Immagini della pagina
PDF
ePub
[blocks in formation]

zu dem weltlichen Text: „Mein G'müth ist mir verwirret" componirte Melodie bald auf die geistlichen Lieder:

„Herzlich thut mich verlangen," und

" Haupt voll Blut und Wunden“

übergetragen, und in gleicher Weise die von Melchior Vulpius. (ft. 1616 als Cantor zu Weimar) zu dem Terte: Es ist ein Schloß in Desterreich" componirte Melodie zu dem Liede:

benugt.

"

„Ich hab mein Sach Gott heimgestellt"

Zu den aus dem lateinischen Kirchengesang und dem Volksgefang entlehnten Melodien kamen endlich

III. Originalmelodien, d. h. solche, die mit neugedichteten Liedern gleichzeitig entstanden, oder für bereits gegebene Texte eigens erfunden wurden, und hierher gehört zuvörderst das Lied:

,,Eine veste Burg ist unser Gott,"

deffen Melodie, nach dem ausdrücklichen Zeugniß Sleidan's, von Luther herrührt. Eben dasselbe ist, nach der Angabe Walter's, bei den Liedern

„Jesaja, dem Propheten, das geschah“ und
,,Wir glauben all an Einen Gott"

der Fall; vielleicht auch bei den Liedern: „Ein neues Lied wir heben
an," "Mit Fried und Freud fahr ich dahin" und ,,Mensch, willst du
leben ic." Das Lied „Vater unser im Himmelreich" wollte er einer
Melodie anpassen, kam aber damit nicht zu Stande. Nächst ihm find
als Erfinder von neuen Choralmelodien vornehmlich zu nennen:
Nikol. Herrmann (,,der alte Cantor" zu Joachimsthal in Böh-
men, ft. 1560), von welchem unter anderen die noch jezt übliche Me-
Iodie

,,Lobt Gott, ihr Christen, allzugleich"

herrührt; außerdem

Joh. Kugelmann (Kapellmeister des Herzogs Albrecht von Preußen, um 1560), von welchem wahrscheinlich die Melodien zu den Liedern

,,Nun lob mein Seel den Herren" und
„Allein Gott in der Höh sei Ehr“

"

herstammen, obwohl die lettere gewöhnlich dem Dichter des Liedes Nikol. Decius beigelegt zu werden pflegt;

Joachim v. Burgk (Cantor zu Mühlhausen, st. nach 1596) ist als Urheber der Melodie

zu nennen;

"Ich weiß, daß mein Erlöser lebt"

Dr. Nikol. Selnecker (ft. 1592 als Superint. a. d. St. Thomaskirche zu Leipzig) gilt als Erfinder der nachmals für das Lied ,,Wach auf, mein Herz, und singe" gebräuchlich gewordenen Melodie, und

Dr. Phil. Nicolai (ft. 1608 als Prediger a. d. Katharinenkirche zu Hamburg) ist Urheber der Melodie

,,Wachet auf, ruft uns die Stimme."

Im Ganzen jedoch geschah bis zu Ende des XVI. Jahrhunderts

406

Mehrstimmigkeit der geistlichen Lieder.

für die Erfindung neuer Melodien verhältnißmäßig weniger, ynd wenn nach Glarean (vergl. f. Werk über die 12 Tonarten II. 38.) der Sänger (phonascus), der eine Sangweise erfindet, wohl zu unterscheiden ist von dem Sezer (symphonetes), der das, von dem Sänger Erfundene kunstreich bearbeitet ein Unterschied, der bei der Frage nach den Urhebern der verschiedenen Choralmelodien nie außer Acht zu lassen ist, und durch dessen strenges Festhalten sich in neuester Zeit v. Winterfeld) um die Entwickelungsgeschichte des evangelischen Kirchengesanges ein bedeutendes Verdienst erworben hat - so find die Lonkünstler jener früheren Zeit, der Mehrzahl nach, als Sezer von Melodien zu nennen.

