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dass daraus hervorgeht, dass Coelius speciell vor dem Jahre 608/146 geschrieben hat. Denn nach dem Jahre 608/146, wo das römische Volk nach Zerstörung von Carthago und Korinth, Macedonien, Achaia und Afrika unter seine Botmässigkeit brachte, ist der Ausdruck nicht mehr wahr, selbst bei der grössten Begeisterung, die ein Mann für die Zeiten des zweiten punischen Krieges haben konnte. Roms quantitative Macht hat um 608/146 die des zweiten punischen Krieges weit überragt, die qualitative ist erst später gesunken.

Es ist wahr, man könnte einen Augenblick an die Abnahme der Bevölkerung Italiens denken, die durch die Verheerungen Hannibals erfolgt war, und an deren Folgen Italien noch lange Jahre zu leiden hatte; man könnte an diese denken, um auch nach der Machtvergrösserung des zweiten Jahrhunderts des Coelius Behauptung zu rechtfertigen. Diese Abnahme war jedoch um das Jahr 608/146 bereits wieder ausgeglichen. Von 270,213 römischen Bürgern, die im Jahre 534/220 gezählt wurden 24), war im Jahre 550/204, als Hannibal Italien verliess, die Zahl gesunken gewesen auf 214,00025); im Jahre 560/194 war sie jedoch wieder gestiegen auf 243,704 26), 566/188 auf 258,31827), um bereits 580/174, nicht ein Menschenalter nach Beendigung des Krieges, die alte Stärke zu erreichen mit 269,015 Bürgern. 28) An den Verlust von Menschenleben kann so Coelius nicht gedacht haben. Seine Behauptung muss demnach vor der Eroberung Carthagos und Corinths, d. h. vor dem Jahre, in dem Rom seine Weltherrschaft sich errang, geschrieben worden sein.

Coelius Antipater war geboren etwa um das Jahr 574/180. Nach Cic. De legg. 1, 2, 6 war er Fannii aetati coniunctus, welch' letzterer 577/177 geboren war; Brutus 25, 96 rechnet Cicero den Coelius, verglichen mit dem Zeitalter eines C. Papirius Carbo (geboren 591/163), zu den 'seniores'; und ähnlich nach Vell. Pat. 2, 9, 4 war Coelius vetustior Sisenna, als dessen 'aequalis' noch C. Rutilius Rufus (geboren 596/158) im selben Zusammenhange gilt. Coelius war demnach etwa 32-34 Jahre alt, als er sein Bellum Poenicum niederschrieb, im selben Alter wie Livius, der mit 32 Jahren an seine Aufgabe heranging. Um 634/120 schrieb Coelius seine Historien; 25 volle Jahre lagen zwischen der Abfassung seines ersten und seines zweiten Werkes. In die Mitte zwischen beiden Werken fällt so die Veröffentlichung von den Annalen des Piso (geb. 580/174). Dieses chronologische Verhältniss des Piso zu Coelius scheint Cicero anzudeuten, wenn er Brut. 26, 102 Coelius vor Piso erwähnt; De legg. 1, 2, 6 nach demselben. Beide Angaben des Cicero sind richtig.

*4) Liv. Perioch. XX.

25) Liv. 29, 37, 6.

16) Liv. 35, 9, 2; Lange, Römische Alterthümer II, p. 204 Anm. 1. 27) Liv. 38, 36, 10.

28) Liv. 42, 3.

Wie weit die Benützung des Coelius durch Polybius sich erstreckte, ob es eine sporadische, ob es eine eingehende war, lässt sich aus den Fragmenten allein nicht ermessen; die Untersuchung wird an anderem Orte geführt und von uns veröffentlicht werden. Für jetzt ist einzig die Thatsache der Benützung zu constatiren.

Die Ungunst des Schicksals, die es mit sich gebracht hat, dass beide Werke, Coelius und der grösste Theil von Polybius, uns verloren gingen, hat auch das gefügt, dass von den erhaltenen Fragmenten des Coelius nur acht solche Ereignisse schildern, die auch in Polybius erhalten sind, fr. 9, 12, 14, 15, 17, 18, 28, 57 P. (fr. 6, 11, 12, 13, 15, 16, 32, 46 S.). Von diesen widersprechen dem Polybius drei 17, 18, 28 P. (15, 16, 32 S.); vier finden sich selbst dem Wortlaute nach in Polybius fr. 9, 14, 15, 57 P. (6, 12, 13, 46 S.); das achte fr. 12 P. (11 S.) stimmt mit Polybius überein, ohne dass dieser jedoch die Sache so ausführlich schildert wie Coelius. Die vier in Polybius erhaltenen Fragmente des Coelius zählen wir im Folgenden auf.

