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Liturgischer Werth der neuen Agende.

digend nachweist, folgenden Weg eingeschlagen. „Sie hat es als ideelle Anforderung hingestellt, sowohl für den Gottesdienst, daß er nicht ohne Communion sein dürfe, als auch für die Gemeine, daß immerfort ein Hunger nach dem Sacrament in ihr sein und der Tisch des Herrn nie ohne Gäste bleiben dürfe. Demgemäß ist in allen lutherischen Agenden von echtem Typus denn die zwischen der lutherischen und der reformirten Praxis in der Mitte stehenden weichen hierin allerdings ab der sonntägliche Hauptgottesdienst so geordnet, daß die Abendmahlsfeier den das Ganze vollendenden Schlußtheil bildet. Aber die Kirche drängte wiederum auch keinen Einzelnen zum Tisch des Herrn, sondern ordnete für den Fall, daß derselbe leer blieb, nur die Vorle= sung der oben erwähnten Vermahnung" wegen Versäumniß des Sacraments an, wobei sie auch darin große Vorsicht bewies, daß der Prediger diese Vermahnung nicht frei aus sich heraus sprechen durfte, sondern aus der Agende wörtlich vorlesen mußte, damit das objective Wort der Kirche ihn vor jeglichem Verdacht der Gemeine schüße.“

Die Neue Agende hat nun zwar diese Vermahnung weggelassen, aber für den Fall, daß keine Communicanten da sind, einen liturgischen Schlußtheil angeordnet, wie ihn bereits Bugenhagen für diesen Fall feststellte (vergl. S. 270.) und Jeder, der Gelegenheit ge= habt hat, dem auf solche Weise in der Berliner Domkirche abgehaltenen Gottesdienst beizuwohnen, wird, wenn er unbefangen urtheilen will, gewiß zugestehen, daß ein solcher dritter Theil (Präfation, Sanetus, Vaterunser, Schlußcollecte und Segen) nicht nur die gottesdienstliche Feier würdiger abschließt, als wenn die Gemeine unmittelbar nach der Predigt mit dem Segen entlassen wird, sondern auch eine, zwar stumme, aber eben darum vielleicht desto eindringlichere Ermahnung zur Theilnahme an der Abendmahlsfeier ist.

Was konnten indeß selbst die anerkennenswerthesten Vorzüge der Agende in liturgischer Beziehung helfen, um diejenigen Gegner mit ihr auszusöhnen, denen ihr dogmatischer Charakter anstößig war, und die zwar nicht, wie die streng lutherischgesinnten Opponenten von Anfang an laut widersprachen, sondern sich vielmehr den Anordnungen der Kirchenbehörde willig fügten, ja, sich über die Agende freuten, weil diese das Unterpfand einer Union schien, die ihrer Meinung nach nur durch vollständige Beseitigung der symbolischen Bücher beider Kirchen zu Stande kommen konnte, wenn diese symbolfeindlichen Freunde der Union sich von Tag zu Tage mehr überzeugen mußten, daß ihre Freude eine vergebliche und ihre Hoffnung eine eitele sei, indem das Kirchenregiment nicht die mindesten Anstalten machte, um zur Ausführung zu bringen, was sie selbst durch die Agende so sicher verbürgt glaubten? Für den ersten Anfang ließ sich allerdings nichts weiter thun, als schweigen. Denn wie hätte man gegen den Gebrauch einer Agende, die man, um einen recht entschiedenen Gegensaß zu den separatistischen Altlutheranern" zu bilden, mit so großer Bereitwilligkeit angenommen, unmittelbar darauf protestiren können? Aber die, längere Zeit hindurch im Schweigen verharrende Abneigung wurde darum nicht schwächer, und es bedurfte nur einer äußeren Veranlassung, um sie laut werden zu lassen. Diese aber ward ihr, abgesehen von anderen Motiven,

Die Deutsch-Katholiken.

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deren Erörterung mehr in das Gebiet der Dogmatik und Dogmengeschichte gehört, vornehmlich durch das Hervortreten der deutsch-katholischen" Partei gegeben, die in Betreff ihrer gottesdienstlichen Einrichtungen hier nicht unerwähnt bleiben darf.

