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so oft ohne feste Prinzipien geübt wird, auf wie we nig sicheren und auch nur innerhalb einer jeden Partei anerkannten gemeinsamen Grundlagen oftmals die eine Partei der anderen entgegentritt, vielweniger daß alle würdige Parteien sich über die Verwerflichkeit gewisser Grundirrthümer verständigt hätten, und andererseits wie das, was nach meiner Ueberzeugung entschiedener Irrthum ist, nicht mehr blos fragmentarisch und fri vol, sondern anständig und in seiner Art verständig, (ähnlich dem einstigen Verhalten des Arianismus und Socinianismus) oft mit großer subjektiver und literäz rischer Sicherheit, als verstehe sich die Sache gerade so schon von selbst, sich auszusprechen pflegt. Dieser Zustand der Dinge schien es mir zu bestätigen, daß es, vermöge eines eigentlich theologischen Verfahrens, eine Disziplin geben müsse, die die Grundprinzipien der Widerlegung alles Irrthums in der Kirche enthält.

Die hier dargebotene Polemik weicht jedoch ganz von dem fast blos dogmatischen Standpunkte der ålteren Lehr- und Handbücher über diese Disziplin ab, indem sie nicht einzelne dogmatische Irrthümer als solche zu widerlegen strebt, sondern die gemeinsame Wurzel alles in der christlichen Kirche als solcher möglichen Irrthums aufzufinden, und dann aus derselben dieje nigen Hauptformen abzuleiten sucht, die sich, nach

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der Natur der Sache und gemäß dem irdischen Zu stande der Kirche, mit Nothwendigkeit aus jener Wurzel entwickeln, und sich deshalb zu aller Zeit in der Kirche finden und finden werden bis zu ihrer Vollendung. Von einem sich an die Resultate der Apologetik anlehnenden Standpunkte aus suchte ich eine theologische Erkenntniß des ganzen Gebietes der kirch lichen Irrthümer zu gewinnen, vermittelst welcher alle über die Substanz des christlichen Glaubens und die Grundlagen der Kirche theologisch Einigen auch über gewisse Hauptgesichtspunkte für die Auffassung des Kampfs zwischen Wahrheit und Irrthum sich verståndigen könnten, wie verschieden sie die einzelne Erschei nung, ob sie Irrthum sei oder nicht, auch dann noch beurtheilen möchten.

Es wird wahrscheinlich an solchen nicht fehlen, die die ganze Idee verwerfen, und behaupten, alle Polemik müsse, wie auch die Apologetik, in der systematischen Theologie, namentlich in der Dogmatik, ent halten sein und in dieser aufgehen. Allein solange sie nicht (und zwar nicht blos durch Versicherungen, son dern durch die That) dargethan haben (und ich bin gewiß, sie können es nie), daß in der Dogmatik der gesetzmäßige Ort gegeben sei für die Begreifung jeder Hauptform des nicht blos theologisch: dogmatischen,

sondern allgemein kirchlichen Irrthums, und zwar mit der ganzen Beziehung auf das Innere der Gemüthsrichtungen und das Mannichfaltige der Erscheinungen, welche das theologische Bedürfniß erheischt: solange werden sie den Begriff der Polemik nicht beseitigen können.

Auch diejenigen, welche von einem bestimmten symbolisch-dogmatischen Lehrgebäude aus die Grundge: danken meiner Schrift angreifen möchten, werden, wie ich glaube, auf diesem Wege nicht Recht behalten. Denn da ich hier nicht auf symbolisch - dogmatischem Boden stehe, vielmehr behaupte, um auf diesem theo logisch fest zu stehen, müsse man erst durch eine theo logische Disziplin vom kirchlichen Irrthume sich die Gewißheit verschafft haben, daß nicht ein solcher in die Voraussetzungen eines symbolisch-dogmatischen Lehrgebäudes mit aufgenommen sei: so würden Angriffe dieser Art meine Säße kaum treffen, vielmehr immer die Voraussetzung erlaubt sein, irgend eine Seite des kirchlichen Irrthums sei von den Angreifenden selbst nicht hinlänglich überwunden.

Allein man meine nicht, daß, weil ich mich in den angegebenen Beziehungen für weniger angreifbar halte, ich verkenne, wie manche offene Punkte es ge wiß auch in meiner Festung geben werde, wie sehr

ich mich auch bemüht habe, nach den besten Methoden der theologischen Fortifikazion zu arbeiten; womit denn doch nicht gesagt ist, daß die Festung zuleßt müsse übergeben werden. Die exegetischen, die spekulativpsychologischen und die ethisch historischen Elemente meines Versuchs sind es, auf deren mehrer oder mins drer Richtigkeit die Haltbarkeit des Ganzen beruht. Ob ich mich gesetzmäßig an ein gesichertes apologeti sches Resultat angelehnt (eine Frage, die auch wieder ohne Rückblick auf den Stand der Apologetik nicht zu beantworten ist), ob es mir gelungen sei, das ges meinsame Wesen des kirchlichen Irrthums zu erkennen, und die wirklichen Hauptformen desselben sachgemäß zu scheiden und zu verknüpfen, und ob ich das Eigenthümliche einer jeden richtig bis zu ihren nothwendigen Folgerungen geführt, ob ich endlich an entscheidenden Punkten die Schriftaussprüche treffend und gründlich geltend gemacht habe: darauf wird es ankommen, und in Bezug auf diese Fragen werde ich vielleicht manchem gerechten Tadel nichts oder wenig entgegensetzen können. Aber diejenigen, welche mit Gründlichkeit auf diese Gegenstände eingehen wollen, werden auch gewiß gerade die Billigsten sein, denn ihnen wird nicht nur die Bedeutsamkeit der ganzen Aufgabe vor Augen stehen, sondern sie werden auch einsehen, welche Fülle

von Schwierigkeiten in dem Anbau eines theils verwůsteten, theils wildüberwachsenen Feldes, in der stillschweigenden Beseitigung von Veraltetem, in der Verknüpfung von Mannichfaltigem, in der Herbeiziehung neuen Stoffes und in so vielem Verwandten zu überwinden waren, und eben dies wird sie nachsichtiger stimmen.

So denke ich auch nicht, daß man sich über den Ton des Ganzen wird beschweren können. Eine Poz lemik muß freilich polemisch sein, aber sie muß auch (und darnach habe ich wenigstens redlich gestrebt) da: hin wirken, daß der Ton der in der Kirche immer nothwendigen praktischen Polemik verbessert werde, das mit auch im Streite theologische Besonnenheit und Haltung sei. Es hat mich selbst auf Augenblicke bes fremdet, daß ich sogar einige Männer von nie zu verkennender geistiger Größe als Chorführer oder Theilnehmer eines kirchlichen Irrthums hingestellt habe. Aber jeder wird einsehen, daß gerade meine Methode, den kirchlichen Irrthum bis an das geistige und Ges müthsgebiet zu verfolgen, wo er sich mit dem Irrthum überhaupt und mit der Sünde berührt, mich nothwendig auch zu Heroen führen mußte, in denen die bes deutendste Werkståte des Wahren und des Falschen in der Menschheit ist, ohne daß daraus folgt, daß

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