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Extemporirte Predigten.

gegeben wird, reicht ihr uns dar," und an einer anderen Stelle fagt er in dieser Beziehung 1):,,Da sich über jeden einzelnen der zu be= handelnden Gegenstände so Vieles und auf so vielfache Weise sagen läßt, wer weiß es, was für den gegenwärtigen Augenblick uns zu sa= gen, und Anderen zu hören frommt, wenn nicht der, welcher die Herzen Aller kennt? Und wer bewirkt es, daß wir das, was zu sagen, und wie es zu sagen ist, vortragen, wenn nicht der, in dessen Hand wir und unsere Predigten find ?"

Daher betete auch Ambrosius, ehe er die Kanzel bestieg, ge= wöhnlich folgendes, noch jest dem Prediger zu empfehlende Gebet: "Ich bitte, Herr, und flehe dich an, verleihe mir immerdar ein einfaches Wissen, das da erbaut! Verleihe mir eine milde und weise Rede, die sich nicht aufbläht und mit ihren Vorzügen über die Brüder erhebt! Gieb du mir, flehe ich, in den Mund das Wort des Trostes und der Erbauung durch deinen heiligen Geist, damit ich die Guten zur größeren Vervollkommnung zu ermahnen und die, welche in der Frre gehen, durch Wort und Beispiel zu der Richtschnur dei= nes Rechtes zurück zu rufen im Stande sei! Möchten die Worte, die du deinem Knechte verleihst, wie scharfe Geschoffe und brennende Pfeile sein, damit sie durchdringen, und die Gemüther der Zuhörer zu dei= ner Furcht und deiner Liebe entflammen."

Auch Chrysostomus sagt in seiner 2. Homilie an das Antiochenische Volk 2): "Ich glaube nicht, daß ich dies von mir selbst gere= det habe, sondern daß Gottes Rathschluß mir die Worte ins Herz ge= geben hat." Von der schwärmerischen Ansicht jedoch, daß der Prediger nur das willenlose Organ des heiligen. Geistes sei, war man weit entfernt, und die auf eine göttliche Eingebung bezüglichen Aeußerungen der Kirchenväter sind nur in eben dem Sinne zu verstehen, in welchem Gregor der Große 3) in seiner 19. Predigt über den Ezechiel sagt: Vieles, was ich allein nicht verstehen konnte, habe ich während des Predigens vor meinen christlichen Brüdern verstanden."

Uebrigens darf man von jenen ausgezeichneten Predigern nicht auf Alle schließen, und Manche, denen das Predigtami oblag, waren nicht nur nicht im Stande, ohne Vorbereitung zu sprechen, sondern vermochten kaum, eine Predigt schriftlich abzufassen. Daher schrieb

1) Aug. de doctr. christ. IV. c. 15. Quum enim de unaquaque re, quae secundum fidem, delectationemque tractanda sunt, multa sint, quae dicantur, et multi modi, quibus dicantur ab iis, qui hoc sciunt: quis novit, quid ad praesens tempus vel nobis dicere, vel per nos expediat audiri, nisi qui corda omnium videt? et quis facit, ut quod oportet et quemadmodum oportet, dicatur a nobis, nisi in cujus manu sunt

et nos et sermones nostri.

2) Chrysost. hom. 2. ad pop. Antioch. Ovx oluαι ravτa ár ἐμαυτοῦ εἰρηκέναι, ἀλλὰ τοῦ θεοῦ τὰ μέλλοντα προειδότος εἰς τὴν διάνοιαν τὴν ἡμετέραν εμβεβληκέναι τὰ ῥήματα.

3) Gregor. M. hom. 19. in Ezech. Scio enim, quia plerumque multa in sacro eloquio, quae solus intelligere non potuí, coram fratribus meis positus intellexi.

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Das Halten fremder Predigten.