H. Die Deutsch - Katholiken.

Gewöhnlich wird der von Johannes Ronge am 1. Oktober 1844 geschriebene Brief gegen den Bischof Arnoldi in Trier, und das am 27. Oktober desselben Jahres von Joh. Czerski und seiner aus dem Verband der römisch-katholischen Kirche ausgeschiedenen Gemeine zu Schneidemühl bei der Staatsbehörde eingereichte Gesuch um Anerkennung als Anfangspunkt der durch die Deutsch-Katholiken in der katholischen Kirche entstandenen Bewegung angesehen; und äußerlich betrachtet mögen diese beiden gleichzeitig und doch unabhängig von einander veröffentlichten Erklärungen auch immerhin dafür gelten. Nur wird man, um den Eindruck, den dieselben in ganz Deutschland und weit über die Grenzen Deutschlands hinaus machten, richtig zu würdigen, nicht unbeachtet laffen dürfen, daß schon lange vorher Manches geschehen war, was scheinbar spurlos verschwunden und vergessen, die Gemüther darauf vorbereitet hatte.

In Schlesien hatte schon am 2. November 1826 eine Anzahl katholischer Geistlichen dem Fürstbischof von Breslau eine Bittschrift überreicht 1), deren Inhalt deutlich erkennen läßt, daß, wie die Verfaffer sich ausdrücken, nicht Neuerungssucht, nicht Menschengefallen, nicht eigener Vortheil, sondern nur das Heil der Kirche, das Wohl des Volkes, des Herzens tieffter Drang und die laute Stimme des Gewissens sie bewogen," auszusprechen, was Se. Fürstbischöfl. Gnaden gewiß schon längst mit ihnen werde gefühlt und gewünscht haben. Nicht mit Unrecht bemerken sie, nachdem sie vorher mit aller Bescheidenheit erklärt:,,Sind unsere Ansichten irrig, so irren wir aus redlicher Absicht und eine liebevolle Belehrung werden wir mit Liebe aufnehmen," in Betreff des kirchlichen Gottesdienstes: In hoher Würde und prunkloser Einfachheit stellt sich uns der katholische Gottesdienst der ersten Jahrhunderte als ein großes, feierliches Ganze, als eine innige Gemeinschaft zwischen Priester und Volk, als ein unmittelbares Band zwischen Gott und der Menschheit dar. Derjenige Theil unserer liturgischen Formulare, der noch aus den ersten Jahrhunderten der Kirche stammt, bewährt noch jezt durch Salbung und Kraft den lebendigen Geist der Frömmigkeit jener ersten Zeiten. Aber schon früh fing man

1) Jm Druck erschien dieselbe unter dem Titel: die Finsterniß in der katholischen Kirche Schlesiens. (Hannover, 1826.)

Erster Sieg des Lichtes über
Ein interessantes Aktenstück.“

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Wünsche einer Reform des kathol. Cultus.

an, den Glanz unseres herrlichen Cultus zu verdunkeln. Um Juden und Heiden zur Annahme des Christenthums geneigt zu machen, bildete man ihren Gebräuchen und Festen neue Gebräuche und Feste nach, gab ihnen eine christliche Bedeutung und nahm sie in den Cultus der neuen Lehre auf. So kam es, daß allmälig eine Menge von Mißbräuchen, welche die reine Lehre des Evangelii und den herrlichen Cultus der ersten Kirche entstellten, sich in die Liturgie einschlichen. Ja, auch jener Theil des Cultus, der rein ist von schiefen Begriffen und unreinen Empfindungen, muß oft den denkenden Seelsorger und Liturgen stören, insofern viele Handlungen, auf welche sich die noch_üblichen Formulare beziehen, in unserer Liturgie gar nicht mehr stattfinden, oder wenigstens aus der alten Ordnung herausgerissen sind, wodurch die Formulare bedeutungslos geworden sind, während andere, selbst die wichtigsten Handlungen, ganz unerklärt dastehen. Diese Disharmonie der Form mit der Handlung, des Zeichens mit dem Bezeichneten, des Wortes mit der Sache, stört den Liturgen, der in den Geist und die Bedeutung der Form eingedrungen ist. Es stört ihn, Worte ohne Bedeutung aussprechen und Handlungen ohne das lebendige Wort verrichten zu müssen."

