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Gitterwand oder „cancelli.“ Kanzel.

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Predigen gewöhnten Pfarrer weniger Mühe machte, aber auch weniger Rußen stiftete, als eine lebendige und belehrende Unterhaltung mit den Kindern.

B. Das Schiff der Kirche.

1. Die Kanzel.

In den ersten christlichen Jahrhunderten, in denen das Predigen vorzugsweise ein Geschäft des Bischofs war, und die Presbyter und Diakonen nur ftellvertretend predigen (die leßteren eigentlich nur eine Predigt vorlesen) durften, wurden die Predigten in der Regel von dem Bischofsfig aus gehalten, der sich hinter dem Altartisch an der gewöhnlich halbkreisförmigen Mauer befand, und so hoch war, daß von dort aus die ganze Gemeine übersehen werden konnte. Gewöhnlich verhüllte den Sig ein Vorhang, der weggezogen wurde, sobald die Predigt begann, und noch jest sieht man hier und da Kanzeln mit dergleichen (in früheren Zeiten ziemlich allgemein üblichen) Vorhängen.

Die Predigt wurde sißend gehalten, weil Jesus die in der jüdischen Synagoge herkömmliche Sitte, zwar die heiligen Schriften stehend vorzulesen, den Vortrag aber sißend zu halten, durch sein Beispiel (Luk. 4, 16. 20; Joh. 8, 2.) sanctionirt hatte.

Von dem Bischofsfiße aus aber durfte natürlich nur eben der Bischof seine Vorträge halten. Predigte der Presbyter für ihn, so hatte dieser seinen Play vorn an der Gitterwand des Altarraums, die in der Kirchensprache,,cancelli" hieß, und da auch die Bischöfe in größeren Kirchen, um von den in weiter Entfernung Stehenden verstanden zu werden, häufig von dort aus ihre Vorträge hielten, so hieß späterhin ganz allgemein aus den Cancellen sprechen" so viel als vredigen," und der für das Halten der Predigt bestimmte Ort ,,Kanzel."

Aber auch von den Cancellen aus war es immer noch schwer, in einer großen Kirche Allen verständlich zu werden. Daher benußten Chryfoftomus i) und Augustinus, freilich ausnahmsweise, für ihre Vorträge den großen Ambon mitten im Schiff der Kirche, den sonst nur der Diakon oder Lector bestieg, wenn eine Predigt, oder sonst etwas vorzulesen war, und auf welchem außerdem die Sänger ihren Plas hatten.

Als sich endlich seit dem XIII. Jahrhundert jene mittelalterlichen gigantischen. Dome erhoben, in denen der Prediger, wollte er von Allen verstanden werden, nothwendiger Weise mitten in der Kirche

1) Nicephor. Η. Ε. XIII. 4. Τότε δὴ ὁ Ἰωάννης λαμπρόν τινα λόγον διέξεισιν ἐπ ̓́Αμβωνος καθεσθεὶς, ὥσπερ ἦν εἰωθὸς ἐκείνῳ ταῖς διδασκαλίαις ποιεῖν, ἵν ̓ ἅπαντας ἡ φωνὴ ἐπιφθάνοι.

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76 Altar und Kanzel in der katholischen Kirche.

seinen Standort haben mußte, und überdies seit dieser Zeit auch im Decident den Mönchen, die, als zum Laienstande gehörig, vorher vom Predigtamte durchaus ausgeschlossen gewesen waren, das Predigen gestattet worden war, so wurde fast in allen Kirchen die Kanzel in der Mitte der Kirche, oben an einem Seitenpfeiler angebracht, und auf diese Weise einerseits für die Zuhörer beffer gesorgt, andererseits der Anstoß vermieden, den man sonst daran hätte nehmen können, wenn es den Mönchen gestattet worden wäre, als Prediger den Altarraum zu betreten, der sonst nur dem geweihten Priester zugänglich war.

