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Die Gemeine zu Schneidemühl.

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März 1844 als Vicar nach Schneidemühl gesandte Joh. Czerski in seinen Vorträgen eine, der ihrigen ganz ähnliche Ueberzeugung aussprach, den Dissidenten zwar nicht nur Recht, sondern auch Pflicht, sich von den Menschensazungen der römischen Hierarchie" öffentlich loszusagen, immer aber dabei zu erklären: „Wir sind und wollen katholische Christen, das heißt, nicht römische, sondern apostolischkatholische Christen bleiben." -,,Wir sagen," heißt es in der Bittschrift der Gemeine an die Königl. Regierung zu Bromberg, vom 27. Oftob. 1844,,,uns nicht los von unseren christlich-katholischen Brüdern, wir sagen uns auch nicht los von der eigentlichen, wahren, durch Christum gestifteten Kirche, wir sagen uns nur los von der römischen Priester- und Vaterschaft und den durch dieselben in die christliche Kirche eingeführten Menschensagungen, welche mit der Lehre Jesu nicht übereinstimmen. Wir sind und wollen katholische Christen bleiben; wir suchen die Gemeinschaft mit allen den Heiligen, welche den wahren Leib und das wahre Blut unseres Herrn Jesu Christi durch den Glauben als das einzige Mittel, wodurch wir am jüngsten Tage werden auferweckt werden, und das durch Jesum Christum und seine heiligen Apostel verkündigte Evangelium als die einzige und wahre christliche Lehre betrachten."

Es kann hier nicht darauf ankommen, zu untersuchen, inwiefern es mit dem von der Schneidemühler Gemeine ausgesprochenen Grundsay, ,,daß sie die heilige Schrift als die einzig sichere Quelle des christlichen Glaubens und zwar in dem Sinne annehme, wie er einem jeden erleuchteten frommen Christen zugänglich ist," übereinstimme oder nicht, wenn sie sich in ihrem Glaubensbekenntniß zu den sieben Sacramenten der katholischen Kirche bekennt, und in Betreff des Abendmahls erklärt: ,,Wir bekennen auch, daß das Gedächtniß des blutigen Kreuzesopfers Jesu Christi, welches in der heiligen Messe gefeiert wird, den Lebenden und den Todten nüglich sein könne, daß in dem allerheiligsten Altarssacrament der Leib und das Blut unseres Herrn Jesu Christi mit seiner Seele und Gottheit wahrhaft wirklich und wesentlich vorhanden sei und daß die ganze Wesenheit des Brotes in den Leib und die ganze Wesenheit des Weines in das Blut durch den Glauben verwandelt werden.“ So viel indeß geht aus diesen Erklärungen deutlich hervor, daß die Schneidemühler von dem Lehrbegriff der katholischen Kirche beibehalten wollten, was sich mit der Lehre der heiligen Schrift, wie sie dieselbe verstanden, irgend vertrug, und in keiner Weise daran dachten, ihn mit dem Lehrbegriff der evangelischen Kirche zu vertauschen, sei es, weil sie den legteren und bei der Art und Weise, wie man katholischerseits dem Volke den Protestantismus zu schildern pflegt, wäre dies natürlich genug mit einem gewiffen Mißtrauen betrachteten und fürchteten, der Uebertritt zu ihm führe aus jeglicher Kirchengemeinschaft heraus und hinein in ein Gebiet der schrankenloseften Willkür; sei es, weil sie immer noch zu viel Pietät gegen die Kirche, der sie bisher angehört, hegten, als daß sie dieselbe freiwillig hätten verlassen mögen, und vielleicht, wenigstens im Stillen, hofften, daß ihr Beispiel, fände es allgemeinen Anklang, doch wohl das Kir

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Begeisterung für Ronge.

chenregiment bewegen könne, die von ihnen bezeichneten Mißbräuche abzuschaffen.