Indem sich die Verfasser weiterhin auf die liturgischen Arbeiten eines Werkmeister, Winter, Pracher, Huber, Selmar, Busch, Brenner und Brunner, ferner auf die Wünsche, Vorschläge und Formulare in katholischen Zeitschriften," wie die Ulmer Jahresschrift für Theologie und Kirchenrecht der Katholiken, die Tübinger Quartalschrift, das Archiv der Pastoralconferenzen des Bisthums Constanz 2c. berufen, gehen sie sodann zur Darlegung ihrer speciellen Wünsche über; und das Erste, was sie hier namhaft machen, ist die Einführung des kirchlichen Gemeinegesangs und eines den Bedürfnissen der Gemeinen entsprechenden Gesangbuches, wobei sie darauf hinweisen, daß nicht nur im jüdischen Tempel- und Synagogengottesdienst der Psalmengesang üblich gewesen, sondern daß auch Christus selbst mit seinen Aposteln bei der feierlichen Einsegung des Abendmahls den Gesang geheiligt habe. Erst zu der Zeit, da der Gottesdienst unserer Kirche nicht mehr ein großes, feierliches Zusammenwirken der Priester und des Volkes darstellt, und man das Volk von dem Heiligthum fern zu halten sucht, nimmt auch die Theilnahme deffelben am Gesang ab, bis sie endlich ganz aufhört. Wir können daher nichts sehnlicher wünschen, als daß der Gesang des Volkes wieder in unseren Gottesdienst zurückkehre — und Wehmuth, tiefe Wehmuth ergreift uns, wenn wir unserem Volk gar in fremder Sprache vorsingen und vormusiciren laffen müssen, während es unthätig dasißt, sich langweilt, oder, wo es eifriger ist, sich selbst zu erbauen sucht, und es doch nicht vermag." Der zweite Wunsch betrifft die Einführung der Muttersprache beim Gottesdienst. Bedient sich," erinnern die Verfasser hierbei, jedes Volk der ihm von Gott verliehenen Sprache in allen übrigen Lebensverhältnissen, warum nur da nicht, wo es den schönsten Gebrauch davon machen könnte? Wahrlich, es müßte etwas unaussprechlich Segenvolles für das Gemüth des Menschen sein, in der erhabensten Stimmung und das ist doch gewiß der Moment, wo er in die un

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Wünsche einer Reform des kathol. Cultus.

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mittelbare Verbindung mit Christo, seinem Heiland, tritt, wie es in der Messe geschehen soll sich da der Muttersprache bedienen zu können. Was würde Paulus sagen, wenn er in unsere gottesdienstlichen Versammlungen träte, und hörte die Priester in einer dem Volke unverständlichen Sprache reden? Entgegnet man uns, die lateinische Sprache sei ein passendes Symbol der kirchlichen Einheit, so erwidern wir: die Einheit der katholischen Kirche besteht im Lehrbegriff, in den wesentlichen Theilen des Cultus und in der von Christo angeordneten Verfassung. Sind wir in diesen Punkten einig, wozu haben. wir ein Symbol nöthig, da wir die Sache haben? Wären wir aber nicht einig, so würde es etwas andeuten, was nicht da wäre und somit täuschen; es würde glauben machen, wir hätten die Sache, weil wir ihre Zeichen haben, und uns beruhigen, während wir erst recht auf die Sache hinarbeiten sollten. Welche rührende Einheit kann es auch wohl sein, wenn keine Gemeine in der ganzen katholischen Welt ihre Priester versteht? Ein den Klerus und das Volk gleichmäßig erbauender Gottesdienst aber ist gewiß so lange undenkbar, als die lateinische Sprache aus unserer Liturgie nicht verdrängt ist."

Der dritte Wunsch betrifft die Verbesserung des MeßbuHes. „An einer Uebersehung des bestehenden Missale," erklären die Verfaffer,,,kann nichts gelegen sein. Wer kennt nicht, um nur Eines zu berühren, die vielen Zerstückelungen, die das Meßbuch enthält ? Wie viele Formulare giebt es, die im Meßbuch bedeutungslos dastehen, weil die Handlungen, worauf sie sich beziehen, nicht mehr da sind. Die alte Messe war ein großes heiliges Schauspiel, bestehend aus lauter handelnden Personen, ein lebendiger Verkehr zwischen Priester und Volk. Aber ach, wie hat sich dies alles zum Nachtheil geändert! Die Predigt ist jest aus dem Zusammenhang der großen Abendmahlsfeier herausgerissen und wird entweder vor- oder nachgeschickt, woraus bei nicht genug unterrichteten Katholiken der Wahn entstand, die Predigt gehöre nicht zum Wesen des Katholicismus. Daher mus nun der Priester in der Messe nach dem Evangelium ohne alle Be= deutung beten: Reinige, o Gott, mein Herz und meine Lippen, daß ich dein heiliges Evangelium würdig nach Gebühr verkündigen möge. Wo die Predigt vor der heiligen Messe gehalten wird, kann sie das nicht wirken, was sie sollte, da die der Predigt beiwohnende Menge noch nicht ganz versammelt ist, noch viel weniger der Geist zur fruchtbaren Aufnahme des göttlichen Wortes vorbereitet ist. Die Paar Strophen des Predigtliedes reichen dazu nicht hin. Während der Messe selbst aber ist die ehemals so thätige Gemeine gar nicht mehr betheiligt, sondern sigt stumm und still da, und um in ihr allen wahrhaft religiösen Aufschwung zu unterdrücken, verrichtet der Priester seinen Theil in unverständlicher Sprache.",,Man könnte," sagen die Verfasser zum Schluß, uns zurückschrecken durch den Zuruf: Ihr Priefter habt kein Recht, über kirchliche Institutionen, namentlich über deren Verbesserung zu urtheilen; dies geziemt allein den Bischöfen, und was diese euch darbieten, habt ihr mit Ehrfurcht zu befolgen.“ - „Aber auch wir," entgegnen sie darauf, „leben der Ueberzeugung, daß wir einst Gott, unserem Heilande, über unsere Amtsführung, über seine uns an

