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Tadel der theatral. Stellung beim Gebet.

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den Gottlosen Hände und Füße gebunden werden; und was thun diejenigen, welche im Angesicht Gottes ihre Hände falten, anders, als daß sie dem Herrn gleichsam erklären: Laß mir, o Herr, die Hände nicht erst binden, um mich in die äußerste Finsterniß hinaus zu werfen; denn siehe, ich selbst habe sie schon gebunden und bin zur Strafe bereit."

Etwas anders wird dieser Ritus in dem,,Gebetsschag" (thesaurus precum) erklärt, wo es heißt: „Wir erheben die Hände beim Beten, um die Erhebung des Herzens zu Gott anzudeuten, oder weil es himmlische Güter sind, um die wir bitten; wir falten sie, um an= zudeuten, daß unser Geist gesammelt und nicht durch andere Gedanken zerstreut ist; wir schlagen an die Brust, theils um unseren Abscheu vor der Sünde, deren Quell im Herzen ist, auszudrücken, theils um das steinerne Herz durch die Schläge zu erweichen."

Noch Andere haben in dem Zusammenfalten der Hände eine Aehnlichkeit mit dem Kreuze Christi finden wollen, irre geführt, wie es scheint, durch die Aussprüche einiger Kirchenväter, die den betenden Christen ein Abbild des gekreuzigten Christus nannten. Diese aber dachten sich nicht einen mit gefalteten, sondern mit ausgebreiteten Händen Betenden, wie dies aus der Aeußerung Tertullian's hervorgeht: ,,Wir erheben nicht nur die Hände, sondern breiten sie auch aus, indem wir das Leiden des Herrn darstellen."

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Dieses Beten mit erhobenen und ausgebreiteten Händen scheint überhaupt im christlichen Alterthum weit mehr Sitte gewesen zu sein, als das Beten mit gefalteten Händen, und Mancher mochte etwas darin suchen, in einer höchst theatralischen Stellung zu beten. Schon Cyprian mußte dergleichen rügen, und ebenso Chrysostomus mit stra= fendem Ernste davor warnen. Unglücklicher und Elender!" sagt er in seiner ersten Predigt über den Jesajas,,,du solltest mit Furcht und Zittern den englischen Lobgesang anftimmen, mit Zagen dem Schöpfer dein Bekenntniß der Schuld ablegen und damit Vergebung für deine Sünden erflehen. Du aber bringst Schauspieler- und Länzerkünfte hierher, indem du die Hände ungebührlich ausbreitest, mit den Füßen aufhüpfest und dich mit dem ganzen Körper herumdrehst. Wie? fürchtest du dich nicht? schauderst du nicht zurück, daß du dies bei solchen Worten wagst? denkst du gar nicht daran, daß der Herr selbst unsicht= bar hier gegenwärtig ist, jede deiner Bewegungen abmißt und dein Herz durchforscht? denkst du nicht daran, daß die Engel bei dem schauerlich heiligen Altartisch stehen und mit Ehrfurcht ihn umgeben? Aber du denkst nicht daran; denn dein Sinn ist verfinstert durch das, was du im Theater hörst und siehst, und darum führst du auch, was dort geschieht, hier in die Kirche ein."

Mag demnach das Beten mit ausgebreiteten Händen der Vorzeit auch noch so bedeutsam gewesen sein, so müßte man doch schon darum, weil es nur zu leicht zu dergleichen theatralischen Extravaganzen verleitete, dem demüthig stillen Falten der Hände, wie es bei uns üblich ist, den Vorzug geben.