Allerdings mußte es hierbei öfter vorkommen, daß die Kanzel nicht gerade den Plaz erhielt, welcher ihr in akustischer Hinsicht am meisten zu wünschen gewesen wäre, und in der That ist es, wie bereits oben angedeutet worden, eine sehr gewöhnliche Klage, daß man in jenen größeren evangelischen Kirchen, die noch aus den Zeiten vor der Reformation herstammen, den Prediger meist so schlecht versteht. Diesen Uebelstand erkannte man auch im Mittelalter sehr wohl an, und suchte ihm abzuhelfen, so gut es irgend geschehen konnte. Um das Verfliegen des Schalles in den hohen Räumen möglichst zu beseitigen, wurde über der Kanzel ein oft höchst zierlich gearbeitetes Kanzeldach angebracht, oder es wurden, um die Resonanz zu verstärken, an geeigneten Stellen Töpfe in die Wand gemauert. Aber ließ sich durch dergleichen Mittel dem Uebelstand nicht abhelfen, so ertrug man ihn lieber, als daß man es jemals gewagt hätte, die Kanzel über dem AItar anzubringen, wäre man auch noch so sehr davon überzeugt gewesen, daß dies für den Prediger die allein geeignete Stelle sei. Und in der That ist nach den in der griechisch- und römisch-katholischen Kirche herkömmlichen Vorstellungen die Predigt, für wie nüßlich und heilsam man sie sonst auch halten mag, doch im Vergleich mit dem "Meßopfer" so wenig eine wesentliche Hauptsache, daß die Frage, ob die Kanzel dem Altar oder dieser der Kanzel weichen müsse, hier gar nicht aufgeworfen werden konnte, und man, sobald nur der Ort für die Meßhandlung ermittelt war, für die Predigt sich_jeden anderen, wenn auch minder geeigneten Plag gern gefallen ließ. Ja, in den gewöhnlichen russisch-griechischen Kirchen fehlen mit der Predigt auch die Kanzeln ganz, die sich nur in den Kathedralen finden, weil der altkirchlichen Praxis zufolge das Predigen Sache des Bischofs sein sollte, und also auch nur die bischöflichen Kirchen eine Kanzel zu bedürfen schienen. Außerdem haben diese Kathedralen auch noch den in der Mitte des Schiffes stehenden großen Ambon," der aber nicht mehr, wie vormals, für die Lectoren und Vorfänger, sondern ausschließlich für den Bischof bestimmt ist, weshalb er auch der bischöfliche heißt. Statt des ehemaligen kleinen oder DiakonenAmbon aber, der vor der Gitterwand stand, und auf welchem theils die biblischen Lectionen gelesen, theile die Predigten gehalten wurden, wird jeßt das Analogeion, ein niedriges, tragbares Lesepult ge= braucht, das zum Vorlesen der Epistel auf die rechte oder linke Seite der Gitterwand, zum Vorlesen des Evangelii aber mitten vor die hei ligen Thüren gestellt wird.

Altar und Kanzel in der protestantischen Kirche. 77

Eine ungleich größere Bedeutung mußte die Frage nach dem Plag für die Kanzel in der protestantischen Kirche haben, insofern die Predigt hier nicht nur als eine wesentliche Hauptsache, sondern namentlich nach calvinistischer Ansicht als das eigentliche Centrum des ganzen kirchlichen Gottesdienstes erscheint. War es in der katholischen Kirche, sobald nur für den Altar der passendste Plaß ermittelt war, gleichgültig, wo die Kanzel ihre Stelle fand, so mußte es hier vor allen Dingen darauf ankommen, für die Kanzel die geeignetste Stelle ausfindig zu machen und alsdann erst an den Altar zu denken, was natürlich eine völlige Umgestaltung des kirchlichen Baustyls zur Folge hatte. Dieser sei nun, wie er wolle immer wird der Unbefangene,

ehe er in die allgemeinen und vielfach wiederholten Klagen über den ,,ganz unkirchlichen Charakter der modernen Kirchen" einstimmt, fragen: Haben wir auch ein Recht zu solchen Klagen? Wenn der Gottesdienst in den protestantischen Kirchen ein so wesentlich anderer gewor den ist, als er in den Zeiten des Mittelalters war, da jene ,,gothischen Dome" gebaut wurden, mußte da nicht zugleich mit dem Cultus auch das kirchliche Gebäude im Inneren wie im Aeußeren eine andere Gestalt erhalten? Und ist es statthaft, den modernen protestantischen Kirchen das Prädicat der „kirchlichen Würde" darum allein abzuspre= chen, weil sie anders aussehen, als jene Dome, welche der mittelalterliche Katholicismus zur Befriedigung seiner gottesdienstlichen Bedürfnisse erfand?