Coelius hatte die Länge des von Hannibal zurückgelegten Weges auf dem Marsche von Carthago Nova nach Italien angegeben auf 'duodeciens centena milia passuum', p. 15. Diese Berechnung finden wir unter allen Schriftstellern allein von Polybius übergenommen 3, 39, 11 ὥστ ̓ εἶναι τοὺς πάντας ἐκ Καινῆς πόλεως σταδίους περὶ ἐννακιςχιλίους, οὕς ἔδει διελθεῖν αὐτόν.

In Betreff des Passes, den Hannibal beim Uebersteigen der Alpen wählte, waren im Alterthume drei verschiedene Ansichten vorhanden. Man schwankte zwischen den cottischen (Mont Genèvre), grajischen (kl. St. Bernhard) und poeninischen Alpen (gr. St. Bernhard). Pol. 3, 56, 4 entschied sich für die grajischen, Livius für die cottischen 21, 38, 6. Polybius theilte so die Ansicht des Coelius, der Liv. 21, 38, 7 Hannibal gleichfalls über die grajischen Alpen hatte ziehen lassen.

Coel. fr. p. 13, 11 Legati quo missi sunt veniunt, dedicant mandata findet sich Pol. 3, 30, 9 παραγενομένων τῶν Ῥωμαίων (πρεσβευτών) καὶ παρελθόντων εἰς τὸ συνέδριον καὶ διασαφούντων ταῦτα.

Coel. fr. p. 8, 1 ipse cum cetera copia pedetemptim sequitur findet sich Pol. 14, 3, 4 so gut wie wörtlich: autòc dè την λoπην στρατιὰν ἀναλαβὼν ἐποιεῖτο τὴν ὁρμὴν ἐπὶ τὸν Ἀδρούβαν. — τοιαύτας ἔχων ἐπινοίας βάδην ἐποιεῖτο τὴν πορείαν. Pedetemptim' ist hier mit 'Bádny' wiedergegeben. Doch ist es selbstverständlich, dass wir auf diese vier Fragmente wenig Werth legen.

Immerhin scheint Polybius die Coelianische Einleitung zum Kriege eingesehen und einige Gedanken daraus verwerthet zu haben. Als Grund des Krieges gibt Coelius in Livius an: angebant ingentis viri spiritus virum Sicilia Sardiniaque amissae, nam et Siciliam nimis celeri desperatione rerum concessam, et Sardiniam inter motum Africae fraude

Romanorum stipendiis etiam insuper impositis interceptam. Florus 1, 27, 1 gibt das wieder mit: urebat nobilem populum mare ablatum, raptae insulae, dare tributa, quae iubere consueverat. Dieser Satz findet sich unverändert in Polybius, doch nicht zu Livius, sondern zu Florus hinneigend 3, 13, 1: Καρχηδόνιοι γάρ βαρέως μὲν ἔφερον καὶ τὴν ὑπὲρ Σικελίας ἧτταν, συνεπέτεινε δ ̓ αὐτῶν τὴν ὀργὴν τὰ κατὰ Σαρδόνα καὶ τὸ τῶν συντεθέντων χρημάτων πλῆθος. Vorher sich mehr Livius nähernd, sagt Polybius (3, 9, 6) vομιстéον пρúτηv αἰτίαν τοῦ πολέμου γεγονέναι τὸν Ἀμίλκου θυμόν, τοῦ Βάρκα ἐπικαλουμένου. Ὁ Ἀμίλκου θυμός ist dem ingentis viri spiritus nachgebildet. Ueberhaupt scheint bei einer Vergleichung Coelius für die einleitenden Bemerkungen Pol. 3, 9 und 3, 11 (mehr natürlich nicht) im wesentlichen die Grundlage gebildet zu haben.

Einige sprachliche Spuren finden sich, dass Polybius vom dritten Buche an eine lateinisch geschriebene Quelle mitunter zu Rathe gezogen hat. Sie finden sich in Ausdrücken wie 'ʼn κа0' ημâc áλacca' für 'mare nostrum' 3, 37, 6; 37, 10; ferner 3, 39, 4, in einem Capitel, in welchem wir schon bei der Besprechung der Fragmente (p. 15 u. 71) Spuren von Coelius wahrgenommen haben, unzweideutig. Im zweiten Buche, wo Polybius das westmittelländische Meer oft genug zu nennen hatte, war dessen Name noch Zapdŵov πέλαγος gewesen, oder Σικελικόν, Τυῤῥηνικόν', wenn es nothwendig war auch Σικελικὸν καὶ Τυῤῥηνικόν', aber nie τὸ καθ ̓ nuâc'. Der Name 'mare nostrum' kam erst im zweiten Jahrhundert auf, als das westmittelländische Becken durch die Eroberung Spaniens und Liguriens fast ein römischer Binnensee geworden war, kann demnach selbst Fabius Pictor um von der Sprache abzusehen noch nicht entnommen sein.

