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bei Seite schiebt. Ein Primaner muss es dahin bringen, den griechischen oder lateinischen Text eines Historikers als etwas Bekanntes und Heimisches zu begrüssen und zu erfassen.

Damit ist bereits erklärt, warum ich mir den Unterricht in der alten Litteratur und in der alten Geschichte nicht getrennt denken kann; ja ich glaube aus Erfahrung zu sprechen, wenn ich behaupte, dass die Schüler derjenigen Anstalten, wo eine solche Trennung besteht, einen tiefgehenden Schaden erleiden: zwei Lehrer mühen sich gewissenhaft ab, aber der Einfluss des einen paralysirt den des andern abwechselnd. Die Begeisterung, dieser Anfang alles Wissens, geht verloren und damit verkümmern Herz und Gemüth. Aber noch mehr. Dem Lehrer des Lateinischen ist es nicht möglich, grössere Ueberblicke zu geben und das Auge auf eine weitere Aussicht zu richten, wenn er keinen Boden vorbereitet findet, auf den er mit Sicherheit treten kann. Was ist die Folge? Der Lehrer vergeudet die Zeit mit Excursen, die nichts nützen, weil sie an nichts Bestimmtes anknüpfen, der Schüler aber, und das ist der grösste Schaden, gewöhnt sich statt an Klarheit und Licht eher an Nebel und Dunkel. Doch genug von dieser traurigen Erfahrung. Fragen wir lieber, wie ist das Quellenbuch für den lateinischen Unterricht zu verwerthen? Zunächst gibt es der Privatlectüre eine feste und bestimmte Richtung. Ohne einen bestimmten Zweck erzeugt die Privatlectüre nur Oberflächlichkeit, Erschlaffung, geistigen Tod; in Verbindung mit einem Arbeitsziel führt sie zur Gründlichkeit, Selbstständigkeit, Regsamkeit. Zugleich bekommt dadurch der Schüler Material nicht allein zu grösseren deutschen oder lateinischen Arbeiten, sondern vor Allem auch zu Uebungen im Lateinsprechen. Man lasse die Schüler eine Episode privatim lesen, dann lasse man in der Schule einzelne Schüler das Gelesene wiedererzählen, schliesslich wird der Lehrer in freierer Weise über den gegebenen Stoff mit den Schülern lateinisch conversiren können. Dies ist die einzige Methode, mit welcher das Lateinsprechen, so weit ich es beurtheilen kann, für unsere Schüler fruchtbar gemacht werden kann. Andere Arten, das Buch zu lesen und zu verwerthen, gibt es noch genug; dies muss aber den äusseren Verhältnissen und dem Tact des Lehrers überlassen werden.

Als die Hauptsache bei der Bearbeitung des Buches betrachtete ich die Auswahl des Stoffes. Alle einzelnen Gründe, welche mich dabei leiteten, kann ich hier natürlich nicht darlegen; nur bitte ich den Grundsatz nicht zu verkennen, welcher mir immer vorschwebte und mich oft in Angst und Sorge versetzte: μέγα βιβλίον μέγα κακόν. Darin liegt keine Logik, aber viel Pädagogik! Alle Episoden, welche die Höhe

punkte der Römischen Geschichte charakterisiren, wurden aufgenommen, wenn sie nicht in das Gebiet der gewöhnlichen Schullectüre zu fallen schienen. Darunter rechnete ich nun die erste Decade des Livius nicht, obwohl ich sie für sehr lesenswerth halte. Mein Plan ist der: Lernt der Schüler in der grammatischen Lectüre die IH Decade kennen und wird er durch das Quellenbuch zugleich in die I und IV Decade eingeführt, so wird es dadurch möglich, den Charakter, Methode und Stil des ganzen Livius aufzufassen, und dies ist in der That ein zτñμα. Andere mögen anders denken, dies ist aber meine feste Ueberzeugung und ihr musste ich folgen. Je nach der Erfahrung praktischer Schulmänner werde ich in Zukunft das I Heft aus Livius erweitern oder verkürzen, ich glaube für die zweite Hälfte wird eine Erweiterung nöthig werden. Die Schilderung von dem Schicksal der Städte Syracus und Capua wollte ich nicht vermissen, weil die Schullectüre gewöhnlich so weit nicht vorschreitet und die Kenntniss davon doch für die Lectüre mancher Redeò Cicero's so wichtig ist. Aus demselben Grunde musste Hasdrubal bei Sena, Scipio im Senat, Scipio und Hannibal bei Zama berücksichtigt werden, knüpft sich ja doch daran das ganze Resultat des gewaltigen Riesenkampfes der beiden mächtigsten Völker des Alterthums.

