Immagini della pagina
PDF
ePub

Priesterstand im Mittelalter.

605

lüderlich wären, so wurde naiv genug geantwortet: „Es sei doch nichts so natürlich, als daß Jeder seines Gleichen zeuge." 1)

Daß es im XII. Jahrhundert nicht besser war, beweisen die Klagen des frommen Abtes Hugo von St. Victor (ft. 1141). Unsere Geistlichen," sagt er unter anderen, wiffen nichts mehr vom göttlichen Gesetz, und lernen es auch nicht, sondern sie faulenzen, fressen und saufen; sie sind immer auf der Gasse, nicht in der Kirche; langsam, die Sünder aufzusuchen, aber hurtig, die Hafen zu jagen; fie rufen lieber die Windspiele zusammen, als arme Leute, und die Hunde find geschwinder nach den Wölfen, als sie nach dem Meßbuch." Bitterer noch äußern sich die provençalischen Troubadours jener Zeit in ihren ,,Rügeliedern." So fingt z. B. Guillem Figueiras, ein aus Toulouse gebürtiger und zur Zeit des Kreuzzugs gegen die Albigenser lebender Dichter unter anderen:

Ja, die Hirten unsrer Heerd'
Sind in Wölfe all' verkehrt
Und zum Rauben stets bereit;
Doch gehüllt ins Friedenskleid
Trösten theuer sie und werth
Erst die, die es nicht durchschauen;
Haben sie sie dann in Klauen,

So machen sie sie elend nackt und bloß,
Drum sag' ich mich von diesen Hirten los.

[blocks in formation]

In der Nacht beim feilen Weib,
Und drauf an des Herren Leib
Die unreine Hand sie thun;
Todsünd ists und Keßerwesen,
Weil ein Priester so vermessen

Nicht sein darf, daß, wenn er sich unrein fände, An seines Gottes Leib er legt die Hände. 2) Allerdings herrschte, was den zulegt ausgesprochenen Vorwurf betrifft, beim Volk im Allgemeinen immer noch die Meinung, daß die sittliche Unwürdigkeit des Priesters seinen priesterlichen Functionen keinen Eintrag thue. So heißt es in Vridane's Bescheidenheit"

[ocr errors]

Diu sunne schint den tiuvel an,
unt scheidet si doch reine dan,
Als ist, swaz der priester begât,
diu messe doch reine bestât:
die kann nieman geswachen,
noch besser machen.

Diu messe unt der sunnenschin,
die müezzen iemer reine sîn.

1) Man vergleiche hiermit, was der fromme Cyrill, Metropolit der russischen Kirche, auf dem Concil zu Wladimir (1274) verordnete. „Wollen,“ heißt es in seiner dort festgestellten Kirchenordnung, die Bischöfe einen Popen ordiniren, so sollen sie erst seinen Lebenswandel von seiner Kindheit an prüfen; nur der welcher mäßig und feusch gelebt, eine Jungfrau geheirathet hat, im Schreiben und Lesen gut bewandert ist, nicht spielt und betrügt, sich nicht besäuft, nicht schwört, flucht und zankt, soll die Weihe empfangen." (,,Specimen eccles. ruthenicae" Rom. 1734, im Anhang). 2) Das Original lautet: Vers es que nostre pastor Son tornat lop raubador, Qu'il rauban deves totz latz E mostran semblan de patz, E confortan ab doussor Los oveillas noit et dia, Pois quant las au en bailia Et ill las fan morir e dechazer

Ist fals pastor, don en m'en desesper.

Pois fan autre desonor
Al segle, et a Dieu major;

Que s'uns d'els ab femna jatz,
Lendeman tot orregatz

Tenra 'l cors notre seignor,
Et es mortals eretgia,

Que nuls preire no deuria
Ab se putan orregar aquel ser
Que lendeman deia'l cors Dieu tener.

Vergl. Rügelieder der Troubadours gegen Rom und die Hierarchie. Originale mit deutscher Uebersetzung von Eduard Brinckmeier. Halle, 1846.