Der seit dem Hamburger Brand (1842) nöthig gewordene. Neubau der durch das Feuer zerstörten Kirchen hat ganz neuerdings mehrere Schriften über evangelische Kirchenbaukunft hervorgerufen, und wenn der Verfaffer der einen („Von welchen Principien soll die Wahl des Baustyls, insbesondere des Kirchenbaustyls, geleitet werden," von Dr. G. Palm, 1845) dem fogenannten gothischen Styl des XIII. Jahrhunderts als dem christlichsten, schönsten und deutschesten vor allen anderen den Vorzug giebt, so wird man vom ästhetischen Standpunkt aus dies eben so gern zugeben können, als wenn der Verfasser einer anderen Brochüre den Saß aufstellt, daß in dem gothischen Styl die höchste und adäquateste christliche Form gefunden sei, weshalb auch keine andere mehr habe folgen können. Wenn er jedoch fortfährt, daß darum auch keine andere gesucht oder gewählt werden dürfe, weil die Kirche eben eine Kirche und nicht ein bloßer Hörsaal sein soll, so geht daraus nur hervor, daß ihm ein in der Predigt sich concentrirender Cultus, wie er im Protestantismus herrschend geworden ist, nicht ge= nügt, weil dieser noch keine, sein ästhetisches Gefühl zufriedenstellende architektonische Formen hat finden können. Und darin wird ihm allerdings auch mancher Andere beistimmen. Nur ist mit allen diesen Auseinandersegungen der Vorzüge des „gothischen Style,“ der ohnehin gar nicht erst der Lobredner bedarf, sehr wenig, ja man könnte sagen, gar nichts gewonnen, und die Hauptfrage bleibt immer dieselbe. Soll fener mittelalterliche Styl auch beim Bau protestantischer Kirchen in Anwendung kommen, so muß wiederum der Altar, wie in architektonischer, so in gottesdienstlicher Hinsicht die Hauptstelle einnehmen, und die Kanzel, wie damals, ihm weichen. Soll dagegen die Predigt das

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Altar und Kanzel.

Kanzelpult.

Centrum des kirchlichen Gottesdienstes bilden, so muß die Kanzel die Hauptstelle erhalten und der Altar ihr weichen, was allerdings mit der Beibehaltung des alten Kirchenbaustyls nicht wohl vereinbar ist, und es wäre wohl wünschenswerth, wenn man dies endlich einmal flar einsehen und namentlich von dem Irrthum zurückkommen wollte, als müsse eine Kirche um so schöner ausfallen, jemehr man bemüht sei, die Vorzüge jedes einzelnen der verschiedenen Style in ihr zu vereinigen. Denn dann erhält man gewiß ein architektonisches Product, das von der Horazischen mulier formosa superne, quae desinit in atrum piscem wenig verschieden sein wird. Und dennoch braucht nur irgendwo vom Bau einer neuen Kirche die Rede zu sein, um immer wieder die Lust zu dergleichen Versuchen rege zu machen, obgleich kein besonderer Scharfsinn nöthig ist, um einzusehen, daß sie mißglücken müssen. Das apostolische Zeitalter hatte für seinen Gottesdienst keine gothischen" Kirchen; denn es bedurfte sie nicht. Erst das Mittelalter erfand sich diese, und zwar ganz so, wie seine gottesdienstlichen Bedürfnisse sie nothwendig machten. Will nun der Protestan= tismus ganz zur Simplicität des apostolischen Zeitalters zurückkehren, so mag er auch mit dem einfachen Betsaal jener ersten Christen sich begnügen. Will er dagegen einen mittelalterlich - gothischen Dom haben, so scheint es natürlich, daß er auch in Betreff des Gottesdienstes zu den Formen des mittelalterlichen Katholicismus zurückkehre. Will er weder das Eine, den einfachen Betsaal der ersten Christen, noch das Andere, die Rückkehr zu den Cultusformen des Zeitalters der ,,gothischen" Dome, so bleibt ihm allerdings nichts übrig, als daß er sich einen neuen Kirchenbaustyl erfindet, oder wenn er das nicht vermag, auf ein eigenes Haus verzichtet und sich in einem ursprünglich nicht für seinen Gottesdienst bestimmten fremden Hause einzurichten sucht, so gut es eben gehen mag.