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Dieser allgemeine Anklang blieb auch nicht aus, und namentlich hatte der bekannte Brief Ronge's an. den Bischof Arnoldi von Trier die Folge, daß in ganz Deutschland das lebhafteste Interesse für jene Reformbestrebungen rege wurde. Ueberall, wo Ronge sich zeigte, wurde er von einer großen Zahl begeisterter Freunde mit Jubel begrüßt und als der Luther" unseres Jahrhunderts gepriesen; und wenn er durch solche Huldigungen, die ihm mitunter auch von denen dargebracht wurden, welche für die große Masse Autoritäten sind, berauscht allmälig selbst zu glauben anfing, was ihm von enthusiastischen Verehrern fort und fort vorgeredet wurde, daß er nämlich der lang erfehnte Retter sei, der endlich vollenden werde, was Luther damals nur begonnen, so bewies er damit nur, wie überaus schwer es ist, einer maßlos schwärmenden Begeisterung gegenüber die klare Besonnenheit und Ruhe zu behalten, und nicht zu vergessen, daß dieselbe Maffe, die ihren Helden heut jubelnd umtobt, morgen, wenn sie von ihrem Toben müde geworden ist, achtlos an ihm vorübergeht, um sich einen anderen Gegenstand der Unterhaltung aufzusuchen. Erwägt man die ganze Schwierigkeit einer solchen Aufgabe, so wird man selbst diejenigen Aeußerungen Ronge's, welche sonst für die stärksten Beweise von Selbstüberschägung gelten könnten, leichter entschuldigen. Denn meist sind sie doch nur das schwächere Echo von dem, was er selbst täglich und stündlich hatte hören müssen, und zwar nicht nur von Katholiken, sondern auch von Protestanten. Was aber diese Leßteren zu so begeisterten Verehrern des ,,neuen Reformators" machte, erräth man leicht, wenn man sich der damals oft wiederholten Mahnung an die Deutsch-Katholiken erinnert:,,Tretet ja nicht über zu unserer evangelischen Kirche, sonst würdet ihr nur das eine Joch der römischen Hierarchie mit dem anderen des Symbolzwanges vertauschen; ihr habt euch frei gemacht von jenem, haltet euch nun auch frei von diesem.“

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Wer möchte sich daher wundern, daß, wie sehr sich auch die katholischen Dissidenten anfangs gegen die Aufnahme protestantischer Mitglieder sträubten, dennoch die Zahl der Lesteren von Tag zu Tage wuchs. Es muß dahin gestellt bleiben, ob die Unzufriedenheit mit dem in der evangelischen Kirche herrschenden Symbolzwang der alleinige oder der mit anderen Gründen der Unzufriedenheit sich verbindende Beweggrund für die Austretenden war;" jedenfalls wurde dieser vorzugsweise genannt 1), und je mehr die neue Kirche" namentlich von

1) „Je länger und fester,” erklärten z. B. der Rector_und Hülfsprediger Hofferichter und der Candidat Vogtherr am 9. April 1845,,,unser religiöses Glanben und Hoffen in demselben Grunde wurzelte, welcher die neuen, allgemein christlichen Gemeinen nah und fern entstehen ließ; je offener und redlicher wir gegen Jedermann unfere, von den, aus scholastischer Thcologie hervorgegangenen Symbolen der protestans tischen Kirche abweichenden Ansichten bekannten; je inniger wir überzeugt sind, daß die Lehre und die hobe Absicht unseres Heilandes in ihrer einfachen Klarheit von der neu erstandenen Kirche lebendig erkannt worden sei; je gewisser es uns geworden ist, daß sich nur in der Kirche, welche, die Geistesfreiheit nicht beschränkend, die brüder

Leipziger Glaubensbekenntniß der Deutsch-Katholiken. 337

protestantischer Seite her dringend gewarnt wurde, sich ihre Freiheit nicht durch die Annahme älterer oder Aufstellung neuer, die geistige Entwickelung hemmender Bekenntnißformeln selbst zu beschränken, desto leichter begreift man, wie die Leipziger Versammlung, um es auch dieser Partei recht zu machen, im März 1845 sich in der Annahme dieses Bekenntnisses einigte:

"Ich glaube an Gott, den Vater, der durch sein allmächtiges Wort die Welt geschaffen, und sie in Weisheit, Gerechtigkeit und Liebe regiert.

Ich glaube an Jesum Christum, unseren Heiland.