Auch konnte ich mich nicht enthalten einige Partien aus Polybius einzufügen, wie z. B. die Beschreibung von der Schlacht bei Cannae, weil sie zu einer Vergleichung des Livius und Polybius auffordern, eine Vergleichung, welche sehr anregend ist und für Livius nicht gefährlich werden kann, wenn sie vorsichtig und gewissenhaft angestellt wird.

Dass überhaupt der Schüler aus unserem Buche auch den Polybius kennen lernt, welcher leider mehr bewundert und gerühmt als gelesen wird, das halte ich für einen der grössten Vortheile. Jede Bewunderung ist eitel, wenn sie nicht die Veranlassung zu einer That wird und dadurch auf den Charakter wirkt, es sei denn dass die Grenzen der Möglichkeit dies verbieten. Ueber Appian, Dio Cassius und Plutarch werde ich mich in der Vorrede zum III Heft aussprechen. Für jetzt bemerke ich nur so viel: Die Lectüre jener ergreifenden Scene von der Zerstörung Karthagos bei Appian ist wohl geeignet, das menschliche Gefühl zu ergreifen, für ein empfängliches Gemüth kann sie zu einer Art Gottesdienst werden, wie für Scipio selbst.

Die Bemerkungen sind meistens historisch, doch so, dass keine die Unmittelbarkeit der Quelle stören soll. Eine feste Methode für diese Art der Behandlung existirt noch nicht, also bedarf dieser Versuch der Nachsicht. Ungleichheit war

nicht ganz zu vermeiden. In der Behandlung der Königsgeschichte z. B. musste ich sehr kurz sein und konnte auf die neueren Forschungen nur wenig Rücksicht nehmen. Solche Studien und Kritiken sind freilich nicht mehr ganz zu vermeiden, aber sie müssen dem Tact und Urtheil des Lehrers überlassen werden, in erklärenden Ausgaben erregen sie grobe Missverständnisse, wie ich an Schülern bemerkte, welche Weissenborn's Ausgabe des Livius benützten.

Citate konnte und wollte ich nicht gänzlich umgehen; denn sie können sehr nützlich werden, wenn sie nicht abstract sind, d. h. wenn der Inhalt angegeben und nur nebenbei auf das Werk verwiesen wird, dem er entlehnt ist. Ich muss

z. B. von mir bekennen, dass ich durch solche Citate zum Studium des Drumann etc. angeregt worden bin. Wenn nun ein Citat unter 50 Schülern nur bei einem solche Frucht trägt, so ist es nicht vergebens beigeschrieben.

Was die Textkritik angeht, so kann ich keinen Lehrer, welcher einen Autor in der Schule erklärt, von der Verpflichtung entbinden, sich mit der kritischen Grundlage vertraut zu machen und möglichst das Verderbniss und die Emendationsversuche jeder Stelle zu kennen, nicht um kritische Excurse zu machen, sondern nur um sich vor unnatürlichen Erklärungen zu hüten. Darum machte ich es mir zur Pflicht, alle Stücke, besonders des Livius, einer kritischen Revision zu unterwerfen und ich hoffe, einige selbständige Beiträge zur Kritik des Livius gegeben zu haben. Freilich kann nicht jeder Lehrer ein Madvig sein, aber das kann man verlangen, dass er für Madvig's grossartige Leistungen auf dem Gebiete der Kritik und Grammatik Sinn und Verständniss hat.

A. Weidner.

Einleitung.

Die römische Geschichte fand zuerst eine gründliche und wissenschaftliche Behandlung durch den Schöpfer der deutschen Historiographie Barthold Georg Niebuhr, dem Sohne des berühmten Reisenden im Orient, Carsten Niebuhr, dessen bewegtes Leben geschildert ist von seinem Sohne in den,,Kleinen historischen und philologischen Schriften" I. Sammlung. Geboren zu Kopenhagen den 27. Aug. 1776 war Niebuhr längere Zeit Bankdirektor in seiner Vaterstadt; im Jahr 1806 trat er in den preussischen Staatsdienst und lebte dann als Gesandter in Rom viele Jahre auf dem Boden, dem seine Thätigkeit geweiht war. Als preuss. Staatsrath nach Bonn zurückgekehrt wirkte er dort mit dem grössten Erfolg an der Universität, bis der Kummer über die französische Juli - Revolution seinem Leben ein Ende machte (2. Jan. 1831). Was Niebuhr auszeichnet, ist, dass er nicht nur eine eminente Gelehrsamkeit besass, der man auf allen Gebieten der Philologie begegnet, er war auch zugleich Staatsmann und Kenner der Finanzverwaltung. Er war ein ebenso tüchtiger Sprachkenner wie Historiker, als letzterer ist er fast unerreichbar; aller Zeiten und aller Völker Geschichte kannte er genau und diese ungeheuren Kenntnisse hatte er immer bereit und gegenwärtig. Er weiss nicht allein, was immer in Rom geschehen ist, er beachtet auch, was unter gleichen Verhältnissen bei allen Völkern geschehen ist und geschehen musste oder doch geschehen konnte. Wer deshalb gründliche Studien in der römischen Geschichte machen will, muss nach Aneignung des historischen Materials durch die alten Historiker sofort beginnen mit:

1. Niebuhr, Römische Geschichte, 3 Bde., zuerst 1811 in 2 Bdn., dann 1827 u. 1828; der III. Bd. erschien 1832 nach seinem Tode von Classen.

