Immagini della pagina
PDF
ePub

180

Nugen der Gebetsformulare.

in Seufzer oder Worte auszubrechen.“ Denn sicherlich ist es nur eine solche Gemüthsverfassung, in welcher ein wahrhaft andächtiges, und aus den innersten Tiefen des Herzens herausballendes Gebet gesprochen werden kann, und einem auf solche Weise bewegten Herzen wird es auch nicht leicht an eigenen Worten, wenigstens nicht an inhaltreichen Seufzern, fehlen, die der Vater im Himmel, der da weiß, was wir bitten, und ehe wir es bitten, ebenso wohl versteht, als Worte.

Aber eine solche Gemüthsstimmung ist nicht einmal bei den zum lebendigen Christenglauben Erwachten immer vorhanden; gerade fie begreifen es sehr wohl, wie der nachmals so glaubensstarke A. H. Franke im Gefühle öder Geistesleere verzweifelnd um das BetenKönnen beten konnte, und finden mit Recht schon darin ein Werk der göttlichen Gnade, wenn wir fühlen, daß wir nicht immer beten können.

Für solche Stunden geistiger Dürre haben nun die erfahrensten und einsichtsvollsten Christen der älteren und neueren Zeit gerathen, nach einem Buche zu greifen, nicht eben nach der Bibel; denn sie ist, wie sie treffend bemerkten, in solchen Zeiten ein verschloffenes Buch, in dem wir zwar Worte lesen, aus dem uns aber nicht der Geist Gottes anweht, sondern nach anderen Büchern, die, von christlich erfahrenen und glaubensstarken Männern geschrieben, uns die persönliche Gegenwart und die anregende, mündliche Unterhaltung mit ihnen ersehen sollen. Und wie sie das Benußen wahrhaft christlicher Erbauungsbücher gelten ließen, so waren sie auch weit entfernt, das Sprechen auswendig gelernter Gebetsformeln unbedingt zu verwerfen 1); am wenigsten das kurze, und doch die ganze Welt des Christen umfaffende Gebet des Herrn, von dem Luther treffend sagt: „Die ersten drei Bitten begreifen so große, treffliche, himmlische Dinge, daß sie kein Herz nimmermehr kann ausgründen. Die vierte Bitte fafset gleich wie in einem Büschel die ganze Policey und Deconomey, das weltliche und häusliche Regiment und alles, was leiblich und zeitlich ist. Die fünfte Bitte streitet wider den eigenen Teufel des bösen Gewissens, beide, angeborne und gethane Sünde, so das Gewissen beschweren 2c. Es hat's wahrlich ein weiser Mann gemacht, dem's niemand kann nach thun." (Vergl. feine Tischreden a. a. D.)

1) So äußert Luther (in seinen Tischreden vom Gebet und seiner Kraft“): Ich habe noch alle Tage an mir zu treiben, daß ich könne beten, und lasse mir genügen, wenn ich mich lege, die zehn Gebote, das Vaterunser und darnach einen Spruch oder zween zu sprechen, denke denselben etwas nach und schlafe also ein,“ und in der Anweisung, wie man sich des Morgens und des Abends segnen solle, heißt es in ähnlicher Weise: „Darauf“ (d. h. nach den Worten das walte Gott Vater, Sohn und heiliger Geist, Amen“) „sollst du knieend oder stehend den Glauben und Baterunser sprechen;" ebenso des Abends. (Vergl. Luth. kleinen Katechismus, und die beiden furzen Gebetlein daselbst, welche Luther zum Auswendiglernen für die Kinder bestimmte und die zum Theil noch jezt im Gebrauch sind.)

Altchristl. Gebrauch des Kreuzeszeichens.

6. Das Zeichen des Kreuzes.

181

Noch ist es gar nicht so lange her, daß auch bei den Protestanten nicht bloß vom Prediger bei der Taufe, bei der Consecration des Brotes und Weines im Abendmahl, und bei der Ertheilung des Segens, sondern auch von den Gemeinegliedern in der Kirche und zu Hause, das Zeichen des Kreuzes gemacht wurde 1), wie es in der katholi schen und griechischen Kirche so häufig wiederholt, und namentlich beim Eintritt in das Gotteshaus nie unterlassen wird; und auch dieser Ritus ist uralt.

Schon Tertullian 2) sagt: „Bei jedem Schritt und Tritt, den wir vorwärts thun, bei jedem Ein- und Ausgehn, beim Anziehen der Kleider und Schuhe, beim Waschen, bei Tische, am Abend beim Lichtanzünden, beim Liegen und Sißen, bei allen unseren täglichen Geschäften bezeichnen wir die Stirn mit dem Zeichen des Kreuzes." Ebenso sagt Prudentius 3) in einem seiner Hymnen:

„Eilst Du, vom Schlaf bewältigt,

Zur feuschen Lagerstätte,

So mach an Brust und Stirn' erst
Des Kreuzes heil'ges Zeichen.
Das Kreuz verscheucht das Böse;
Vor ihm entweicht das Dunkel;
Ein Herz, mit ihm bezeichnet,
Kennt nicht mehr banges Schwanken.
Entflieht, ihr Schreckensbilder
Beängstigender Träume!
Entweiche, du Verführer,
Mit deiner list'gen Bosheit!
Du ränkevolle Schlange,
Die du durch schlaues Schmiegen
Und tausendfält'ges Winden
Des Herzens Ruhe störest;
Entweiche! hier ist Christus;
Laß ab! denn hier ist Christus.
Dies Zeichen, das du kennest,
Verurtheilt deine Schaaren."