Die bisher für den kirchlichen Gebrauch feststehenden Melodien waren nämlich im Wesentlichen nichts weiter gewesen, als eine Reihe von langsam und mit taktloser Gleichförmigkeit auf einander folgenden Tönen, die den ausdrücklichen Bestimmungen der Kirche zufolge, von Allen einstimmig gesungen werden sollten. Neben diesem, ohne Rücksicht auf die Länge oder Kürze der Silben gleichförmig fortschreitenden, einstimmigen Kirchengesang hatte sich nun, jemehr im Laufe der Zeit beim Volke der musikalische Sinn erwacht war, der rhythmische und melodische Volksgefang ausgebildet, und da es bei diesem nicht so genau darauf ankam, ob der Eine genau so sang, wie der Andere, so mußte beim Zusammenfingen schon die Verschiedenheit der Stimmen auf die Mehrstimmigkeit hinleiten, und diese eben war, im Gegensatz zu der Einstimmigkeit des kauonischen Kirchengesanges, eine charakteristische Eigenthümlichkeit des Volksgesanges. Da nun der evangelische Kirchengesang wirklich Volksgesang sein sollte, so war man auch von Anfang an der Meinung, daß er mehrstimmig sein könne, und nur darauf bedacht, daß sich die verschiedenen Stimmen in möglichst wohlklingender Harmonie vernehmen ließen. Demgemäß finden wir schon in Joh. Walter's Gesangbuch (1524) die alten Kirchenmelodien zu den Hymnen »Veni redemptor gentium« und »A solis ortus cardine« fünfftimmig (Discant, Alt, Tenor, Vagans, Baß), andere vierstimmig, und nur zwei dreistimmig gesezt; und ebenso ist in den übrigen Gesangbüchern jener Zeit mit den Liederterten immer zugleich auch die vier-, fünf- oder mehrstimmig und oft höchst kunstvoll gesezte Melodie abgedruckt. Ueberhaupt galt damals die Kunst des Sezers mehr, als die productive Gabe des Sängers, und während man den Namen des letteren oft vergaß, wurde der des ersteren in den Singbüchern sorgfältig verzeichnet, woher es auch kommt, daß man oft den Namen des Sezers (nicht selten auch den des Dichters) für den des Erfinders einer Choralmelodie gehalten hat.

Die eigentliche Melodie hatte anfangs, wie man es von dem bisherigen Kirchengesang gewohnt war, der Tenor (daher auch der Name tenor, weil diese Stimme die kirchlich vorgeschriebene Melodie fest

1) Vergl. „Der evangelische Kirchengesang und sein Verhältniß zur Kunft des Tonsaßes dargestellt von Carl v. Winterfeld." I. Thl. Leipzig 1843.

Erfinder neuer Choralmelodien.

407

hielt). Doch schon der oben erwähnte Walter verlegte sie in einigen seiner Säße, um sie klarer hervortreten zu laffen, in die Oberftimme, was man späterhin immer allgemeiner that, um dem minder musikalischen Theile der Gemeine das Mitsingen zu erleichtern. So sagt Johann Eckart, der um 1597 auf Befehl des Markgrafen Georg Friedrich, zunächst für die Schloßkirche zu Königsberg, die damals gebräuchlichsten Kirchenmelodien vierstimmig gesezt hatte, in der Vorrede seines Werkes er habe gesucht, die in der Kirche gebräuchlichen Lieder in eine solche Harmoniam oder Concentum zu bringen, daß der Choral im Discantu, wie er an ihm selbst gehe, deutlich gehört werde, und die Gemeine in denselben zugleich mit einstimmen und singen könne;" und von da an tritt der evangelische Choral, der bisher mehr die Motettenform mit kunstreicher Stimmführung hatte, immer mehr in Form des Liedes für eine Stimme mit einfacher Begleitung der übrigen hervor, während jene frühere, künstlichere Form für die sogenannten,,Festlieder" gebraucht wurde. Die Gefangbücher lieferten demnach auch nicht mehr, wie ehedem, mit dem Texte zugleich den vier- und mehrstimmigen Saß der Melodie, sondern nur die der Oberstimme, und da bei der vormaligen kunstreichen Bearbeitung der gegebenen Melodien und dem selbstständigen Hervortreten der einzelnen Stimmen, in der That oft schwer zu entscheiden war, welche Stimme eigentlich die Melodie hatte, so darf es uns nicht wundern, daß von da an die Melodie zu einem und demselben Chorale in den verschiedenen Singbüchern verschieden angegeben wurde, indem man mitunter eine der begleitenden Stimmen für die Melodieführende ansah.

