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260 Die beiden Grundlehren des Protestantismus.

von überzähligen guten Werken, sondern vielmehr den Ausspruch: ,,Wenn ihr Alles gethan habt, was euch befohlen ist, so sprechet: wir sind unnüße Knechte; wir haben gethan, was wir zu thun schuldig waren" (Luk. 17, 10.), und klar und deutlich stand es fortan vor feiner Seele:

,,Nicht durch eigene gute Werke, und noch weniger durch das fremde Verdienst der sogenannten Heiligen, sondern einzig und allein durch die freie Gnade Gottes in Christo, die sich der Mensch im Glauben anzueignen habe, könne er selig werden." Diese große Wahrheit, die eine von den beiden Fundamentallehren des evangelischen Protestantismus, war es, welche wie eine Sonne die düstere Nacht seiner Zweifel erhellte, mit denen er lange Zeit hindurch bis zur äußersten Ermattung gerungen hatte.,, wie mit viel großer Mühe," sagt er in Beziehung auf den harten Kampf, den ihn die Entdeckung und Anerkennung dieser Wahrheit kostete, in einem Briefe an die Augustiner zu Wittenberg,,,habe ich, auch durch gegründete heilige Schrift, mein eigen Gewiffen kaum können rechtfertigen, daß ich Einer allein wider den Papst hab dürfen auftreten! - Wie oft hat mein Herz gezappelt, mich gestraft und mir vorgeworfen ihr einig stärkstes Argument: Du bist allein klug? sollten die Anderen alle irren und so lange geirrt haben? Wie, wenn du irrest und so viel Leute in Irrthum verführest, welche alle ewiglich verdammt würden? bis so lang, daß mich Christus mit seinem einigen gewissen Worte be= vestigt und bestätigt hat." 1) Von da an aber war es ihm auch die theuerste und gewisseste Grundwahrheit des ganzen Christenthums; auf fie kam er im Kampf mit den Gegnern immer wieder zurück, und da diese ihn nicht aus der heiligen Schrift widerlegten, sondern sich fort und fort auf die Autorität der Kirche und auf päpstliche Decrete beriefen, so sprach er auch bald unbedenklich in dem wichtigen Saße:

,,Die heilige Schrift ist die alleinige Erkenntnißquelle und Nichtschnur des christlichen Glaubens, und gegen ihre Ausfprüche vermögen weder Kirchenlehren noch päpstliche Decrete etwas,"

die zweite entscheidende Grundlehre der evangelischen Kirche aus.

Wenn sich nämlich Luther zur Vertheidigung seiner Gnadenlehre auf die Bibel berief, so war dies eine Autorität, welche die Kirche an= erkennen mußte; und wenn er behauptete, daß sie als die Erkenntnißquelle und Richtschnur des christlichen Glaubens anzusehen sei, so war auch dies eine Behauptung, deren Richtigkeit seine Gegner nicht leugnen konnten oder durften. Der einzige Unterschied zwischen beiden bestand darin, daß er zwischen der Bibellehre und den Aussprüchen und Decreten der Kirchenlehrer und Päpste einen Unterschied machte und Widersprüche fand, während die römische Kirche stets behauptet hatte und behaupten mußte, daß jene Aussprüche und Decrete nichts enthielten, was nicht in der Bibel, sofern sie richtig erklärt und verstanden wird, enthalten oder aus ihr abzuleiten sei.

1) Walch, „Luthers Werke" Thl. XIX. S. 1305.

Luther's Schrift gegen die Winkelmesse.

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Während daher Luther seinerseits von Widersprüchen gegen die Bibellehre und von willkürlichen Menschensaßungen sprach, nannten die Gegner ihrerseits seine Schrifterklärung eine willkürliche und irrthümliche, und warfen ihm seine,,Anmaßung" vor, daß er die heilige Schrift beffer verstehen wolle, als die Kirche, welche allein bestimmen könne, wie sie zu verstehen sei. Wollten nun Luther und seine Nachfolger troßdem ihre Berufung auf die Bibel geltend machen, so mußten sie zugleich darauf dringen, daß dieselbe an und für sich klar und deutlich genug sei, um von Jedem, der sie mit unbefangenem, from= men Sinne lese, verstanden zu werden, und daß nicht bloß der römische Papst das Recht habe, sie zu erklären, sondern jeder einzelne Christ ganz ebenso befugt und berechtigt sei, in ihr zu forschen, um seines Glaubens gewiß zu werden.