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Cyrillus, Bischof von Alexandria, wie Gennadius 1) berichtet, eine Menge Predigten, welche von den unfähigeren Bischöfen in der griechischen Kirche memorirt und gehalten werden sollten. Ebendasselbe that Salvianus 2), ein Presbyter zu Marseille, für mehrere Bischöfe in Gallien, wovon er den Zunamen »Magister episcoporum« erhielt; und Augustinus 3) mißbilligte, wie bereits erwähnt worden (S. 8.), dieses Halten fremder Predigten keinesweges. Wenn Prediger," sagt er,,,Vorträge, welche mit Beredtsamkeit und Weisheit geschrieben sind, benugen, dieselben memoriren und dem Volke vortragen, so thun sie, indem sie diese Rolle spielen, nicht Unrecht. Denn auf diese Weise werden, was gewiß von Nugen ist, Viele Prediger der Wahrheit, und es giebt nicht vielerlei Lehrer, wenn Alle die Worte eines einzigen wahren Lehrers sprechen, und keine Spaltungen unter ihnen sind. Auch dürfen sie sich nicht durch das Wort des Propheten Jeremias (c. 23, 40.):,,,,darum siehe, ich will an die Propheten, spricht der Herr, die mein Wort stehlen, einer dem an= dern,"" zurückschrecken lassen: denn die, welche stehlen, nehmen fremdes Eigenthum weg; das Wort Gottes aber ist denen, welche ihm ge= horchen, nichts Fremdes, und eher sagt derjenige Fremdes, welcher zwar gut predigt, aber schlecht lebt." Doch segt er, wie diese Stelle beweist, dabei voraus, daß dergleichen fremde Predigten vorher memorirt werden, damit der selbstständige, freie Vortrag wenigstens einigermaßen erseßt werde.

Vorgelesen wurden Predigten in der Regel nur dann, wenn der Bischof oder Presbyter selbst zu predigen verhindert war, und der Diakon oder Lector in diesem Falle eine Predigt vorzulesen hatte, wie es noch jest der Küster oder Schullehrer in Abwesenheit des Predigers thut, und als Beispiele, daß Prediger ihre eigenen Vorträge abgelesen haben, lassen sich aus dem Alterthum nur Fulgentius, Bischof von Ruspe, und Gregor der Große anführen; der lettere 4)

1) Gennad. de scriptor. c. 37. Cyrillus Alexandrinae ecclesiae episcopus, homilias composuit plurimas, quae ad declamandum a Graecis episcopis memoriae commendantur.

2) Gennad. c. 67. Salvianus, Massiliensis ecclesiae presbyter, scripsit scholastico et aperto sermone multa, e quibus ista legi etc.

3) August. de doctr. chr. IV. c. 29. Quodsi ab aliis sumant eloquenter sapienterque conscriptum memoriaeque commendent atque ad popolum proferant, si eam personam gerunt, non improbe faciunt. Sic enim, quod profecto utile est, multi praedicatores veritatis fiunt, nec multi magistri, si unius veri magistri id ipsum dicant omnes, et non sint in iis schismata. Nec deterrendi sunt isti voce Hieremiae prophetae, per quem Deus arguit eos, qui furantur verba ejus, unusquisque a proximo suo. Qui enim furantur, alienum auferunt: verbum Dei autem non est ab iis alienum, qui obtemperant ei, potiusque illa dicit aliena, qui, quum dicat bene, vivit male.

4) Gregor. M. hom. 40. serm. 21. Multis vobis lectionibus, fratres carissimi, per dictatum loqui consuevi: sed quia lassescente stomacho ea, quae dictaveram, legere ipse non possum et quosdam vestrum minus libenter audientes intueor: nunc a memetipso exigere volo contra mo

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Vorlesung von Predigten.

sagt jedoch in eben der Stelle, die für das Ablesen seiner Predigten anzuführen ist, zugleich, daß er von nun an frei sprechen wolle.

Erst im Zeitalter Karl's des Großen wurde es allgemeinere Sitte, daß die Prediger, statt frei zu sprechen, Predigten vorlasen. Da nämlich die Geistlichen jener Zeit meistentheils unfähig waren, selbst eine Predigt anzufertigen, und daher lieber gar nicht predigten, so ließ der Kaiser, der die Predigt sehr richtig als eine Hauptsache beim Gottesdienst ansah, die auf keinen Fall in Vergessenheit kommen dürfe, durch Paulus Diakonus und Alcuin eine Sammlung von Predigten des Ambrofius, Augustinus, Chrysostomus, Leo und Gregor für alle Sonn- und Festtage des Kirchenjahres veranstalten, damit die Prediger diese der Gemeine vorlesen sollten.