Wir würden übrigens den Kirchenvätern Unrecht thun, wenn wir bei ihnen aus dergleichen Aeußerungen auf abergläubische Vorstellungen von einer magischen Wirksamkeit des Kreuzschlagens schließen wollten; fie dachten dabei nur an die heilbringende Wirksamkeit des Kreu

1) So heißt es bekanntlich in Luther's kleinem Katechismus (in der Anweisung, ,,wie ein Hausvater sein Gesinde soll lebren, Morgens und Abends sich segnen"): „Des Morgens, so du aus dem Bette fährest, sollst du dich segnen mit dem heili gen Kreuz und sagen: das walt Gott der Vater, Sohn, heiliger Geist. Amen :c.“

2) Tertull. de coron. milit. c. 3. Ad omnem progressum atque promotum, ad omnem aditum et exitum, ad vestitum et calceatum, ad lavacra, ad mensas, ad lumina, ad cubilia, ad sedilia, quacunque nos conversatio exercet, frontem crucis signaculo terimus.

3) Prudent. hymn. 6.

[merged small][ocr errors]

zestodes, und das Bekreuzigen sollte bloß ein Erinnerungszeichen an denselben sein. Als Mittel aber, die abschweifenden Gedanken immer wieder zur Betrachtung jener Wunderthat der göttlichen Liebe zurückzuführen, konnte es allerdings in Stunden der Versuchung Schuß und Kraft gewähren, und darum nicht dringend genug empfohlen werden. Späterhin jedoch, als es zur bloß mechanischen Fingerbewegung wurde, ließ sich der Versucher damit gewiß nicht verscheuchen, sondern spottete vielmehr mit jenem Verse:

"Signa te, signa! temere me tangis et angis,« der seines künstlichen Baues wegen (weil er, vorwärts und rückwärts gelesen, gleichlautet) für Teufelspoesie galt, über die ohnmächtige Gegenwehr. Und eben darum, weil die Protestanten in dem Bekreuzigen einen, zum äußeren Formendienst gehörigen, Ritus sahen, ließen sie die uralte Sitte nach und nach abkommen, und sind damit zugleich auf die leichteste Weise allen Streitfragen über die Art und Weise, wie man fich bekreuzigen müsse, ausgewichen.

Gewöhnlich wurde nämlich das Kreuz entweder, wie es bei den Katholiken noch jezt häufig geschieht, mit der flachen Hand, oder mit dem Daumen, Zeige- und Mittelfinger gemacht, um auf die Trinität des göttlichen Wesens hinzudeuten. 1) Seit den Monotheletischen Streitigkeiten aber (633) brauchten die eifrigeren Anhänger der orthodoren Lehre nur den Daumen und den Zeigefinger, nicht etwa, weil der Mittelfinger die dritte Person in der Gottheit leugnete, sondern weil sie im Gegensatz zu den verhaßten Monotheleten (welche, wie die Monophysiten, in Christo nur Eine gottmenschliche Natur, und demnach auch nur Einen gottmenschlichen Willen annahmen) mit dem einen Finger den göttlichen, und mit dem anderen den menschlichen Willen vertheidigen wollten. In ähnlicher Weise wird bei den Ar= meniern das Kreuz nur mit dem Zeige- und Mittelfinger gemacht, worin die Raskolnik's (die Separatisten in der russischen Kirche) ihnen folgen, da der Mönch Martin, von Geburt ein Armenier, der 1149 nach Kiew kam, und als der eigentliche Urheber des Sectenwesens in Rußland zu betrachten ist, dies als die einzig richtige Art und Weise dargestellt, und jede andere, als kezerisch, verworfen hatte, während die orthodoxen Ruffen beim Kreuzmachen die drei ersten Finger (den Daumen, Zeige- und Mittelfinger) zusammenlegen, und die bei

1) Beide Arten, das Kreuz zu machen, sind in der katholischen Kirche unter den Namen des lateinischen" und des deutschen" Kreuzes noch jest gebräuchlich. Das erstere, so genannt, weil dabei eine lateinische Formel:,,In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen," oder „,Adjutorium nostrum in nomine Domini," oder „Deus in adjutorium meum intende," bisweilen auch „In nomine Domini nostri Jesu Christi" gesprochen zu werden pflegt, macht man, indem man mit der flachen rechten Hand zuerst Stirn und Brust, dann die linke und hierauf die rechte Seite berührt. Bei dem deutschen Kreuz dagegen werden, indem man die deutsche Formel: Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen“ svricht, mit dem vorgestreckten Daumen der rechten Hand, auf welchem der Zeigefinger mit den übrigen quer aufliegt, Stirn, Mund und Brust berührt.