[merged small][merged small][ocr errors]

Wer aber mag sich wundern, wenn gleichwohl die Bessergesinnten und Gebildeteren im Volk von einer dem großen Theile nach so unwürdigen Geistlichkeit nichts wissen wollten, und die Albigenser und Waldenser sich von der Kirche ganz lossagten. Natürlich wurden sie dafür als Keger verfolgt, wie Figueiras in dem eben angeführten Rügelied es beschreibt, wenn er weiterhin sagt:

Tadelt ihr sie etwa drauf,
Treten sie als Richter auf,
Thun euch rechtlos in den Bann,
Und wer Geld nicht geben kann,
Der verdirbt in vollem Lauf,
Denn sie haben kein Erbarmen.
Heil'ge Jungfrau, Schuß der Armen,

lasse bald des Tages mich erfreuen,

Da man sie nicht mehr fürchten darf und scheuen. ')

Dieser Tag war allerdings damals noch fern; mochte es aber auch noch fast drei Jahrhunderte lang der Hierarchie gelingen, die Klagen über den Verfall der Kirche und die Gottlosigkeit der Priester durch die Flammen der Scheiterhaufen zu ersticken -, die Asche dieser Scheiterhaufen und das Blut der Hussiten düngten dafür ein um so fruchtbareres Land für die Aussaat der Reformatoren.

Indeß sah es auch in den ersten Zeiten nach der Reformation mit den evangelischen Landpredigern noch traurig genug aus, und auf der Visitationsreise durch Sachsen, die Melanchthon mit Luther unternahm, wandte sich der Erstere oft seitswärts ab, um die Thränen zu trocknen, die ihm in die Augen traten, wenn er die große Unwiffenheit derer sah, denen die Belehrung und Leitung einer ganzen Gemeine anvertraut war. Luther schrieb daher auch, um dem Uebel vorläufig wenigstens einigermaßen abzuhelfen, seinen großen Katechismus „für die unwissenden Pfarrer."

Für die Folgezeit wurden regelmäßige Visitationen angeordnet, bei denen die Commiffarien die Lehre und den sittlichen Wandel der Prediger streng prüfen, und die Unwissenden eben sowohl, wie die Unmoralischen vom Amte entfernen sollten. Nicht minder sollten sie den Predigern einschärfen, das Wort Gottes schlicht und einfach zu lehren, die Gemeine zu einem frommen und gottesfürchtigen Wandel zu ermahnen, und vor der Sünde ernstlich zu warnen. Was jedoch den leßten Punkt betraf, so mußten die Landstände 1533 den Churfürsten Johann Friedrich ausdrücklich bitten, daß den Pfarrern das Hinzeigen mit dem Finger

1) Noch prägnanter heißt es im Original:

E si vos en faitz clamor,
Seran vos encusador,
E seretz n'escumeniatz,
Ni s'aver non lor donatz,
Ab els non auretz amor
Ni amistad ni paria
Vergena, sancta Maria,

Domna, si us platz, laissatz me 'l jorn vezer,
Qu'els puosca pauc doptar e mens temer!

Klagen über unwürdige Prediger.

607 und das Nennen beim Namen verboten werden möchte —, ein Beweis, daß dies damals wirklich vorkam. Nach den ersten Visitationen trat aber eine lange Pause ein, und die nächste wurde erst 1578 auf Befehl des Churfürsten vorgenommen. Seit dieser fanden dieselben mehrere Jahre hindurch regelmäßig statt; doch stockten sie wieder bis zum Jahre 1592, und erst in späterer Zeit wurden sie wieder regelmäßig eingeführt.

Die Hauptpunkte, auf welche die Visitatoren sehen sollten, waren: Ob der Prediger die Bibel, die Augsburgische Confession und die Concordienformel wohl im Kopfe habe, ob er demgemäß lehre, wie sein Vortrag beschaffen sei, nach welcher Methode er predige, und wie weit sich seine gelehrte Bildung erstrecke? Uebrigens sollte sich Jeder, der das Recht, zu predigen, erlangen wollte, vorher einem theologischen Examen unterwerfen, bei welchem streng darauf gesehen wurde, ob der Candidat die heilige Schrift und das kirchliche Lehrsystem vollständig inne habe, und bei der Ordination mußte er beschwören, daß er ihnen stets gemäß lehren wolle. 1)

Wie vorsorglich aber auch diese Einrichtungen getroffen waren, so schüßten sie doch nicht die Gemeinen durchgehends vor unwürdigen Predigern. Schon Sarcerius, ein jüngerer Zeitgenosse Luther's, sagte in seinem Tractate: ,,Von den Mitteln, christliche Religion zu erhalten" von der Besehung der theologischen Profeffuren: „Es sollte wohl so sein, daß man nicht nach Gunst, sondern nach Würdigkeit Professores und Praeceptores auf Universitäten wählte. Aber das geschieht gleichwohl an vielen Orten nicht, da man Gunst, Liebe, Geschenke, Schwägerschaft, Brüderschaft und dergleichen Dinge gelten läßt;" und in Betreff der Prediger klagte der alte Cyriacus Span= genberg: Man findet solcher Gesellen jezt alle Winkel voll, die fich für reine oder rechte Lehrer ausgeben, während doch ihr Herz voll Falsch und ihr Mund voll Betrug ist. Sie kommen zum Predigtamt, Gott weiß wie, und durch was für Mittel, drängen und kaufen fich in die Kirchendienste, lassen sich die unbillige Abseßung und Verjagung christlicher, beständiger und unwiderlegter Lehrer und Prediger gefallen, damit nur sie, gleichviel mit welchem Gewissen, zu guten Aemtern kommen, wollen aber dennoch für Apostel und Gesandte Gottes gehalten sein, und die Gemeinen müssen sie mit Unwillen und beschwertem Gewissen dulden."