Auch Luther, so bestimmt er erklärte, daß die Predigten nichts taugten, wo nicht der Geist selber durch die Predigt rede," ließ doch, da er die Unwissenheit mancher Prediger sah, den Gebrauch der Postillen zu, und in seinen Tischreden äußert er unter anderen: „Ich wollt leichtlich einen zum Prediger machen, wenn er mir folgen wollte. Denn ich wollte ihn heißen den kleinen Katechismum in die Hand nehmen und von der Kanzel von Wort zu Wort lesen. Am Sonntag aber ein Stück von der Postille, und darnach dasselbige, was er gelesen, repetiren. Aber sie schämen sich deß, so ich doch nun ein alter Doctor noch allezeit das Buch mit mir auf die Kanzel nehme und daraus lese."

Ebenso wurden in England, um die Kanzeln vor aller Frrlehre möglichst zu bewahren und dem Volke die reine Lehre" zu sichern, schon unter Eduard VI. (1547-1553) eine Reihe von kirchlich bestätigten Homilien 1) herausgegeben, welche die Prediger der Gemeine vorlesen sollten.

rem meum, ut inter sacra Missarum solemnia lectionem S. Evangelii non dictando, sed colloquendo edisseram.

1) Von den 39 Artikeln der englischen Episcopal - Kirche lautet nämlich der 35fte:

The second Book of Homilies, the several titles whereof we have joined under this Article, doth contain a godly and wholesame Doctrine, and necessary for these times, as doth the former Book of Homilies, which were set forth in the time of Edward the Sixth; and therefore we judge them to be read in Churches by the Ministers diligently and distinctly, that they may be understanded of the people.

Of the Names of the Homilies.

1. Of the right use of the Church.

2. Against peril of Idolatry.

3. Of repairing and keeping clean of Churches.

4. Of Good Works: first of Fasting.

5. Against Gluttony and Drunkeness.

6. Against Excess of Apparel.

7. Of Prayer.

8. Of the Place and Time of Prayer.

9. That Common Prayer and Sacraments ought to be ministered in a

known tongue.

10. Of the reverend estimation of God's Word.

Predigten der englischen Dissenters.

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Diese Sitte des Vorlesens ist denn auch von den Homilien auf die eigenen Vorträge übergegangen, die noch jest sorgfältig ausgearbeitet und Wort für Wort auf der Kanzel abgelesen werden, wobei weder an Mimik oder Gesticulation, noch an irgend eine andere künftlerische Lebendigkeit zu denken ist. Man liest vielmehr ohne allen Nachdruck und dem Anschein nach ohne besondere Theilnahme am Gegenstande vor. Ebenso wenig sind es immer eigene Arbeiten, welche die Gemeine zu hören bekommt, und wenn der Fremde sich darüber wundert, daß es bisweilen sogar öffentlich bekannt gemacht wird, an diesem oder jenem Tage werde in dieser oder jener Kirche eine von den Predigten des sehr berühmten Redners N. N. vorgelesen werden, so pflegt man ihm wohl zu antworten: Es sei jedenfalls besser, alte, aber anerkannt gute Predigten mehrere Male, als neue, aber schlechte auch nur einmal zu hören.

Den geraden Gegensaß zu diesen sorgfältig ausgearbeiteten Kanzelvorträgen bilden die Predigten der schwärmerischen Dissenters und der eifrigen Methodisten und Baptisten. Was die Quaker betrifft, so erklärten sich diese nicht bloß auf das Entschiedenste gegen das Vorlesen eigener oder fremder Predigten, sondern überhaupt gegen alles Studiren auf eine Predigt. Diese sonderbaren Menschen oder Prediger," sagt Barclay, „kommen nicht dahin, daß fie den Herrn finden, und auf die innere Bewegung und Wirkung des Geistes warten, also, daß sie könnten ein Wort zu rechter Zeit reden, die müden Seelen zu erquicken, und wie es der gegenwärtige Zustand der Herzen erfordert, still zu warten, daß Gott durch seinen Geist sowohl die Herzen des Volkes zubereiten, als auch dem Prediger geben möge, was für dieselben gehört und passend ist. Ein gewöhnlicher Prediger schmiedet vielmehr so etwas in seiner Studirstube nach seinem eigenen Willen durch seine menschliche Weisheit und Gelehrsamkeit zusammen, stiehlt dazu aus dem Buchstaben der Schrift die Worte der Wahrheit, und füget selbigen ein aus anderer Leute Schriften zusammengeraspeltes Wesen bei, um so viel zu reden zu haben, als ein Stunde austrägt und bis die Sanduhr ausläuft, ohne Erwartung oder Empfindung des innerlichen Einflusses des Gei= ftes Gottes. So predigt er auf ein ungefähres Gerathewohl, es mag den Bedürfnissen des Volkes angemessen sein oder nicht, und wenn er seine Predigt beendet hat, so spricht oder liest er auch nach seinem