Ich glaube an den heiligen Geist, eine heilige allgemeine christliche Kirche, Vergebung der Sünden und ein ewiges Leben. Amen." Jedenfalls durfte sie dabei auf den Beifall des Ober-ConsistorialDirectors und General - Superintendenten Dr. Bretschneider rechnen, der in seinem Votum,,für die Deutsch-Katholiken" (Jena, 1845) ausdrücklich erinnert: Das Erste ist: machet das Bekenntniß kurz, fleidet es in Ausdrücke der Schrift, und sprecht nur die Hauptsache aus, was den Christen zum Christen macht, und was in der heiligen Schrift als nothwendige Bedingung des Heils aufgestellt wird. Denn weitläuftige Glaubensbekenntnisse, die tief in das Einzelne der Glaubensvorstellungen eingehen, haben nach der Erfahrung aller Zeiten immer mehr trennend, als verbindend gewirkt. Verschiedenheiten der Ansich= ten über einzelne Glaubensvorstellungen sind zu aller Zeit vorhanden. gewesen und werden immer bleiben. - Eine gänzliche Einerleiheit aller und jeder Glaubensvorstellungen ist aber auch für das Bestehen und die Einheit der Kirche nicht nöthig. Das Zweite, was ich euch dabei anrathen möchte, ist dieses: stellet euer Glaubensbekenntniß nur auf als Bekenntniß, nicht aber als Glaubensregel für ewige Zeiten, sondern sprecht es ausdrücklich aus, daß ihr dabei euch und euren Nachkommen das Recht vorbehaltet, dieses Bekenntniß zu prüfen und gele= gentlich zu verbessern. Es liegt in der Natur der Sache, daß ihr, die ihr jest lebt und zusammenkommt, in eurem Bekenntniß eure Glaubensüberzeugung aussprecht; denn welche Vorstellungen und Ueberzeugungen die späteren Geschlechter haben dürften, das könnt ihr jezt noch nicht wissen. Es liegt aber auch ebenso in der Natur der Sache, daß ihr kein Recht habt, euren Nachkommen vorzuschreiben, was sie glauben sollen."

liche Einigkeit nicht in einerlei Glaubensmeinungen, sondern in einerlei Liebe sucht, desto die Verbeißung erfüllen könne: Es wird Eine Heerde und Ein Hirt sein freudiger haben wir uns nach reiflicher Prüfung der christkatholischen Gemeine angeschlossen. Indem wir aus der evangelisch-unirten Kirche scheiden, halten wir uns in der festen Zuversicht, daß die Redlichen und Einsichtsvollen einen Schritt nicht mißbilligen werden, den das Wort der Schrift uns anbefahl: Prüfet Alles und das Beste behaltet! Unser Gewissen hat uns zu diesem Schritt gedrängt. Wir haben erkannt, daß wir nur durch dieses offene Bekenntniß unserem Berufe als Diener des Evangeliums genügen können. Mit liebevoller Theilnahme werden wir den Bestrebungen der Kirche folgen, die uns aufzog, und der Scheidegruß an dieselbe sei keine Klage, sondern die erhebende Hoffnung, daß ein Jeder erkennen und ergreifen werde, was zu seinem Frieden dient, und die Zuversicht, daß die Liebe uns einet."

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Deutsch-katholische Liturgie.

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Das hat denn auch der Leipziger Versammlung eingeleuchtet, entweder in Folge der äußerst klaren Auseinandersehung Bretschneider's oder schon vorher denn auch das wäre nicht ganz undenkbar und daher hat sie in dem Schlußparagraph ihrer Ürkunde ausdrücklich erklärt: „Alle diese Bestimmungen sind jedoch nicht oder sollen nicht für alle Zeiten festgesezt sein und werden, sondern können und müssen nach dem jedesmaligen Zeitbewußtsein von der Kirchengemeine abgeändert werden."

Und wirklich machte sich auch die Nothwendigkeit, „dem jedesmaligen Zeitbewußtsein" nachzugeben, auf der Stelle, noch während der Berathungen, geltend. Denn während das durch Czerski und Mauritius Müller repräsentirte Zeitbewußtsein die Aufnahme des Bekenntnisses der Gottheit Christi in das Glaubensbekenntniß als wesentlich nothwendig forderte, meinte das durch Rob. Blum und Wigard vertretene Zeitbewußtsein, die Aufnahme dieser Bestimmung sei mißlich; und eine Einigung über den streitigen Punkt ward nur dadurch möglich, daß es hier, wie überall, den einzelnen Gemeinen freigestellt bleiben sollte, die Göttlichkeit Christi in ihre besonderen Glaubensbekenntnisse aufzunehmen."

Ein Gottesdienst nun, welcher auf einem Glaubensbekenntniß ruht, das, um es allen Theilen recht zu machen, in seinem zweiten Artikel von Christo sich auf den Ausdruck unser Heiland" beschränkt, alles Uebrige aber, was sonst in christlichen Glaubensbekenntnissen von Christo ausgesagt ist, wegläßt, nicht, weil es sich von selbst versteht, sondern weil Manche daran Anstoß nehmen könnten, hätte nothwendig sehr kahl und dürftig ausfallen müssen. Zum Glück aber ist die Praxis häufig verständiger, als die Theorie, und mag man sich dessen nun bewußt gewesen sein, oder nicht, auch in den Gottesdienstordnungen der Deutsch-Katholiken ist es, namentlich in Folge der verdienstlichen Arbeiten eines Theiner, deren liturgischer Werth doch zu bedeutend schien, als daß die,,Freisinnigen" fie ganz zu ignoriren gewagt hätten, wie in der altchristlichen, griechischen, römischen und lutherischen Liturgie das heilige Leben des Erlösers von der durch das Gloria angedeuteten Geburt an bis zu seiner Vereinigung mit dem Gläubigen im Sacrament, welches die Bestandtheile des Gottesdienstes und deren Reihefolge bestimmt.