166 Beten mit bedecktem und unbedecktem Haupt.

3. Das Beten mit vorgehaltenem Hute.

In Betreff der Entblößung oder Bedeckung des Hauptes beim Beten galt im christlichen Alterthum ganz allgemein die Vorschrift des Apostels Paulus 1. Kor. 11, 4 ff.:,,daß die Männer mit entblößtem, die Weiber aber mit bedecktem Haupte beten sollten," worüber Augusti in seinen „Denkwürdigkeiten" (Theil 5. S. 398.) folgende Erklärung gab: hier" (nämlich in dem Beten der Männer mit unbedecktem, der Weiber mit bedecktem Haupte) ist ein offenbarer Gegensah zum Judenthum, aber auch zum Heidenthum. In beiden galt der Hut oder die Müze als Zeichen der Freiheit und Unabhängigkeit. Der Christ soll, wie der Sclave vor seinem Herrn, mit entblößtem Haupte erscheinen, als Beweis seiner Abhängigkeit und Demuth. Dagegen erhält das Weib das Recht der Männer und die Freiheit, das Haupt zu bedecken. Daraus scheint auch die schwierige Stelle 1. Kor. 11, 10.: »ὀφείλει ἡ γυνὴ ἐξουσίαν ἔχειν ἐπὶ τῆς κεφαλῆς, am είπ= fachsten erklärt werden zu können. Es ist der Denkart des Apostels ganz angemessen, daß das Christenthum den geseßlichen Unterschied zwischen Mann und Weib aufhebe, wie aus Galat. 3, 20. deutlich erhellt. Das Weib soll also beim Gottesdienste einen Vorzug erhalten, dessen sich sonst nur der Mann erfreute, und dessen er sich zum Beweise sei= ner Demuth begiebt." Dieses vage Gerede ausführlich zu widerlegen, verlohnt sich nicht erst der Mühe, und die richtige Erklärung der beiden angeführten paulinischen Stellen dürfte wohl ziemlich das Gegentheil von dem sein, was Augusti meinte.

Es ist allerdings wunderbar genug, daß Paulus mit so viel Eifer bei den Männern das Beten mit unbedecktem Haupte fordert: denn als Sohn jüdischer Eltern mußte er von Jugend auf an das Beten mit bedecktem Haupte gewöhnt sein. Bei den Juden nämlich, wie bei allen orientalischen Völkern, war das Bedecken und Verhüllen des Hauptes ein symbolisches Zeichen der ehrfurchtsvollen Scheu, bei der man es nicht wagt, in den blendenden Strahlenglanz des Herrschers, vor dem man steht, hineinzuschauen. Daher wirft sich der Orientale zur Erde nieder und bedeckt das Antlig mit den Händen, wenn der Sultan sich zeigt; Moses und Elias verhüllten ihr Haupt, als Gott ihnen erschien; die Seraphim bedecken, nach der Darstellung des Jesajas (C. 6, 2.) ihr Antlig am Throne Jehovahs, und noch jest trägt der strengere Jude außer dem Hute ein Käppchen auf dem Kopfe: denn die allgemeine Sitte des Abendlandes gebietet ihm, den Hut abzunehmen; aber die Scheu vor der überall gegenwärtigen Schechinah (Majestät Jehovahs) verbietet ihm, mit ganz unbedecktem Haupte dazustehen.

Aus gleichem Grunde trugen die persischen Priester beim Opfer die Tiara und ebenso erschienen die römischen am Opferaltare mit bedecktem Haupte; ja die Kopfbedeckung war bei ihnen etwas so Wesentliches, daß sich selbst ihr Name »Flamines« davon herschreibt. Der Hut wurde zwar dem römischen Sclaven bei seiner Freilassung und dem Gladiatoren, wenn er in den Ruhestand versezt wurde, zum Zeichen seiner Freiheit übergeben, aber im Ganzen wenig getragen.

Schleier der Frauen im Alterthum.

167 Man ging gewöhnlich mit entblößtem Kopfe. Daher bat sich Cäsar beim Senat die Erlaubniß aus, den ihm zuerkannten Ehrenkranz immer tragen zu dürfen, weniger aus Ruhmsucht, als darum, weil er seinen Kahlkopf nicht so offen zur Schau tragen wollte; und der Kaiser Ha= drian machte fast seine ganze 17jährige Fußreise durch das römische Reich mit entblößtem Haupte. Wenn aber der römische Bürger einem Opfer beiwohnte, dann zog er aus ehrfurchtsvoller Scheu die Toga hoch herauf und verhüllte das Haupt damit. 1)

Nur die Griechen wohnten, wie sie gewöhnlich ohne Kopfbedeckung gingen, so auch dem Gottesdienste mit unbedecktem Haupte bei, und so sollte es, nach der Vorschrift des Paulus, auch bei den zum Christenthume Bekehrten fernerhin bleiben. Der Christ sollte mit entblößtem Haupte erscheinen, nicht (wie Augusti meinte) wie der Sclave vor dem Herrn, zum Beweise seiner Abhängigkeit und Demuth, sondern im Gegentheile, weil er sich mit frohem Muthe der durch Christum ihm erworbenen Kindesrechte bewußt sein und nicht die knechtische Furcht des Juden vor der Schechinah theilen sollte; er sollte das Haupt nicht bedecken, weil er, wie Paulus selbst erklärt, Gottes Bild und Ehre sei.