Daher war es auch eine seiner ersten reformatorischen Arbeiten, in seiner Bibelübersehung seinen deutschen Landsleuten das Buch ihres Christenglaubens deutsch in die Hände zu geben, und eine seiner vorzüglichsten Sorgen die, daß die Predigt, oder die Erklärung und Anwendung der Bibelterte, wiederum zur wesentlichsten Hauptsache beim Gottesdienste wurde, während die Messe, inwiefern sie etwas anderes, als die ursprüngliche Abendmahlsfeier war, ganz weichen mußte.

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,,Du hast," sagt Luther 1) in seiner 1524 herausgegebenen ,,Schrift von dem Gräuel der Stillmeffe," im Evangelio gehört und gelernt, daß unserer Sache, von Sünde, Tod, Teufel, bösem Gewissen errettet zu werden und zu rechtschaffener Frömmigkeit vor Gott und zum ewigen Leben zu kommen, in keinem Wege zu rathen noch zu hel= fen sei mit Worten, noch Gesezen, wie sie immer sein und genannt werden können. Denn Gott will kein ander Mittel noch Mittler leiden, denn seinen einigen Sohn, welchen der Vater allein darum in die Welt gesandt und sein Blut hat laffen kosten, daß er damit uns den Schat des Glaubens erwürbe. Das ist kürzlich die Summa des Evangelii, das wir predigen. Ist nun dies Evangelium wahr, so muß alles erlogen sein, was eine andere Weise und Opfer führet. Nun thun die papistischen Pfaffen in der Messe nichts anderes, denn daß sie ohne Unterlaß mit solchen Worten fahren: wir opfern, wir opfern, und diese Opfer, diese Gaben 2c., und schweigen des Opfers gar still, das Christus gethan hat, danken ihm nicht, ja verachten's und verleugnen's, und wollen selbst vor Gott kommen mit ihrem Opfer. Lieber, was wird Gott dazu sagen, wenn du darfst also vor ihn treten? Er wird sagen: muß ich denn dein Narr und Lügner sein? Ich habe dir ein Opfer geschenkt, meinen einigen Sohn; das solltest du mit Dank und allen Freuden annehmen, und schweigest deß stille, gleich als dürftest du sein nicht, und verachtest den allerhöchsten Schaß, den ich im Himmel und auf Erden habe." Weiterhin geht Luther alle einzelnen Theile der Messe durch und zeigt mit treffenden Gegenbemerkungen, wie sehr sie im Ganzen und Einzelnen der biblischen Versöhnungslehre widerspreche.

1). Walch, „Luther's Werke" Thl. XIX. S. 1462 f.

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Luther's rechte christliche Messe."

Gleich bei dem Anfangsgebet des Canons ,,Wir bitten dich demüthiglich, gnädigster Vater, durch Jesum Christum, deinen Sohn, unseren Herrn, daß du dir wollest angenehm lassen sein, and segnen diese Gaben, diese Geschenke, diese heiligen, unbefleckten Opfer 2c.," entgegnet er treffend: Wie darfst du, elender Mensch, so unverschämt vor die hohe, göttliche Majestät treten? Soll er das Opfer und die Gaben ansehen, welches doch nichts ist, denn Brot und Wein, noch ungesegnet? Sollen wir Gott einen Bissen Brot und Wein anbieten, daß er's nehmen wolle für die Christenheit, und dazu sagen, es sei ein heilig unbefleckt Opfer? Ift's heilig und unbefleckt, was soll er's denn ansehen und segnen? Soll er's aber ansehen, und an= genehm sein laffen und segnen, wie nennest du es denn ein unbefleckt und heilig Opfer? Ist es nicht ebenso viel gesagt, Gott soll sich las= sen mit Brot und Wein versöhnen, das doch nichts mehr, denn ein ander Brot ist, davon Jedermann ißt, und du sprichst, es soll heilig sein, und ein Opfer, Gott gegeben, und ißest es hernach selbst, und willst noch dazu solches opfern für die ganze heilige christliche Kirche und alle Gläubigen." In ähnlicher Weise wird das Uebrige widerlegt.

