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Melanchthon und Calvin übereinstimmen, eine theure geschichtliche Wahrheit ist, sei es auch nur einige Schritte weit, vertraulich miteinander ergangen, so konnte es wohl nicht fehlen, daß das erste friedliche Zusammentreffen freundliche Erinnerungen zurückließ, und auch für die Folge, wenn unser Verkehr dann und wann etwa ein stürmisches Aussehen gewinnen wollte, leicht wieder die besten Anknüpfungspuncte darbot; so aber geschieht es, daß wir sogleich bei der ersten Begegnung hart aneinander gerathen, und ich fürchte sehr, wir werden uns kein gutes Wort mehr gönnen, bis wir — glücklicher Weise auseinandergehen, und beide müde geworden, nicht mehr sprechen können; denn wie der Anfang pflegt der Fortgang zu sein, weßwegen die Alten schon auf einen guten Empfang Alles gehalten haben.

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Mit der Vertheidigung des lutherischen Begriffs von der Erbsünde gegen mich nimmt Herr Baur seinen Auslauf; denn Was ihn betrifft, verläßt er denselben ́spåter selbst, und wirft ihn ungleich weiter von sich, als es unser einem auch nur einfallen könnte. Ich werde aber nicht irren, wenn ich meine, unser Streit über die Erbsünde werde felbst einen sehr auffallenden Beweis von ihrer Eristenz abgeben. Herr Baur macht mir nun zuerst (S. 16.) den Vorwurf, ich hätte in meiner Symbolik, nicht in der reinsten Stimmung des Gemüths, den lutherischen Bekenntnißschriften einen Begriff von der Erbsünde unterschoben, der nur in meiner Darstellung sinn- und verstandlos sei. In der That habe ich behauptet, die genannten Bücher lehrten, daß bei dem Falle Adams ein Theil seines geistigen Wesens abhanden gekommen sei, und von da an alle Menschen desselben entbehren, bis er durch die Wiedergeburt

zurückgegeben werde; mit andern Worten die religiös fittliche Anlage fehle dem mit der Erbsünde gebornen und nicht in Christo erneuten Menschen. Was nun, um Dies zuerst zu erwähnen, die Stimmung betrifft, in der ich zur Untersuchung geschritten, so muß ich freilich gestehen, daß ich niemals eine sehr vortheilhafte Meinung von der Uebereinstimmung des lutherischen Lehrbegriffs mit den Grundsägen einer erleuchteten Vernunft gehabt habe; ist ja dieselbe Meinung, unter Katholiken immer herrschend gewesen, nunmehr auch unter Protestanten nicht selten. Herr Theremin, einer der angesehensten und geistvollsten preußischen Kirchenbeamten, fagt in seiner schönen, christlichen Schrift vom Reiche Gottes, « seit ihrem Beginne bis jeßt schwanke die protestantische Kirche zwischen einem unphilosophischen Glauben und einer ungläubigen Philosophie,» und Herr Ritter, der hochverdiente Geschichtschreiber der Philosophie, will es sich nicht verbergen, « daß der Reformation der philosophische Sinn gefehlt habe.» Gleichwohl ging ich mit möglichster Unbefangenheit zu meinen Forschungen, ebensowohl entschloßen, das Gute, was ich wo immer finden würde, nicht zu verkennen, als auch das Ueble rücksichtslos aufzudecken. Doch wozu dergleichen Versicherungen, die Niemand glaubt, als Derjenige, der ohne sie ganz von selbst durch die Lesung meines Buches sich von ihrer Wahrheit überzeugte? Also ungesäumt zur Sache.

§. 2.

Wie Herr Baur auf den ersten, für meine Ansicht angeführten, Grund antwortet.

Ich habe nicht blos behauptet, sondern auch bewies fen; es wird also Alles von der Prüfung abhängen,

welcher Herr Baur meine Beweise unterworfen hat. Denn prüfen müßte er dieselben doch wohl; findet er sie Teicht, so ist ihm auch die Aufdeckung des Irrthums nicht schwer; findet er sie gewichtig, bestegt aber gleichwohl die Schwierigkeiten, so erwirbt er sich ein desto reichlicheres Verdienst: er trågt dann einen Sieg über einen Andern davon, ich aber besiege mich selbst, indem ich meine Fehlgriffe eingestehe, und somit sind wir Beide Sieger. Ich ließe mir's auch in diesem Falle nicht leicht nehmen, daß immerhin die größeren Vortheile auf meiner Seite wären: denn Was ist wohl mehr werth, als gegen den Irrthum die Wahrheit eintauschen?