Die Frauen dagegen waren bei allen Völkern des Alterthums zum Gebrauch des Schleiers verpflichtet. Verschleiert wurde die Braut dem Bräutigam zugeführt, und der Römer Sulpicius Gallus verstieß seine Frau, als er erfuhr, daß sie sich außer dem Hause unverschleiert hatte blicken lassen. Nur die Jungfrauen scheinen in Griechenland das Vorrecht gehabt zu haben, bis zu ihrer Verheira= thung ohne Schleier und mit unbedecktem Haupte einher zu gehen; und so mochten sie auch in Korinth bei den Christenversammlungen erschei nen. Das aber mißbilligt der Apostel und fordert von ihnen, wie von den verheiratheten Frauen, daß sie mit verhülltem Haupte dem Gottesdienste beiwohnen sollten. An eine besondere, von dem Manne an das Weib abgetretene Freiheit, welche Augusti sich in und den Frauen auf den Kopf gesezt hat, ist demnach bei dem Ausdruck movsías nicht zu denken, und Luther hatte vollkommen Recht, wenn er wörtlich übersezte:,,Das Weib soll eine Macht auf dem Haupte haben, um der Engel willen." Die Bedeckung des Hauptes sollte nämlich nicht bloß ein Symbol der Unterordnung des Weibes unter den Mann, sondern auch zugleich eine schüßende Macht gegen. alle Angriffe der Verführung sein; das Weib sollte, wenn man ein Wortspiel wagen darf, behütet sein,,,um der Engel willen," wie Paulus, wahrscheinlich mit Hindeutung auf jene ausgearteten Söhne Gottes (1. Mose

1) Vergl. Virg. Aen. III. 403. ff.

Quin, ubi transmissae steterint trans aequora classes,
Et positis aris jam vota in littore solves,

Purpureo velare comas adopertus amictu,
Ne qua inter sanctos ignes in honore Deorum
Hostilis facies occurrat et omina turbet,

Hunc socii morem sacrorum, hunc ipse teneto,
Hac casti maneant in relligione nepotes.

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Nonnenschleier. Praris der neueren Zeit.

6, 2.), hinzuseßt, welche die Töchter der Erde, deren Schönheit fie mit verlangender Begierde sahen, zur Unkeuschheit verleiteten.

Dieser apostolischen Vorschrift bewahrte die Kirche lange Zeit hindurch Kraft und Geltung, und als zu Tertullian's Zeiten die Jungfrauen vor den verheiratheten Frauen das Vorrecht, unverschleiert in der Kirche zu sigen, haben und, wie Tertullian sich ausdrückt, nicht bloß sehen, sondern auch sich sehen lassen wollten, schrieb der strenge Kirchenvater darüber, daß die Jungfrauen verschleiert sein müßten,“ eine eigne Abhandlung, in der er ihnen unter anderen Gründen auch den anführt, daß sie schon nach heidnischen Begriffen den Schleier zu tragen hätten, da sie bereits durch die Taufe Christo, als ihrem Bräutigam, verlobt worden seien; und auf dieser Vorstellung beruht be= kanntlich auch der Gebrauch des Nonnenschleiers, dessen Annahme mit dem Abschneiden der Haare verbunden ist, weil dies die sicherste Bürgschaft schien, daß die einmal eingekleidete Braut Christi, durch das abgeschnittene Haar vor den Augen der Welt geschändet, um so inniger an dem himmlischen Bräutigam hangen und den Schleier, das Zeichen der Verlobung mit ihm, nie wieder ablegen werde..

Die spätere Zeit übrigens hat, namentlich in den nördlicher gelegenen Ländern Europa's, den (bei den Südländerinnen allerdings noch_bis jest gewöhnlichen) Gebrauch des Schleiers in der Kirche in Vergessen= heit kommen lassen, und von der altchriftlichen Praxis nur das beibehalten, daß das weibliche Geschlecht auch in der Kirche die Hauben und Hüte auf dem Kopfe behalten darf, während die Männer beim Eintritt in dieselbe den Hut abzunehmen haben, und erst beim Herausgehen wieder aufsehen dürfen. Vor etwa hundert Jahren war es allerdings auf dem Lande noch hin und wieder Brauch, daß die Bauern zwar bei dem stillen Vaterunser, das sie beim Eintritt in die Kirche beteten, den Hut abnahmen, ihn aber alsbald wieder aufftülpten und bis zur Vorlesung der Epistel und des Evangelii auf dem Kopfe behielten. Diese hörte man mit entblößtem Haupte an; alsdann wurde er aber sogleich wieder aufgesezt, und während der ganzen Predigt nur bei dem Namen "Jesus" abgenommen oder ein wenig gerückt.

