Auch Prudentius, sein Zeitgenosse (ft. nach 405), war ein trefflicher Hymnologe; indeß muß man bei ihm die episch-didaktischen Bearbeitungen theologischer und philosophischer Stoffe (z. B. die Hamartigenie, die Psychomachie u. a.) von den eigentlichen Kirchenliedern unterscheiden. Von den letteren verdienen besondere Auszeichnung der liebliche Hymnus auf das Fest der unschuldigen Kinder: »Salvete flores Martyrum<< 1), und der Grabgesang: »Jam moesta quiesce querela (vergl. das alte Begräbnißlied: „Hört auf mit Trauern und Klagen"). 2) " 431 Von den poetischen Werken des Sedulius (um 450) hat die Kirche nur die beiden Weihnachtshymnen: "A solis ortus cardine< (vergl. Luther's: Christum wir sollen loben schon"), und »Hostis Herodes impie« (vergl.: Was fürcht'st du Feind Herodes sehr") entlehnt, von denen hier der erstere zur Vergleichung mit der deutschen Bearbeitung eine Stelle finden mag. Das Original lautet: " A solis ortus cardine Beatus auctor saeculi Castae parentis viscera Domus pudici pectoris Templum repente fit Dei: Intacta nesciens virumi Concepit alvo filium. Enititur puerpera, Quem Daniel praedixerat, Foeno jacere pertulit, Gaudet chorus coelestium, Summo parenti gloria Natoque laus quam maxima Cum sancto sit spiramine Nunc et per omne saeculum. Man beachte nebenbei die alphabetische Anordnung der Strophen, durch welche der Dichter wahrscheinlich dem Gedächtniß zu Hülfe kommen wollte. Nicht minder schön sind die Hymnen des Fortunatus (ft. nach 600), wenigstens die beiden bekannten Passionslieder: »Pange lingua, gloriosi proelum certaminis,« und »Vexilla regis prodeunt.«1) Tu depositum tege corpus: Non immemor illa requiret Sua munera fictor et auctor Propriique aenigmata vultus. 1) Der lettere lautet: Vexilla regis prodeunt, Quo vulneratus insuper Impleta sunt, quae cecinit Veniant modo tempora justa, Quum spem Deus impleat omnem: Reddas patefacta necesse est, Qualem tibi trado figuram. Arbor decora et fulgida, Tam sancta membra tangere. Beata, cujus brachiis O Crux ave, spes unica, Te summa Deus Trinitas 432 Gregor d. Gr. Paulus Diakonus. Auch Gregor der Große (ft. 604) machte sich durch hymnologische Arbeiten um die Kirche verdient, und seinen GründonnerstagHymnus: »Rex Christe, factor omnium,« erklärte Luther für den allerbesten Hymnus," wahrscheinlich aber mehr in Beziehung auf den echt evangelischen Inhalt, als auf die zwar durchaus angemessene, aber nicht vorzugsweise meisterhafte Form. 1) Unter den Hymnologen des VIII. Jahrhunderts ist der fromme und gelehrte Beda Venerabilis (ft. 735) auszuzeichnen, von dessen 11 Hymnen ein Himmelfahrtslied im kirchlichen Gebrauch geblieben ist. In das Zeitalter Karl's des Großen gehört Paulus Diatonus (ft. 799), unter anderen Verfaffer eines Festgesangs auf Johannes den Täufer, der mit der Strophe beginnt: Ut queant laxis Sancte Joannes! Famuli tuorum Labii reatum von welcher Guido von Arezzo bekanntlich die Anfangsfilben Ut, Re, Mi, Fa, Sol, La als Namen für die Töne benußte, welche Bezeichnung noch jest in Italien und Frankreich die allgemein übliche ist. 2) In eben dieses Zeitalter gehört wahrscheinlich auch der mit Unrecht dem Ambrosius beigelegte Pfingsthymnus: Veni creator Spiritus, Qui diceris paraclitus, 1) Er lautet vollständig: Rex Christe factor omnium, Cujus benigna gratia Qui es creator siderum, Tegmen subisti carneum, Dignatus hanc vilissimam Pati doloris formulam. Tu septiformis munere, Accende lumen sensibus, Ligatus es, ut solveres Cruci redemptor figeris, Mox in paternae gloriae 2) Man pflegte damals diesen Gesang als Mittel gegen die Heiferkeit zu singen, weil Johannes der Täufer für den Schuhpatron der Sänger galt. Da nämlich Zacharias dem Engel Gabriel die angekündigte Geburt eines Sohnes nicht hatte glauben wollen, und um dieses Unglaubens willen mit dem Verlust der Stimme und Sprache bestraft worden war, die er aber bei der Geburt des Johannes wieder erhielt, so hofften auch die Sänger der späteren Zeit, daß der heilige Johannes, wenn sie ihm zu Ehren den Gesang: Ut queant, anstimmten, ihnen die Heiserkeit vertreiben und die Stimme wieder verschaffen werde. Unter den Hymnendichtern des X. und XI. Jahrhunderts verdient besondere Auszeichnung Robert, König von Frankreich (997-1031), berühmt als Dichter und Componist, und nach Durandus Verfasser der ausgezeichnet schönen Pfingstsequenz: Veni Sancte Spiritus Et emitte coelitus Lucis tuae radium! Veni, pater pauperum, Consolator optime, O lux beatissima, Reple cordis intima Tuorum fidelium! Sine tuo numine Flecte, quod est rigidum, Lava, quod est sordidum, Da virtutis meritum, Da perenne gaudium! Amen. In das XI. Jahrhundert gehört unter anderen die dem Lutherschen:,,Mitten wir im Leben sind" zum Grunde liegende Antiphona: Media vita in morte sumus, Quem quaerimus adjutorem, nisi te, Domine? Qui pro peccatis nostris juste irasceris, Sancte Deus, sancte Fortis, sancte et misericors Salvator, Ferner das Original zu Luther's Komm heil'ger Geist, Herre Gott": Veni Sante Spiritus, reple tuorum corda fidelium &c. und die berühmte Marien- Antiphona: Salve Regina, mater misericordiae, Ad te suspiramus gementes et flentes in hac lacrimarum valle. Eia ergo, advocata nostra, illos tuos misericordes oculos ad nos converte, Et Jesum, benedictum fructum ventris tui, nobis post hoc exilium ostende. O clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria. 1) Man vergleiche damit Luther's Nachbildung: Komm Gott, Schöpfer, heil'ger Geist 2c.“ 434 Bernhard v. Clairvaux. Thomas v. Aquino. In das XII. Jahrhundert gehören die mit Recht hochgeschäßten hymnologischen Arbeiten des frommen Petrus Damiani und des geist- und gemüthvollen Bernhard v. Clairvaur (ft. 1153), von deffen Hymnen hier der eine "Ad faciem Jesu« zur Vergleichung mit dem Paul Gerhardschen Liede:,, Haupt voll Blut und Wunden," eine Stelle finden mag. Salve caput cruentatum, Salve cujus dulcis vultus, Attritus aegra macie. Sic affectus, sic despectus, Non me reum asperneris, In meis pausa brachiis. Sub cruce tua moriar. Ut absque te non finiar. Ein Werk des hochberühmten scholastischen Meisters Thomas v. Aquino (ft. 1274) ist das fast bei jedem Hochamt, namentlich aber am Frohnleichnamsfest, gesungene: Pange lingua gloriosi Nobis datus, nobis natus In supremae nocte coenae |