Worin bestehen nun aber meine Beweise und wie hat Herr Baur dieselben aufgenommen? Einer meiner Beweise lautet also: die Bekenntnißschriften der Lutheras ner legen dem noch nicht gefallenen Menschen das Ebenbild Gottes bei, dem gefallenen dagegen sprechen sie es dergestalt ab, daß es aus ihm vertilgt sei; nun aber verstehen sie unter dem Bilde Gottes im Menschen das Vermögen, Gott zu erkennen, ihn zu fürchten, ihm zu vertrauen und anderes Verwandte * d. h. überhaupt die religiöse Anlage; wenn sie daher dem gefallenen Menschen das Bild Gottes absprechen **), so behaupten

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*) Apolog. de peccat. orig. §. 7. p. 56 Inquit (scriptura) hominem ad imaginem et similitudinem Dei conditum esse. Quodquid est aliud, nisi in homine hanc sapientiam et justitiam effigiatam esse, quae Deum apprehenderet, et in qua reluceret Deus, hoc est, homini dona esse data notitiam Dei, timorem Dei, fiduciam erga Deum et similia.

**) Solid. Declar. I. de peccat. orig. §. 9. p. 614. Docetur quod peccatum originis sit horribiles defectus, concrea

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die Concordienformel läugne das Dasein der Vernunft im gefallenen Menschen in jedem Sinne des Wortes, alle geistige Anlage überhaupt, oder, als håtte ich dieser Bekenntnißschrift ungefähr die Meinung beigelegt, sie traue den armen Heiden nicht einmal mehr das Vermögen zu, das A B C und das Einmaleins zu lernen! Etwas dieser Art nun für absurd ausgebend, glaubt er meiner Darstellung einen tüchtigen Hieb beigebracht zu haben. Diese Beweisführung gegen mich angedeutet zu haben, ist genug.

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Der zweite Versuch, mich zu widerlegen, seßt einigen Zweifel darein, ob mit dem ersten Etwas ausgerichtet sei; denn Was sollte es auch nügen, wenn man den gefalles nen Menschen buchstabiren und rechnen läßt: Religion und Religiositåt läßt sich durch dergleichen Verrichtungen, so nüßlich sie auch sind, nicht gewinnen, wenn die geis stige Anlage dazu fehlt. Herr Baur schreitet also weiter; ehe ich ihm jedoch folge, muß ich die Bemerkung machen, daß Herr Baur in seinen positivsten Actionen gegen mich den orthodo- lutherischen Standpunct ganz und gar verläßt, und aus einer Betrachtungsweise der göttlichen Offenbarung gegen mich spricht, die nahe zu -dreisig Jahre alt ist. Die neumodischen Ansichten trägt er auf Luther, Melanchthon, und die Verfasser der Concordienformel auf eine durchaus ungeschichtliche Weise über, erklärt also ihre Aussprüche nicht aus ihnen selbst, fondern aus einer Weisheit, die ihnen durchaus fremd, ja ihrem ganzen Systeme in den tiefsten Grundlagen entgegengesezt ist. Obwohl ich mich erst weiter unten im dritten Theil dieses Capitels ausführlich hierüber verbreiten kann, weil Herr Baur auch erst im Verlaufe seiner Kritik meiner Schrift sein System, oder vielmehr

eine feit einigen Decennien überhaupt sehr gång und gåbe gewordene Ansicht der Religionsgeschichte ents wickelt, so muß ich doch mit zwei Worten schon hier davon sprechen, weil sie sich an dieser Stelle schon leise ankündigt. Aus dem Vordersage nämlich, daß der Mensch nicht gefallen sei, hat man den sehr folgerichtigen Schluß abgeleitet, daß er auch keiner Erhebung aus dem Falle bedürfe; das Christenthum wird hienach nicht als Erlösungs- und als Befreiungsanstalt aus einem Zus stande des Verderbens und der Verkehrtheit, sondern nur als eine höhere Stufe, oder auch als die höchste Stufe in der Kette der religiösen Entwicklungen der Menschheit betrachtet. Der Christ unterscheidet sich hienach vom Heiden, wie ein Schüler, der sich bereits in den Gleis chungen versucht, von einem andern, der nur erst die fünf Species erlernt hat. Von einer so beschaffenen Welt- und Religionsansicht aus operirt nun Herr Baur gegen mich; wenn daher in den symbolischen Schriften feiner Confession gesagt wird, daß der gefallene Mensch keine Kraft mehr habe, Gott zu erkennen, zu verehren und lieben, so sagt er: es werde nicht schlechthin alles religiöse Vermögen und alle religiöse Kraft damit gemeint, sondern nur die höhere durch das Christenthum erst hervorgetretene Kraft; diese nur håtte der gefallene Mensch nicht, obgleich er die religiöse Kraft an sich besize, er habe sie also nur als eine noch auf einer niedrigern Bildungsstufe befindliche! Hier spricht Herr Baur eine sehr kühne Ansicht von seinem Publicum aus, dessen Unkunde er für so groß hålt, daß er es auf eine so leichte Weise täuschen und zum Besten haben zu können glaubt. Er geht es also an.

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