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Spätere Vorgänge in der kathol. Kirche.

vertrauten Gemeinen werden Rechenschaft geben müssen, und es schwe ben uns die schönen Tage der Kirche vor, da die heiligsten und ehrwürdigsten Bischöfe es nicht verschmähten, bei allen kirchlichen Anordnungen die Priester zu Rathe zu ziehen."

Es braucht kaum bemerkt zu werden, daß in der aus Falken. hain bei Schönau in Niederschlesien datirten Bittschrift sich unvertennbar die erste jugendlich frische Begeisterung für das geistliche Amt ausspricht, eine Begeisterung, welche dem Fürstbischof vielleicht sehr wohl gefallen mochte, ohne daß er darüber vergaß, wie oft schon der erste glühende Eifer nur zu bald erkaltete, und diejenigen, welche als Kapläne bei ihrem Eintritt in das Amt Alles neu gestalten wollten, späterhin als Pfarrer bei dem gemächlichen Alten sich nur zu wohl befanden und über ihre jugendlichen Reformpläne lächelten. Wäre er daher auch seinerseits von der Zweckmäßigkeit oder Nothwendigkeit jener angedeuteten Reformen noch so sehr überzeugt gewesen, immer hätte es schon die Rücksicht auf seine hohe kirchliche Stellung erfordert, abzuwarten, ob das, was einige jugendlich begeisterte Priester wünschten, auch der gemeinsame Wunsch der ganzen katholischen Geistlichkeit Schlesiens und ihrer Gemeinen sei. Dies aber scheint in der That keinesweges der Fall gewesen zu sein, und es konnte daher kaum etwas Anderes geschehen, als daß man Einzelnes, wie z. B. die Einführung eines Gesangbuches für die Gemeinen, die es wünschten, stillschweigend duldete.

Jene Reformwünsche waren auch wirklich nach und nach wieder in Vergessenheit gekommen, und wenn sich auch zehn Jahre später die Anhänger des Hermesianismus in der katholisch-theologischen Facultät zu Breslau durch das päpstliche Breve, das diese Philosophie verwarf, höchst unangenehm berührt fühlten, so konnte sie dies doch nicht zum Ausscheiden aus der katholischen Kirche bewegen. Vielmehr mußten sie es für eine ihrer Hauptaufgaben ansehen, durch ihr Beispiel darzuthun, daß man ein eifriger Vertheidiger dieser Philosophie und dabei zugleich ein sehr treues Glied der katholischen Kirchengemeinschaft sein und bleiben könne. Auch der bald darauf gleichfalls durch den Kölner Erzbischof Droste von Vischering angeregte Streit über die gemischten Ehen konnte wohl friedlich gesinnte Katholiken unzufrieden machen mit dem Thun und Treiben der ultramontanen Partei, nicht aber zum Ausscheiden aus ihrer Kirche bestimmen. Denn gerade fie, als die Besonneneren, mußten am ersten sich sagen, daß eine Partei nicht die ganze Kirche sei, und man sehr wohl jene desavouiren könne, ohne darum von dieser sich loszusagen. Als daher in Schneidemühl eines der angesehensten und gebildetsten Gemeineglieder, das bei Eingehung einer gemischten Ehe den verlangten Revers, die Kinder aus dieser Ehe katholisch erziehen zu laffen, verweigert hatte, von dem dortigen Propst darum von der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen wurde, so erbitterte dies zwar einen großen Theil der Gemeine, und da dieser außerdem schon seit längerer Zeit durch fleißiges Lesen der heiligen Schrift zu der Ueberzeugung gekommen war, daß manche Lehren der römischen Hierarchie mit der reinen Lehre des Evangelii im Widerspruch ständen, so schien es, zumal da auch der im

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