11. Of Alms-doing.

12. Of the Nativity of Christ.

13. Of the Passion of Christ.

14. Of the Resurrection of Christ.

15. Of the worthy receiving of the Sacrament of the Body and Blood of Christ.

16. Of the gifts of the Holy Ghost.

17. For the Rogation-days.

18. Of the state of Matrimony.

19. Of Repentance.

20. Against Idleness.

21. Against Rebellion.

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Länge und Kürze der Predigten.

eigenen Willen sein Gebet, und damit hat er genug gethan und sein Werk zu Ende gebracht;" eine Schilderung, die allerdings auch jezt noch auf manche Prediger paßt!

3. Die Sanduhr.

Häufiger noch, als das Kanzelpult, findet man auf den Kanzeln die Sanduhr, nach welcher sich ehedem die Prediger genau richten mußten, um mit ihrer Rede eine ganze Stunde auszufüllen. Bei den ersten Worten drehte der Küster die Sanduhr um, und diejenigen Paftoren, welche ihr Predigtamt mit besonderer Pünktlichkeit zu verwalten sich befleißigten, ließen denn auch den Eingang genau so lange dauern, bis das erste Viertelstundenglas ausgelaufen war. Dann begann nach dem Kanzelvers und der Vorlesung des Tertes die eigentliche Predigtabhandlung, die gewöhnlich drei Theile enthielt, von denen der erste mit dem Auslaufen des zweiten Viertelstundenglases zu Ende war; das leerwerdende dritte Viertelstundenglas belehrte dann den Redner, daß es Zeit sei, den dritten Theil zu beginnen, und auch dieser wurde wieder mit der pünktlichsten Genauigkeit so lang gedehnt, daß erst mit dem leßten verrinnenden Körnlein das oft lang ersehnte „Amen“ erfolgte.

3m christlichen Alterthum war es anders. Die Homilien des Origenes, des ältesten unter den Kirchenvätern, von denen wir geist= liche Vorträge besigen, waren im Ganzen sehr kurz, und die längften können nur etwa eine halbe Stunde gedauert haben. Länger waren die Predigten des Athanasius und Chrysostomus, und feit ihrer Zeit wurden überhaupt die längeren Predigten eine charakteristische Eigenthümlichkeit der orientalischen Kirche. Indessen können auch die längsten Vorträge des Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa, Bafilius, Athanasius und Chryfoftomus kaum eine ganze Stunde gedauert haben, viele kaum eine halbe Stunde, und wenn Chrysostomus in einer Predigt 1) sagt: Ich verlange nicht, daß du sieben oder zehn Tage lang die Arbeit laffen sollst; nur zwei Stunden des Tages schenke mir, die übrigen behalte für dich," so sind diese zwei Stunden nicht auf die Länge seiner Predigten, sondern auf die Dauer des ganzen Gottesdienstes zu beziehen.

Bedeutend kürzer waren die Predigten in den occidentalischen Kirchen. Nur wenige Predigten des Augustinus können etwas über eine halbe Stunde gedauert haben, die meisten kaum eine Viertelstunde, manche nur etwa zehn Minuten. Ebenso find die Predigten, die wir von Leo dem Großen, Cäsarius von Arelate und Gregor dem Großen befizen, meist sehr kurz, wie denn überhaupt die Kürze der Predigten lange Zeit hindurch ebenso charakteristisch

1) Chrysost. hom. 48. de inscript. altar. 'Eyo ovder tolovto λέγω, ὅτι ἑπτὰ ἡμέρας ἄργησον, οὐδὲ δέκα ἡμέρας· ἀλλὰ δύο μοι δάνεισαν ὥρας τῆς ἡμέρας καὶ τὰς λοιπὰς αὐτὸς ἔχε.

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