Jest wohnen, die Quäker ausgenommen, welche bekanntlich auch bei ihren gottesdienstlichen Versammlungen den Hut auf dem Kopfe behalten, Alle, in den Städten wie auf dem Lande, dem Gottesdienste mit entblößtem Haupte bei, und höchstens sehen bejahrtere Männer, um sich gegen den nachtheiligen Einfluß der kalten Kirchenluft zu schüßen, ein Käppchen auf. Auch das Priesterkäppchen der katholischen Geistlichkeit ist nicht mehr so allgemein im Gebrauch, als ehedem. Zwar giebt es noch katholische Prediger, welche mit der gewissenhaftesten Pünktlichkeit auf der Kanzel das Käppchen abnehmen, wenn sie den englischen Gruß oder das Vaterunser beten, einen Bibelspruch anführen, die Jungfrau Maria, Christum oder irgend einen Heiligen beim Namen nennen, und es sofort wieder aufseßen, sobald sie mit ihren eigenen. Worten sprechen, so daß ihre ganze Gesticulation beim Predigen in dem Abnehmen und Aufsehen des Käppchens besteht, indeß läßt man es wohl auch hingehen, wenn Andere aus Besorgniß, daß sie im Eifer

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der Begeisterung die den Heiligen schuldigen Ehrfurchtsbeweise verges-sen könnten, ohne Käppchen predigen.

Was das in den protestantischen Kirchen übliche Beten mit vorgehaltenem Hute betrifft, so wurde es sinnreich genug gedeutet, wenn Manche auf das Beispiel des Mose und Elias hinwiesen, die auch ihr Antlig verhüllten, als Gott ihnen erschien. Mit mehr Recht jedoch erinnerten Andere daran, daß es im christlichen Alterthum allge= meine Sitte gewesen sei, das Gebet des Herrn, das man vor den Nichtchristen geheim hielt, und das selbst den Katechumenen erst kurz vor ihrer Taufe mitgetheilt wurde, um alles Belauschen zu verhüten, nicht nur ganz leise zu sprechen, sondern auch die Bewegung der Lippen möglichst zu verbergen. In unseren Zeiten ist das Vorhalten des Hutes natürlich nur ein Mittel, jeden Anblick, der uns beim Beten stören könnte, fern zu halten, und dies ist auch der Grund, warum die Frauen beim Gebet in der Kirche Kopf und Gesicht so tief, als möglich, niedersenken.

4. Das Beten des Vaterunser.

Die höchste Freude und der größte Schmerz sind stumm; ebenso verstummt auch die Andacht, wenn sie im Anschauen der Herrlichkeit und Heiligkeit des Hocherhabenen keine Worte finden kann, die der menschlichen Hinfälligkeit und Sündhaftigkeit, ihm gegenüber, geziemen. In solchen Stunden heiliger Weihe erstirbt das Wort auf den Lippen; lebhafter als sonst fühlt der Betende die Mangelhaftigkeit aller menschlichen Rede, und er versteht, was der Apostel Paulus meint, wenn er (Röm. 8, 26.) sagt: „Wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie fich's gebührt, sondern der Geist selbst vertritt uns aufs beste mit unaussprechlichen Seufzern."

Daher haben auch Viele nicht nur den Gebrauch von Gebetbuchern und das Beten nach Formularen unbedingt verworfen, sondern selbst in Betreff des Vaterunser erklärt, daß es nicht sowohl wörtlich nachgesprochen werden, als vielmehr nur ein Muster sein solle, nach welchem sich der Christ bei seinem jedesmaligen Gebete zu richten habe. Wenn also Dr. Paulus zu den Worten: Ihr sollt also beten," in seinem Commentare erklärend bemerkt: „nach folgendem Beispiel, nicht aber gerade immer in folgenden Worten," so hat er vollkommen Recht, und es ist nur Schade um die vielen unnügen Worte, welche die Rationalisten der älteren Zeit verschwendeten, um immer wieder aufs Neue zu beweisen, was in der ganzen Christenheit kein vernünftiger Mensch jemals bezweifelte. Die Kirche hat von den frühesten Zeiten an neben dem Gebete des Herrn eine Menge anderer Gebete gebraucht, allgemeine Kirchengebete, Gebete für die Katechumenen, für die Pönitenten, für die verschiedenen Feste 2c. 1), und nie

1) Selbst an Verfluchungsgebeten hat es nicht gefehlt, und noch bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts ließen sich hier und da Priefter für Geld bereitwillig finden, über Personen, welche man verflucht haben wollte, in der Kirche den sogenannten Judas- oder Fluchpsalm (Pf. 109.) zu beten.

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