Je mehr nun der Choral zum eigentlichen Liede wurde, desto mehr trat von jezt an das Verdienst des Sängers hervor, und der Wunsch der Gemeinen, für neugedichtete Terte auch neue Melodien zu haben, veranlaßte es, daß sich das musikalische Talent seit dem XVII. Jahrhundert wiederum mehr der Erfindung neuer Melodien zuwandte. So war

Michael Prätorius (ft. 1621 als Kapellmeister zu Wolfenbüttel) Erfinder der Melodie:

"Ich dank dir schon durch deinen Sohn;" Joh. Herm. Schein (st. 1630 als Cantor zu Leipzig) lieferte unter anderen die Melodie:

,,Mir nach, spricht Christus."

Von Heinr. Alberti (ft. 1668 als Organist zu Königsberg) find die Melodien:

,,Gott des Himmels und der Erden;"

"Ich bin ja, Herr, in deiner Macht;"

,, Christe, Schußherr deiner Glieder" c.

Von Joh. Crüger, einem um den Choralgesang hochverdienten Mann 1), sind unter anderen die Melodien:

1) Vergl. Job. Crüger's (v. 1622–1662 Musikdirector a. d. St. NikolaiFirche in Berlin) Choralmelodien v. E. E. G. Langbecker. Berl. 1835. 4.

408

Erfinder neuer Choralmelodien.

,,Herr, ich habe mißgehandelt;"

"Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen;"
„Nun danket Alle Gott;"

,, wie selig seid ihr doch, ihr Frommen;"
"Jesus, meine Zuversicht."

Von Georg Winer:

„Schaff in mir, Gott, ein reines Herz."

Von Joach. Neander (ft. 1680 als Prediger zu Bremen):
,,Wunderbarer König;"

„Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren." Von Joh. Rosenmüller (ft. 1686 als Kapellmeister zu Wolfenbüttel):

,,Straf mich nicht in deinem Zorn" u. a.

Von Joh. Schope, einem zu seiner Zeit hochberühmten Kapellmeister in Hamburg:

"Ewigkeit, du Donnerwort:"

,,Sollt ich meinem Gott nicht fingen;"
,,Ermuntre dich, mein schwacher Geist;"

„Werde munter, mein Gemüthe" u. a. m.

Von Gastorius Severus (Cantor zu Jena) ist die 1675 componirte Melodie:

,,Was Gott thut, das ist wohlgethan.“

Von Joh. Rud. Ahle (st. 1673 als Bürgermeister und Organist zu Mühlhausen):

,,Liebster Jesu, wir sind hier;"
,,Liebster Immanuel."

Von Georg Neumark (ft. 1681) die Melodie zu seinem Liede: ,,Wer nur den lieben Gott läßt walten."

Mit dem Schluß des XVII. Jahrhunderts aber nahm der Zuwachs an neuen Choralmelodien allmälig wieder ab. Zwar lieferten die Tonkünstler auch späterhin noch manche neue; doch fanden diese keine so allgemeine Aufnahme, wie die bisherigen, sei es nun, weil die Componisten nicht mehr den echt volksthümlichen Ton zu treffen wußten ), oder weil man schon einen hinlänglichen Vorrath von bekannten Melodien hatte, um die meisten Lieder singen zu können. Denn die älteren hatten bereits ihre feststehenden Melodien, die sich nicht so leicht verdrängen ließen, und die neuen Liederterte wurden größtentheils schon von den Verfassern nach einer bestimmten Melodie gedichtet, oder es konnte für sie, zumal wenn man nur auf die Ucbereinstimmung im Metrum Rücksicht nahm, leicht eine von den vorhandenen Melodien gewählt werden. Allerdings hatte dies zur Folge, daß in den Gesangbüchern (die von dieser Zeit an nicht mehr mit den beigedruckten Noten erschienen, sondern nur mit kurzen Angaben über den einzelnen

1) Dies mochte z. B. bei den beiden von Duanz und Phil. Em. Bach zu dem Gellert'schen Liede: Wie groß ist des Allmächtigen Güte" componirten Melodien der Fall sein, von denen keine Eingang fand; und statt deren man lieber von der reformirten Kirche die (wahrscheinlich aus dem Volksgesang stammende) Melodie zu dem 66. (98. und 118.) Psalm entlehnte.