Er beginnt nämlich mit einem einleitenden und auf das nachfolgende Sündenbekenntniß vorbereitenden Liede der Gemeine, z. B. Hier liegt vor deiner Majestät Im Staub die Christenschaar, Das Herz zu dir, o Gott, erhöht, Die Augen zum Altar. Schenk uns, o Vater, deine Huld, Vergieb uns unsre Sündenschuld! D Gott, von deinem Angesicht Verstoß uns arme Sünder nicht,

Verstoß uns nicht, verstoß uns Sünder nicht."

Hierauf folgt das Sündenbekenntniß (Confiteor), das der während des Gesanges an den Altar getretene Geistliche mit der Weiheformel einleitet:

Deutsch-katholische Liturgie.

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Im Namen des Vaters, der die Liebe ist, im Namen Jesu Christi, unseres Heilandes und Erlösers, im Namen des Geistes, der uns heiliget. Amen!"

Gemeine: Amen.

Geistlicher: Lasset uns beten: Herr des Himmels und der Erde ), ewiger, barmherziger, gnädiger Gott, den wir durch Jesum Christum als Vater anrufen dürfen, dir sei Lob und Dank dafür, daß du uns bisher behütet hast und diesen Tag erleben ließest. Deine Barmherzigkeit hat kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu und deine Treue ist groß. Deiner Anbetung, der Erhebung unseres Ge= müthes zu dir, der frommen Erbauung aus deinem Worte, das du durch deinen Sohn Jesum Christum uns geoffenbart hast, und unserer erneuerten Vergewisserung deiner Gnade ist dieser Tag gewidmet. Darum gieße aus in unsere Seelen deinen heiligen Geist, den Geist der Wahrheit. Stehe du uns hülfreich bei, daß wir in frommer Andacht zu dir beten mögen. Wecke in uns ein herzliches Verlangen nach der Erkenntniß alles dessen, was zu unserem Heil dient. Erfülle uns mit findlicher Gottesfurcht. Laß uns die Unterweisungen und die Verheißungen deines Evangeliums, wie Christus und seine Apostel fie uns verkündigt haben, als das höchste Geschenk deiner Gnade erkennen. Hilf uns sie mit frommer Demuth, mit kindlichem Glauben und mit froher Hoffnung in einem guten Herzen bewahren, auf daß wir unseren Wandel darnach prüfen, unser Leben ganz nach ihrer Vorschrift einrichten und bei dem Bewußtsein unserer Schuld uns deiner Barmherzigkeit trösten. Und im Vertrauen auf dein unendliches Erbarmen, im Vertrauen auf dein Trostwort, daß du nicht willst den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe im Glauben, daß du deinen Sohn zur Erlösung der Sünder in die Welt gesandt hast, nehmen wir unsere Zuflucht zu dir, o Gott, und demüthigen uns vor dir in dem Bekenntniß unserer Sündenschuld. Höre unser Bitten, vernimm mein demuthsvolles Fleben:

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Ich armer, fündiger Mensch, bekenne vor dir, o Gott, himmlischer Vater: ich habe gesündiget, oft gesündiget, in Gedanken, Worten und Werken, und verdiene nicht mehr dein Kind zu heißen. Aber von Grund meines Herzens bereue ich meine Sünden, und gelobe dir aufrichtige und beständige Besserung meines Lebens. Sei mir gnädig am Jesu Chrifti willen.

Ich bitte euch, ihr Brüder, flehet für mich zu Gott, unserem Herrn.

Gemeine: Es erbarme sich deiner der allmächtige Gott, er vergebe dir deine Sünden und führe dich zum ewigen Leben.

Geistlicher: Amen.

Gemeine: Ich armer, fündiger Mensch bekenne vor dir, o Gott zc. (wie oben).

1) Dieses, wie die meisten der hier mitgetheilten Formulare, ist aus Dr. Theis ner's Meßordnung entnommen. Andere Formulare . in Rob. Blum's „Gebets und Gesangbuch für deutsch-katholische Christen.“ Leipzig 1845.

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