"

Wirksamkeit des Kreuzeszeichens.

183

den leßten in die Hand zusammendrücken, um mit jenen auf die Trinität, mit diesen auf die beiden Naturen in Christo hinzudeuten. 1)

Als Grund, warum bei dem Kreuzeszeichen Stirn, Mund und Bruft berührt werden, wird von den Archäologen der älteren Zeit angegeben, daß dies geschehe, weil die Stirn der vorzüglichste Theil des menschlichen Körpers und der Siz des Geistes, der Mund dagegen das Werkzeug der so häufigen Verfündigungen durch Worte, und die Brust der Ort des Herzens sei, woraus die argen Gedanken auffteigen.

In Betreff der Wirksamkeit dieses Zeichens aber oder des "Poklon," wie es im Russischen heißt, wird in dem Katechismus der griechischen Kirche auf die Frage: Welche Kraft hat das Zeichen des Kreuzes?" geantwortet: Was der Name Jesu Christi des Gekreuzigten ist, wenn er gläubig mit der Bewegung der Lippen ausgesprochen wird" (dem Vorangehenden zufolge, wo des mit der Taufe verbundenen Erorcismus gedacht worden, ist dieser das Mittel, den Teufel zu vertreiben, wobei auf Mark. 16, 17.:,,In meinem Namen werden fie Teufel austreiben" hingewiesen wird), eben das ist auch das Zeichen des Kreuzes, wenn es im Glauben durch die Bewegung der Hand oder auf andere Weise gemacht wird, und da es nach dem Glauben der gemeinen Russen besonders beim Gähnen leicht geschehen kann, daß der lauernde Teufel in den offenstehenden Mund hineinschlüpft, so find namentlich ältere Frauen, wenn nichts mehr gegen das Gähnen hilft, doch wenigstens eifrig darauf bedacht, diesen Zugang durch unaufhörliches Bekreuzigen gegen den Teufel zu vertheidigen.

1) Von besonderer Wichtigkeit schien es, daß bei dieser Art, das Kreuz zu machen, der ausgestreckte Zeigefinger mit dem gekrümmten Mittelfinger die Zeichen IC (Jesus), der mit dem Ringfinger sich kreuzende Daumen aber den Buchstaben X und der gekrümmte kleine Finger den Buchstaben C, beide zusammen also die Zeichen X C (Christus) bildeten.

184

Altchristlicher Sonntagsgottesdienst.

VII.

Der Gottesdienst und seine liturgische Anordnung.

A. Der altchristliche Sonntagsgottesdienst. Machen gleich die mannigfachen kleineren Differenzen in der liturgischen Praris des Alterthums einerseits, und der Umstand, daß fich namentlich von den ältesten occidentalischen Liturgien nur höchst dürftige Fragmente erhalten haben, andererseits, eine für alle Kirchen des Alterthums bis ins Einzelne geltende Darstellung des altchristli= chen Gottesdienstes unmöglich; so sind doch die unter dem Namen des Apostels Jakobus auf uns gekommenen Verordnungen in den apostolischen Constitutionen so ausführlich, und tragen so unverkennbar die Spuren eines hohen Alterthums an sich, daß man, zumal, wenn man mit ihnen die Notizen der älteren Kirchenväter vergleicht, von dem altchristlichen Gottesdienst ein ziemlich vollständiges Bild erhält. Ihnen zufolge war er nämlich folgender:

I. Die Katechumenenmesse.

Sie begann damit, daß die Christen, wenn sie sich am frühen Morgen in dem Bethause versammelt hatten,

1) ein Sündenbekenntniß, Jeder still für sich, sprachen, so daß nur das Seufzen des sich selbst anklagenden Herzens und die unter mehr oder minder lautem Schluchzen vergoffenen Thränen der Buße die feierliche Stille unterbrachen. Dann folgte

2) der Psalmengesang, der stets mit dem 63. Psalm 1) be= gann, welcher von dem Vorsänger angestimmt und von der Gemeine weiter gesungen wurde. Nach Beendigung dieses Morgenliedes sang man im Pfalter da weiter fort, wo man das vorige Mal stehen geblieben war, und hatte man die festgesezte Zahl von Psalmen (zur Zeit Caffian's war sie auf 12 festgestellt) beendigt, so schloß man mit dem kurzen Lobgesang: „Ehre sei dem Vater, dem Sohne und dem heiligen Geiste," der in den occidentalischen Kirchen 2) am Schuß jedes einzelnen Psalm gesungen wurde.

1) Athanas. dẹ virginit. (tom. II. p. 122. ed. Paris. 1698). IIoos ὄρθρον τὸν ψαλμὸν τοῦτον λέγετε· ὁ θεὸς, ὁ θεός μου, πρὸς σὲ ὀρθρίζω· ἐδίψησέ σου ἡ ψυχή μου.

2) Vigilant. ep. 2. ad Eleuth. c. 2. In fine psalmorum ab omnibus catholicis ex more dicatur: Gloria patri etc.

« IndietroContinua »