Kirchengesang bei den Reformirten.

409

Liedern, nach welcher Melodie sie zu fingen seien), besonders, wenn bei der Redaction kein Musikkundiger zu Rathe gezogen worden war, bisweilen zu einem, im Odenstil gedichteten, österlichen Triumphlied die Melodie: Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen," und zu einem schmerzlichen Bußlied, wenn sein Metrum dasselbe war, die Melodie: Allein Gott in der Höh' sei Ehr'," angegeben wurde. Doch war man darin nicht eben difficil. Je mehr mit dem allmäligen Schwinden der vormaligen Glaubensfrische auch der lebendig kirchliche Sinn zu schwinden begann, desto mehr scheute man die Mühe, eine neue Melodie zu lernen, und sang lieber alle Lieder, soweit es irgend das Versmaß erlaubte, nach einer und derselben Melodie, der Charakter derselben mochte zum Inhalt passen oder nicht; und erst in neuerer Zeit hat man es sich wieder angelegener sein laffen, die Gesangbücher auch in Beziehung auf die musikalischen Anforderungen zweckmäßiger einzurichten, was auch um so leichter geschehen konnte, da die evange lisch-lutherische Kirche in der That an Choralmelodien so reich ist, daß fie, wenn ihr ganzer Vorrath benugt wird, für jeden Liedertert nicht nur eine, sondern mehrere, in Rücksicht auf das Metrum übereinstimmende darbietet, und unter diesen gewiß auch eine, die ihrem Charakter nach zum Inhalt des Liedes past.

Minder reich ist in dieser Beziehung die reformirte Kirche; indeß besist auch sie eine Menge herrlicher Melodien, und manche bis auf den heutigen Tag in den lutherischen Kirchen gern gesungenen gehören, wie die bereits erwähnte Melodie zu dem Liede: „Wie groß ist des Allmächt'gen Güte," ursprünglich dem Psalmengesang der Refor mirten an; so z. B. die Melodien: „Freu dich sehr, o meine Seele" (Mel. zu Pf. 42.), „Alle Menschen müssen sterben" (zu Pf. 25.) u. a. m.

Anfangs allerdings fand der Kirchengesang hier mannigfachen Widerspruch, und namentlich an 3wingli einen entschiedenen Gegner, der einer bekannten, obwohl nicht sicher verbürgten Anekdote zufolge, als es sich in Zürich um die Beibehaltung oder Abschaffung desselben handelte, dem Magistrat seine Bitte um die Abschaffung singend vorgetragen, und auf die Frage nach dem Grunde dieses sonderbaren Benehmens geantwortet haben soll:,,es sei dies um nichts sonderbarer, als wenn man Gott seine Bitten und Gebete vorsänge." Indeß darf man dabei nicht vergessen, daß es eben der damalige Kirchengesang war, den er meinte, wenn er gegen den Kirchengesang überhaupt protestirte, und manches ungünstige Urtheil über Zwingli's „Nüchternheit und Geschmacklosigkeit" würde man sich vielleicht erspart haben, wenn man bedacht hätte, daß er damals unmöglich wissen konnte, was späterhin aus demselben werden könnte. Er kannte nur den bisher in der katholischen Kirche üblichen Kirchengesang und den weltlichen Volksgesang. Gegen den ersteren mußte er sich schon darum erklären, weil er lateinisch, und im Inhalt nicht selten unevangelisch war; eine deutsche Bearbeitung des Psalters aber, die sich zum Gesange brauchen ließ, gab es damals noch nicht; und den legteren wollte er, eben seines weltlichen Ursprungs und Charakters wegen, nicht in der Kirche dulden.

Das Bedürfniß jedoch, einen Gemeinegefang zu haben, war auch bei den Reformirten so stark, daß man früh genug daran dachte, den

« IndietroContinua »