2.

Vorlesungen über die Römische Geschichte (zu Berlin u. Bonn), 3 Bde., Berlin 1846-47.

Sehr lehrreich sind die Lebensnachrichten über Niebuhr mit vielen höchst wichtigen Briefen von Fr. Perthes.

Unter den Historikern des Alterthums nimmt für die römische Geschichte den ersten Rang ein T. Livius, geb. zu Padua 59 v. Chr. unter dem Consulate des C. Julius Caesar (gest. 17 n. Chr.). Er schrieb ein gewaltiges Nationalwerk in 142 Büchern von der Gründung der Stadt Rom Histor. Quellenbuch II, 1.

1

bis zum Tode des Drusus (9 v. Chr.). Davon sind erhalten Lib. I—X. XXI-XLV, von den übrigen nur Inhaltsangaben (Periochae). Livius war weder Staatsmann noch Soldat, aber ein rhetorisch und philosophisch durch und durch gebildeter Privatgelehrter, ein edler und liebenswürdiger Charakter. Er malt alles Edle und Grosse und Schöne mit dem Reichthum seiner Farben. Nur kriegerische Bewegungen und Schlachtbeschreibungen sind bei ihm oft dunkel. Ebensohat er kein grosses Interesse für die staatsrechtliche Entwickelung der römischen Verfassung. Dieser Mangel hat zugleich den Vortheil, dass er staatsrechtliche Fragen zwar nicht erklärt, aber auch nicht entstellt. Vgl. III, 55 mit VIII, 12. Richtig urtheilt über ihn Tac. Ann. IV, 34 T. Livius eloquentiae ac fidei praeclarus.*)

Neben ihm ist für die ältere römische Geschichte von der grössten Wichtigkeit Dionysius Halicarnassensis, ein Zeitgenosse des Livius. Selbst ein Grieche geht er von Bewunderung für das römische Wesen erfüllt nach Rom und studirt dort alle möglichen Urkunden und Werke, die er nur erhalten kann. Es ist ein Hauptzug seiner Geschichte (Poμaizǹ doxaιohoɣía), dass er überall nachzuweisen sucht, die Römer seien keine Barbaren, sondern recht eigentlich Griechen und unter den Hellenen die gerechtesten und besten. Die meisten Einrichtungen leitet er unmittelbar aus Griechenland ab. Er überträgt dabei die Zustände der neueren Zeit auf das graueste Alterthum: Romulus spricht bei ihm wie ein Cicero.

Von den übrigen Schriftstellern des Alterthums, welchen wir die Kenntniss der römischen Geschichte zum Theil verdanken, wie Cicero, Tacitus, Gellius, M. Terentius Varro, Cassius Dio (Zonaras) werden wir an der betreffenden Stelle kurze Notizen beifügen. Für jetzt erwähnen wir nur als eine interressante Quelle der Römischen Geschichte den Dichter P. Ovidius Naso (geb. zu Sulmo 43 v. Chr. unter dem Consulute des Hirtius und Pansa). Er war der begabteste und geistreichste Dichter der Augusteischen Periode, freilich ohne sein reiches Talent durch Mass und Charakter zur höchsten Vollkommenheit zu entwickeln. Er ist nicht reich an Mannigfaltigkeit der Form, alle seine zahlreichen Gedichte sind im Hexameter und Pentameter abge

*) Vgl. das Urtheil Niebuhr's:,,Livius suchte die Ausartung seines Zeitalters zu vergessen an der Vergegenwärtigung des Herrlichen vergangener Zeiten; und die behagliche Sicherheit, worin die ermüdete Welt wieder aufathmete, musste ihm mitten in seiner Wehmuth wohl thun, wenn er die entsetzlichen Ereignisse der Bürgerkriege darstellte; er wollte seiner Nation ihre bis dahin stammelnd erzählten und verkannten Thaten verherrlichen und bekannt machen, und er verlieh ihrer Litteratur ein colossales Meisterwerk, dem die griechische in dieser Art nichts vergleichen konnte, wie keine neuere ihm ein ähnliches an die Seite stellen wird. Kein Verlust, der uns in der römischen Litteratur getroffen, ist mit dem seiner untergegangenen Bücher zu vergleichen." R. G. I, 4 sq.

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