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Je klarer nun Luther durch diese und ähnliche Schriften dem Volke das Unchristliche der Still- und Winkelmesse darzulegen wußte, desto leichter ließ sich der evangelisch gesinnte Theil desselben bewegen, zu der biblischen Abendmahlsfeier zurückzukehren, und er konnte schon 1533 in seiner Schrift von der Winkelmesse und Pfaffenweihe 1) sa= gen: Gott sei gelobt, in unseren Kirchen können wir einem Christen eine rechte christliche Messe zeigen, nach Ordnung und Einsehung Chrifti, auch nach der rechten Meinung Christi und der Kirche. Da tritt vor den Altar unser Pfarrherr, Bischof oder Diener im Pfarramt, recht redlich und öffentlich berufen der finget öffentlich und deutlich die Ordnung Christi, im Abendmahle eingeseßt, nimmt das Brot und Wein, danket, theilt es aus, und giebt es, in Kraft der Worte Chrifti: „das ist mein Leib, das ist mein Blut, solches thut zu meinem Gedächtniß“ uns Anderen, wie wir da sind, und empfahen wollen; und wir, sonderlich, so das Sacrament nehmen wollen, knieen neben, hinter und um ihn her, Mann, Weib, Jung, Alt, Herr, Knecht, Frau, Magd, Eltern, Kinder, wie uns Gott allda zusammenbringet, allesammt rechte heilige Mitpriester, durch Christi Blut geheiligt, und durch den heiligen Geist gesalbt und geweiht in der Taufe. Und in solcher unserer ange= bornen, erblichen, priesterlichen Ehre und Schmuck sind wir da, haben, wie Offenbar. 4, 4. gebildet ist, unsere güldenen Kronen auf den Häuptern, Harfen in der Hand und güldene Rauchfäffer, und lassen unseren Pfarrherrn nicht für sich, als für seine Person, die Ordnung Christi sprechen, sondern er ist unser Aller Mund, und wir Alle sprechen sie mit ihm von Herzen, und mit aufgerichtetem Glauben zu dem Lamm Gottes, das da für und bei uns ist, und seiner Ordnung nach uns speiset mit seinem Leibe und Blut. Das ist unsere Messe, und die rechte Meffe, die uns nicht fehlet."

1) Walch,,,Luther's Werke“ Thl. XIX. S. 1561.

Luther's Formula Missae."

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Im Uebrigen behielt er, theils, weil er es bedenklich fand, bei den Gemeinen, statt des bisher gewohnten Gottesdienstes, mit einem Male einen ganz anderen einzuführen, theils, weil er überzeugt war, daß der evangelische Glaube, sobald er lebendig geworden, und zum klaren Bewußtsein gekommen sein würde, von selbst alles Fremdartige absondern, und die, seinem Wesen am meisten entsprechenden Formen finden werde, in seiner ersten Ordnung des Gottesdienstes, der "Formula Missae (1523) von dem bisherigen katholischen Ritual Alles bei, was er der Bibellehre nicht geradezu widersprechend fand 1):

1) den Introitus (,,obwohl, wie er dabei bemerkt, die Psalmen,
aus welchen sie genommen sind, uns dafür lieber wären");
2) das Kyrie Eleison, wie man's bisher gebraucht hat in man-
cherlei Melodie und Weise, nach Unterschied der Zeit;"
3) bas Gloria in excelsis:

4) das folgende Gebet der Collecta, „so es anders christlich ist,
als da sind alle die, so man an Sonntagen hält ;"

1) In ganz ähnlicher Weise erklärte auch Dr. Urbanus Regius in der Hannoverschen Kirchenordnung (1536): „Dieweil wir auch gräuliche Irrthümer und Mißbräuche in der hohen Ceremonia, Missa genannt, durch Gottes Wort ersehen haben, welche durch Menschen zu der wahren apostolischen Messe_zugefeßt sind, und uns die tröstlich Testament und Sacrament verfinstern und unbekannt machen, haben wir nach St. Pauli Lehre probirend alles, und was gut ist, das heißt, was in der Messe dem heiligen Evangelium mithellig und nicht widerwärtig ist, behalten, aber was wider das Evangelium ist, abgestellt.

St. Gregorius schreibt in Regest. VIII. ep. 63. ad Johannem episc. Syracusanum, daß der Apostel Weise, Messe zu halten und zu consecriren gewesen sei, daß sie allein das Vaterunser gebetet haben in ihrer Consecrirung. Aber andere Gebete, so man jeķt Canonem Missae nennt, und in der Consecration gebraucht, habe Einer, mit Namen Scholasticus, gemacht, daß man sie über die Oblation sprechen solle. Derhalben sehen wir, daß die Messe der Apostel eine sehr feine, furze, reine Ceremonie gewesen ist, darin sie die Worte Christi im Nachtmahl sammt dem Baterunser gesprochen haben. Aber nachmals haben die Päpste immer etwas mehr dazu gethan, bis daß eine solche Ceremonie ist worden mit sehr viel menschlicher Tradition geflickt. Cölestinus setzet zur Messe den Introitus; das Kyrie eleison neunmal zu singen, hat Gregorius M. aufgesett in der römischen Kirche, als Platina schreibt. Jedoch ist es erstlich von der griechischen Kirche_herkommen, und das Hallelujah von Jerusalem. Die Beichte vor dem Altar seßet Damasus, ein Hispanier. Den englischen Lobgesang Gloria in excelsis ordnet Papst Telesphorus, die Epistel und das Evangelium Hieronymus; Papst Marcus verordnet das Symbolum Nicaenum in der Messe zu singen, Sixtus I. ordnet das Sanctus zu singen. Diese Stücke alle wollen wir gern mithalten, wiewohl sie durch) die Bischöfe zugesetzt sind, dieweil sie aus göttlicher Schrift gezogen werden.

