuen Testaments als erste Quelle der Polemik angegeben wird, wie es doch nicht auf dieselbige Weise bei der Apologetik geschehen darf, hat einen formalen und einen materialen Grund. Der formale liegt darin, daß die heilige Schrift erst am Schlusse der Apolo

*) Wie Buddeus z. B. eine symbolische Darstellung ausdrücklich als Aufgabe der Polemik stellt. Abhandl. von der rechten Art die polem. Gottesgel. vorzutragen §. 25.

getik als das, was sie ist, göttlichgewirkte Form der Offenbarung, erscheinen kann, weil alle apologetischen Beweisführungen dazu mitwirken müssen, diesen Begriff von der Schrift zu gewinnen, während sie selbst zwar von der Wahrheit des christlichen Glaubens, nicht aber schon von der Göttlichkeit der Schrift, ausgehen können. Von dem Punkte an, wo die Schrift als göttliche und heilige Schrift hervorgetreten ist, ist es auch Recht und Pflicht der Theologie, von ihr als solcher Gebrauch zu machen, und es ist kein Widerspruch, daß dies schon vor der Eregese geschieht, in sofern wir die Polemik vor diese stellen. Denn abgesehen davon, daß dieses Aufeinanderfolgen der einzelnen Disziplinen der Theologie immer nur ein relatives sein kann, was sich in Bezug auf einzelne Punkte auch umstellt: so liegt es in dem Rechte des allgemeintheologischen Verfahrens, Haupttheile der Schrift philologisch - historisch zu benußen. Dies steht auch der Apologetik zu, der Polemik aber auch die Auffassung der Schrift als heiliger Schrift. Der materiale Grund aber ist der, daß die Polemik einen Gegenstand behandelt, dessen geheimnißvolle Natur nur durch das Wort der heiligen Schrift hinreichend beleuchtet werden kann. Dieser Gegenstand ist der Irrthum in seinem Zusammenhange mit der Sünde. Allerdings nicht der Irrthum an sich, sondern der kirchliche Irrthum, aber das Dasein des kirchlichen Irrthums ist nur erklärlich dadurch, daß der Irrthum an sich, wie er mit dem Unwiedergebornen in der Menschheit zusammenhängt, in's Auge gefaßt werde. Da aber jedes Glied der Kirche noch selbst vom kirchlichen Irrthume mit befangen ist so wird seine eigene Betrachtung über den kirchlichen Irrthum nur in dem Maaße sich über den Gesammtirrthum erheben können, als es, je wissenschaftlicher desto besser, aus dem Worte der Schrift die Kennzeichen des Irrthums aufzufassen strebt. Und auf diesem Punkte ist das Verfahren des Laien, des Klerikers und des theologischen Polemikers im Wesentlichen dasselbige. Dieser lezte könnte

gar nicht den Muth haben, der Kirche gegenüber zu sagen, er wolle ihr ihre Irrthümer aufdecken, wenn er sich nicht in Bezug auf die Hauptpunkte auf das ausdrückliche Wort der Schrift berufen könnte, denn sonst dürfte jeder Kleriker ihm sagen, die homiletische Art der Aufdeckung der Irrthüz mer sei die einzig wahre, weil aus der Schrift schöpfend, und jeder Laie könnte sagen, die Betrachtung des Schriftworts unter der Leitung des heiligen Geistes decke den Irrthum schon hinreichend auch dem Theologen auf. Der Unterschied des Verfahrens des Polemikers von dem des Klerikers besteht also hier nicht darin, daß er das Schriftwort nur als Beleg der systematischen Verknüpfung gebraucht, wie in der Dogmatik und Moral, sondern darin, daß er es vom theologischen Standpunkte aus benußt, aber darum nicht weniger es normativ sein lässet in dem, worin es klar ist, und zwar diese Klarheit eben so wenig, wie der Laie und der Kleriker, erst von absoluter Vollendung der Eregese abhängig machend. Es leuchtet ein, wie dieser polemische - Schriftgebrauch vorzugsweise in den allgemeineren Theilen der Polemik, wo es sich von dem Ursprunge und der allgemeinen Natur des Irrthums handelt, sich geltend machen müsse.

Die zweite Quelle der Polemik ist die Religionsphilosophie, d. h. die von ethischen Prinzipien ausgehende begriffliche Auffassung der Religionsanlage in der menschlichen Natur, wie sie, unter Zusammenfassung der allgemeinsten religionshistorischen Resultate, den der jeweiligen Stufe der ethischen Begriffsentwickelung genügendsten Aufschluß über die mannichfaltige Entwickelung des in sich selbst einfachen Religionsbedürfnisses giebt. Daß ein Licht von der christlichen Theologie auf die Religionsphilosophie zurückfällt, ist eine nothwendige Vorausseßung von dem theologischen Standpunkte aus, aber das Maaß, in welchem diese Rückwirkung schon geschehen ist, vermehrt an sich nicht die Berechtigung, die Religionsphilosophie als Quelle der Polemik anzusehen.

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Dadurch daß nicht die Religionsphilosophie, sondern die Schrift, als erste Quelle betrachtet wird, bewährt sich der strengtheologische Karakter der Polemik, und dadurch, daß die Schriftbenußung und die Religionsphilosophie in lebendige Wechselwirkung gesezt werden, bewährt sich der rein wissenschaftliche Karakter der Polemik. Die Religionsphilosophie nicht nach ihrem vollen Umfange zu benußen, wäre unwissenschaftlich. Ihren, doch immer noch nicht vollendes ten, Säßen auch nur einen einzigen erwiesenen Ausspruch der heiligen Schrift zum Opfer zu bringen, wåre untheologisch. Da aber die Schriftauffassung auch als noch nicht vollendet gedacht werden muß: so liegt das richtige Verfahren in der je vollkommensten Ausgleichung der Ansprüche beider, unter Festhaltung des apologetischen Resultats.

Die dritte Quelle ist die Geschichte der christlichen Völker, als in welcher sich die Macht und der Zusammenhang kirchlicher Irrthümer auf eine das Innere in der Erscheinung kundmachende Weise darstellt. Erst im wirklichen geschichtlichen Leben, in dem zeitlich sich entwickelnden Kampfe der Wahrheit mit dem Irrthume, zeigen sich die mannichfaltigen Formen von diesem, welche sich bis zur Erschöpfung und Selbstwiderlegung des Scheines von Wahrheit, der sie ums giebt, der Macht der Wahrheit gegenüber vergeblich zu halten suchen. Da aber auch in dem nach außen hin gewandten Leben der christlichen Völker die Einwirkung desjenigen Irrthums sichtbar ist, welcher an sich nur auf dem Boden der Kirche entstanden ist, aber, weil hervorgegangen aus dem Unwiedergebornen in dem Zustande der Kirche, mit dem gesammten Leben der Sünde, wie es die Welt als solche beherrscht, zusammenhängt: so ist es nicht blos die Kirchen, geschichte, die der Polemik zur Quelle dient, sondern auch diejenige Meinungs- und Sittengeschichte der christlichen Völker, deren Zusammenhang mit ihrem religiösen Leben sich nachweisen läßt. Die Kirchengeschichte, insofern sie eine durch theologische Grundbegriffe bestimmte theologische. Disziplin

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