Ferner 'oi KEATOì oi ènì tάde' 3, 34, 4 für 'Galli Cisalpini'. Dieses letzte Beispiel ist um so schlagender, als der Abschnitt, in dem es sich befindet, ursprünglich carthagischer Quelle entstammt (Böttcher, Quellen des Livius, § 4). Der Carthager hatte schwerlich Gallia Cisalpina gesagt für Gallien südlich der Alpen, sondern entweder οἱ ἐν Ἰταλίᾳ Κελτοί oder οἱ περὶ τὸν Πάδον, wie auch Polybius sie gewöhnlich nennt im Gegensatze zu oi πepi tòv Podavóv29). Den Anschauungen eines Griechen, der in Griecheuland wohnt und schreibt, wäre eine solche Bezeichnung fremd, und in den Augen des Carthagers sind oi Keλtoì oi ènì τάde die Bewohner von Narbonensis. Wenn das Wort trotzdem in diesem Capitel und in dieser Bedeutung sich findet, ist es ein Beweis, dass es römische Ueberarbeitung erlitten hatte.

29) Tepi Tòv Tádov 2, 17, 3; 2, 19, 13; 2, 31, 8; 2, 35, 4; 3, 34, 2; 3, 39, 10; 3, 47, 4; οἱ ἐν Ιταλίᾳ 1, 13, 4; 2, 13, 7; οἱ περὶ τὸν 'Podavóv 2, 22, 1.

§ 5.

Wir sind mit der Behandlung der Fragmente des Coelius zu Ende. Wir haben uns jetzt ein Gesammtbild seiner Persönlichkeit zusammenzustellen.

Mit dem Kreise der Scipionen, eines Laelius, Fannius und ohne Zweifel auch Polybius vertraut, hat Coelius sich die Ideen, die in diesem Kreise herrschten, angeeignet. Er hat erkannt, dass Geschichtsschreibung in dem Chronikstil eines Fabius, Cincius oder Cato werthlos ist, dass einzig die pragmatische Geschichte Anspruch auf den Namen Historik habe, dass aber diese bei dem Mangel an genügendem und zuverlässigem Material nur dann einen Höhepunkt erreichen. kann, wenn der Geschichtsschreiber mit der selbsterlebten Zeit oder der zunächst vorhergehenden sich begnügt.

Ein junger Mann von einigen 30 Jahren hat er sich so die Aufgabe gestellt, den grössten aller Kriege, die Rom je geführt, den Hannibalischen Krieg zu beschreiben, der, kaum 50 Jahre beendet und seitdem durch keine bedeutende Waffenthat in Schatten gestellt, noch in frischem Gedächtniss war. Noch lebten in Rom eine Reihe von Männern, die den Krieg selber gesehen hatten. Ausgerüstet mit nicht unbedeutenden Kenntnissen in der griechischen wie in der römischen Literatur, rhetorisch gebildet 30) und von einem hervorragenden Darstellungstalent, das auch die Alten anerkannten 31), unterstützt von den besten Hilfsmitteln, griff er sein Werk an, das trotz mannigfacher Mängel, die an ihm haften blieben, einen neuen Aufschwung in der römischen Historiographie herbeiführen sollte.32)

Die Quellen, die Coelius dieser Erstlingsschrift zu Grunde gelegt hat, haben wir bereits aufgezählt; es sind die Darstellungen aller Parteien, und es ist dies ein Umstand, der von vorn herein zu Gunsten seiner Wahrheitsliebe spricht. Aus dem hohen Lobe aber, das ihm Livius zu Theil werden lässt, der, so oft er Coelius nennt, dessen Meinung fast niemals zurückweist, immer mit einer Anerkennung aufführt, die um so beachtenswerther ist, wenn wir des Livius Urtheile z. B. über Valerius Antias und andere gegenüber halten; dass aus dem Lobe des Livius, sagen wir, und dem Umstande, dass selbst Polybius ihn zu Rathe gezogen hat, können wir ermessen, Coelius mit Gewissenhaftigkeit und Wahrheitsliebe seine Quellen benützt hat. Welch' aufrichtige Mühe sich Coelius gegeben, die

30) Brut. 26, 102 fuit ut temporibus illis luculentus, iuris valde peritus, multorum etiam ut L. Crassi magister. Pomp. Dig. 1, 2, 2, 40 sed Dass Coelius, um plus eloquentiae quam scientiae iuris operam dedit. dies nebenbei zu bemerken, praktischer Advokat war, geht aus De orat. 2, 13, 55 hervor: nemo enim studet eloquentiae nostrorum hominum, nisi ut in causis atque in foro eluceat.

31) Cic. De Orat. 2, 12, 54; De legg. 1, 2, 6; Pompon. a. a. O.; Spart. Hadr. 16, 6 p. 17, 1 P.

32) Cic. a. a. O.

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