Aber die Collecten, welche uns auf der Heiligen Verdienst weisen, unser Vertrauen auf pur lautere Menschen und ihre Werke zu sehen, laffen wir billig fahren. So lassen wir auch den Canonem, von Menschen gemacht, fahren, und behalten den apostolischen Canonem. Denn wir können und sollen nicht zweifeln, daß die apostolische Messe sei die rechte, vollkommene Messe, die Christus selbst aufgeseht hat.

So lassen wir nun am Feiertag die apostolische Messe, des Herrn Nachtmahl halten, und wenn's sonst Krankheits halber den Leuten von Nöthen ist, mit ehrlichen Ceremonien, und was entweder nicht von Nöthen ist, als Waffer in Wein gießen, räuchern, so viel Kreuze machen, und dergleichen Gebehrden, oder was wider Gottes Wort ist, das lassen wir fahren." Vergl. Richter, die evangel. Kirchenordnungen des XVI. Jahrh. I. 275.

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Luther's Formula Missae."

5) die Epistel;

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6) das Graduale sammt dem Hallelujah;

7) das Evangelium, „dabei wir weder gebieten, noch verbieten, Licht brennen oder Räucherung; sondern es soll Jedermann frei fein ;"

8) das Singen des Nicänischen Glaubensbekenntnisses, ,,wie je und je gewöhnlich gewesen;"

9) die Predigt (wobei er hinzuseßt,,,daß es nicht daran gelegen ist, sie werde nach dem Patrem 1), oder vor dem Introitus gehalten");

10) die Präfation, in derselben Weise, wie bei der katholischen Messe;

11) die Consecration nebst dem Sanctus und Benedictus, und unter dem Benedictus soll das Brot und Kelch nach altem Brauch aufgehoben werden;"

12) bas Pater noster, und nach dessen Beendigung das Pax Domini;

13) die Austheilung des Sacramentes, das der Priester ,,beiden, ihm selbst und dem Volke, reichen soll, indeß man das Agnus Dei fingt;"

14) das Benedicamus Domino (Dankgebet für den Genuß des Abendmahls), worauf der Priester den gewöhnlichen Segen über das Volk sprechen soll, entweder: „Der Herr segne dich ic." oder Pf. 67, 7. 8.:,,Es fegne uns Gott, unser Gott; er segne uns, und alle Welt fürchte ihn."

Doch sollte mit dieser Formula Missae eben nur gezeigt wer= den, inwieweit man die päpstliche Meßordnung auch beim evangelischen Gottesdienst einstweilen noch gebrauchen könne. Dies be= weist seine, drei Jahre später herausgegebene deutsche Messe (1526)," welche vom päpstlichen Ritual minder abhängig ist, sich durch größere Einfachheit unterscheidet, und das eigenthümliche Wesen eines, nach evangelisch-lutherischen Grundfäßen geordneten Gottesdienstes flarer hervortreten läßt, obwohl, wie Luther selbst bemerkt, auch diese, wie die frühere Weise des Gottesdienstes vornehmlich „um der einfältigen Layen willen angeordnet sei, die Jugend zu üben, und die Anderen zum Glauben zu rufen und zu reizen, bis daß die Christen, so mit Ernst das Wort meinen, sich selbst finden und anhalten."

Ueberhaupt, meinte er in seiner Vorrede zur ,,deutschen Messe," müffe man dreierlei Formen des Gottesdienstes und der Messe unterscheiden.,,Erstlich eine lateinische, welche wir zuvor haben lassen ausgehen, und heißt Formula Missae. Diese will ich hiermit nicht aufgehoben oder verändert haben, sondern wie wir sie bisher bei uns gehalten haben, so soll sie noch frei sein, derselbigen zu gebrauchen,

1) Bekanntlich die herkömmliche Bezeichnung des Glaubensbekenntnisses, das für den Chor mit den Worten ,,Patrem omnipotentem" begann; denn die Anfangsworte,,Credo in unum Deum" intonirte der Priester.

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