Hauptsächlich war der Mißbrauch des Patronatsrechtes der GutsHerren, und der unzeitige Eifer mancher Superintendenten, ihre Verwandten, Söhne und Töchter zu versorgen, an der Menge unwürdiger

1),,Wollet ihr nun," lauten den altlutherischen Agenden zufolge die Worte des Drdinators, wie euch aus Gottes Wort vorgehalten, euch nach demselben in eurem Amte halten und führen, auch euren Glauben und Bekenntniß nachh Gottes Wort richten, wie dasselbige in prophetischer und apostolischer heiliger Schrift verfasset ist, und der heiligen Schrift gemäß unsere Kirche in ihren symbolischen Schriften anerkennt, so saget es hiemit Gott und seiner heiligen christlichen Kirche, und uns, ihren Vorstehern, zu." Antwort: Ja." (Vergl. „Die Kirchenordnung der evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands in ihren ersten Jahrhunderten." Berlin, 1824).

608

Klagen über unwürdige Prediger.

Prediger Schuld. In den Visitationsartikeln des Churfürst August (1550) wird bereits gerügt, daß die Edelleute und Lehnsherren allenthalben ungelehrte Gesellen oder verdorbene Handwerksleute aufklaubten, oder ihre Schreiber, Reiter oder Stalljungen als Priester kleideten und auf ihre Pfarren steckten, damit sich diese desto leichter bei ihnen erhalten könnten, und auch wohl etwas von dem Pfarrgute, was dem Junker gelegen sei, fahren ließen, oder sonst ihm zu Hofdiensten mit Schreiben, Registerhalten, Kinderunterrichten u. s. w. behülflich wären.“

Es war daher kein Wunder, wenn es unter den lutherischen Predigern nicht Wenige gab, die durch ihr wüstes und rohes Leben der Gemeine höchst anstößig wurden. So gerieth ein Dorfpfarrer, mit dem der Edelmann gewöhnlich um die Wette trank, bei einer solchen Zecherei in Streit mit ihm. Der Edelmann wurde grob, und der Pastor zog sofort seinen Talar aus und schrie zornig: "Junker, wollt ihr dran? so liegt da der Rock, hier steht der Kerl." 1)

Andere waren minder roh, aber desto unwürdigere Speichellecker, und gewiß hieß es in der Vorrede zum 9. Bande der Magdeburger Centurien nicht ohne Grund: Man sucht jest mit Fleiß solche Kirchendiener, welche den großen Herren nach Gefallen reden, die Sünden mit scheinbaren Glossen begleißen, und die Laster so undeutlich und insgemein hin berühren, daß Jeder denkt, es gelte nicht ihm, sondern den Antipoden. Solche künstliche Köche der heiligen Predigt, welche allen delikaten Mäulern Suppen machen können, werden wegen ihrer Gelehrsamkeit, Vorsichtigkeit, Bescheidenheit und Gaben bis in den Himmel erhoben. Da helfen solche Prediger und Politiker einander weislich, und bemänteln ihre Sünden beiderseits aufs zierlichste. Da muß es keine Sünde sein, wenn der Prediger ein Wetterhahn ist, und bald warm, bald kalt aus einem Munde bläst."