2. Das Kanzel pult.

Auf vielen Kanzeln ist vorn ein Lesepult angebracht, das dem Prediger zunächst dazu dienen soll, die Bibel aufgeschlagen vor sich zu haben, um einzelne Stellen des Tertes, die er in der Predigt an= führen will, vorzulesen. Häufig aber benußen es auch Prediger, um ihr Concept vor sich zu haben, und einen Blick hineinwerfen zu können, im Fall ihr Gedächtniß sie im Stiche laffen sollte, oder um es den Zuhörern wörtlich vorzulesen, wie dies nicht nur namentlich in England, sondern auch in anderen Gegenden ziemlich allgemein Sitte ist, und da das Vorhandensein oder Fehlen des Kanzelpultes meist durch die Praxis der entweder frei oder nach dem Concept predigenden Kanzelredner bedingt ist, so mögen bald hier die historischen Notizen über die gleichfalls nicht rein zufällige Verschiedenheit dieser Predigerpraris ihre Stelle finden.

Im Alterthum war man bekanntlich nur an den freien Vortrag des Redners gewöhnt, und die griechischen und römischen Lehrer der Rhetorik gaben ihren Schülern in der Lehre von der Mnemo nik eine besondere Anleitung, wie sie am leichtesten und sichersten die

Extemporirte Predigten.

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vorher ausgearbeiteten Reden memoriren könnten. Nur Gefeße und anderweitige schriftliche Zeugnisse, auf die sich der Redner bezog, wurden vorgelesen.

In der christlichen Kirche waren die Vorträge anfangs nichts anderes, als väterliche Belehrungen und Ermahnungen, die der Vorsteher der Gemeine an den vorgelesenen Abschnitt aus der heiligen Schrift anknüpfte. Alle jene rhetorischen Künste, die der griechische oder römische Redner so oft anwenden mußte, wenn er dem Unrecht den Schein des Rechtes geben und seinem Clienten den Prozeß ge= winnen wollte, bedurfte der christliche Redner nicht, der es nur mit der ewigen, göttlichen Wahrheit zu thun hatte, die keines rhetorischen Prunkes bedarf, und daher vermieden auch Kirchenlehrer, die mit den gefeiertsten Rednern des klassischen Alterthums hätten wetteifern fönnen, in ihren Predigten absichtlich alles Künstliche, und sprachen, fern von jedem rednerischen Schmuck, mit einfacher und herzgewinnender Vertraulichkeit zu ihrer Gemeine, was sie um so leichter thun konnten, da sie wirklich meist das Herz sprechen ließen, und ihre Vorträge entweder ganz unvorbereitet hielten, oder, wenn sie sich vorbereiteten, doch hauptsächlich nur daran dachten, was sie den Zuhörern zu sagen hatten, ohne sich sonderlich um das Wie? zu kümmern.

Von Origenes wissen wir aus der Vertheidigungsschrift des Pamphilus für ihn, daß er fast täglich in der Kirche unvorbereitet Predigten hielt, die von Schnellschreibern nachgeschrieben wurden, und so auf die Nachwelt gekommen sind. Ebenso predigte Chryso= stomus häufig unvorbereitet. So mußte er z. B., als er, aus dem Eril zurückberufen, wieder in Konstantinopel einzog, den dringenden Bitten des Volkes nachgeben und sofort den Bischofssig besteigen, um eine Rede zu halten.

Auch Augustinus predigte oft aus dem Stegreif. „Ich hatte mir," sagt er in einer seiner Predigten 1),,,als Tert einen kurzen Psalm gewählt, den ich dem Lector vorzulesen befohlen hatte. Er aber hat aus Versehen, wie es scheint, statt des angegebenen, einen anderen gelesen, und ich wollte lieber dem in dem Irrthum des Lectors fich kundgebenden Willen Gottes, als meinem eigenen Willen in der Wahl des Tertes folgen."

Ueberhaupt wurde die Predigt gern als ein,,Werk der göttlichen Eingebung" betrachtet. Als daher Auguftinus in seinen Jünglingsjahren einst aus Schüchternheit in Gegenwart einiger Bischöfe nicht predigen wollte, beruhigten diese ihn, wie er selbst erzählt, mit den Worten: „Wenn dir die Worte fehlen 2), so bitte, und du wirst empfangen; denn nicht ihr seid es, die da reden, sondern das, was euch

1) August. in Ps. 138. Psalmum nobis brevem paraveramus, quem mandaveramus cantari a lectore, sed ad horam, quantum videtur, perturbatus, alterum pro altero legit. Maluimus ergo nos in errore lectoris sequi voluntatem Dei, quam nostram in nostro proposito.

2) August. serm. 46. de temp. ,,Si sermo deest, pete et accipies. Non enim vos estis, qui loquimini: sed quod donatur vobis, hoc ministratis nobis."

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