Ebenso schlimm sah es bei den Reformirten aus. ,,Wir sehen," sagt Wilh. Zepper" 2), daß die Gemeinen an vielen Orten keine Lehrer haben, und daß das Volk in Dörfern und Marktflecken ohne den nöthigen Unterricht im Worte Gottes dahin geht, und daß kein Katechisiren, keine Kinderzucht oder Gebrauch der Sacramente stattfindet, daß die Kirchendiener aus dem gemeinen Volke als Idioten, Soldaten, Kriegsgurgeln, die nichts gelernt haben, auf die Kanzeln gestellt werden, ja daß nicht allein Kezer, sondern auch Atheisten auftreten, und das gemeine Volk, nicht besser als das Vieh unterrichtet, lebt und stirbt.“

Allerdings fehlte es auch nicht an wahrhaft evangelischen Predigern, welche im bittersten Unmuth über dieses Unwesen klagten. So äußert sich z. B. der bekannte Dr. Heinrich Müller in seinen

1) Ein anderer Landpastor, gleichfalls dem Trunke sehr ergeben, hatte es eines Sonnabends so arg gemacht, daß er am Sonntage kaum mit dem Eingange zu seiner Predigt fertig werden konnte. Als er hierauf nach dem Liedervers unter der Predigt niederknieete, um das stille Vaterunser" zu beten, schlief er ein, und da der Küster, dem das Gebet zu lange zu dauern schien, ihn von hinten zupfte, stieß er halb im Schlafe Worte aus, wie er sie gewöhnlich bei seinen Trinkbrüdern im Munde führte. 2) De polit. eccles. I. 22.

Predigten im apostolischen Zeitalter.

609

,geistlichen Erquickstunden:",,Ist der Priester deiner Art, o Weltkind, o macht er es, wie du es machst. Du wucherst, raubst, stiehlst, geizest, [chindest, schabest; er thuts auch, und noch viel besser, als du. Du hilfft dem Armen aus dem Sattel; er schlägt ihn gar zu Boden. Du cheerest das Schaf; er schindet es. Du nimmst Milch und Wolle; er Fleisch und Fell. Du dienest dem Bauch; er gar dem Baal. Du kannst wohl freffen und saufen; er kann dir's meisterlich zuvorthun. Weil er's denn machet, wie du, bleibst du in deinen Sünden ungestraft. Frist doch ein Rabe dem anderen kein Auge aus. Wie kann er dich beschuldigen, dessen er selbst schuldig ist? Ist das nicht ein herrlich Leben? thun, was gelüftet, und keine Einrede haben. Ja freilich; aber was folgt darauf? Dein Hirt stirbt in Sünden; du auch. Ér fährt zum Teufel, und du mit."

Aber dergleichen echt evangelische Prediger, welche die Menschen von der starren Orthodorie zum lebendigen Glauben bringen wollten, waren natürlich bei ihren orthodoren Amtsbrüdern wenig beliebt; fie wurden als Keßer und Unruheftifter verschrieen, und mußten nicht selten ihre Berufstreue mit dem Verluste des Amtes büßen.

Die Folge davon war, daß sich die ernstlich um ihr Seelenheil Bekümmerten von der Kirche lossagten und zu separatistischen Gemeinen vereinigten, wie die Jansenisten und Quietisten in der katholischen, die Herrnhutische Brüdergemeine in der lutherischen Kirche; in der reformirten die Labadisten und viele von den englischen und schottischen Puritanern, namentlich die Independenten, die Quäker und Methodisten; und die Zahl der Dissenters beträgt bekanntlich in London fast zwei Drittel der Bevölkerung.

Schon aus dem, was bisher zur Beantwortung der Frage: „Wer durfte predigen?" gesagt worden ist, wird Jedem klar geworden sein, daß auch die Antwort auf die Frage:

,,Wie wurde gepredigt?" nicht für alle Zeiten gleichlauten kann.

Was das apostolische Zeitalter betrifft, so haben wir an den im Neuen Testament enthaltenen Reden und Briefen hinlängliche Proben, wie einfach, aber kraftvoll, die Vorträge der Apostel waren, und wenn wir uns auch die große Wirkung derselben zunächst aus der, dem Evangelium selbst inwohnenden Gotteskraft zu erklären haben, so scheint doch auch die Art und Weise der Verkündigung nicht wenig beigetragen zu haben, dem Evangelium Eingang in die Herzen der Menschen zu verschaffen.

Auch die Vorträge ihrer nächsten Nachfolger waren, wie wir aus den Schriften der ,, apostolischen Väter" sehen, einfach, aber gediegen und erbaulich. Sie schlossen sich, wie aus dem bekannten Berichte des Justinus über die Sonntagsfeier erhellt, unmittelbar an den vorgelesenen Abschnitt aus der heiligen Schrift an, und bestanden in herzlichen und väterlichen Ermahnungen zur Befolgung der darin enthaltenen herrlichen Lehren, und in Warnungen vor den Lastern.

Gleichwohl beweist die schon 180 zu Alexandria gestiftete Katechetenschule, wie früh man die Nothwendigkeit der wissenschaftlichen Bildung bei Lehrern der Kirche anerkannte, und Lehrer, wie

« IndietroContinua »