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V. 6

<WEIS>

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VORREDE.

Bei der neuen Bearbeitung des vorliegenden Bandes bin ich ausser durch die Ausgabe von M. Hertz, die Emendationes Livv. von Madvig, die Quaestiones Livv. von Sartorius, die Abhandlungen von Ulr. Köhler, Ad. Koch u. A. auch durch briefliche Mittheilungen von Herrn Professor C. Ed. Putsche in Weimar, dem ich für seine Theilnahme an meiner Arbeit meinen Dank ausspreche, unterstützt worden. Die von den genannten Gelehrten aufgestellten Conjecturen habe ich nach denselben Grundsätzen benutzt, welche in den Vorreden zu den neuen Auflagen des 1. u. 5. Bandes kurz angedeutet sind. Ich hatte mich hier zu der Ansicht Dukers bekannt, welcher sich zu Liv. 37, 6, 7 über diesen Punkt so ausspricht: non libenter moveo terminos veteres, id est scripturam receptam, quae probabili aliqua ratione defendi potest, praesertim si ipsa quoque libros scriptos auctores habet. Coniecturas in medium proferre liberum est, weil mir in diesen Worten die beiden wichtigsten Bedingungen angegeben zu sein schienen, unter denen Conjecturen zulässig sind: 1) wenn die hergebrachte Lesart auf passende Weise nicht vertheidigt werden kann, 2) wenn sie sich nicht auf die Handschriften stützt, während ich den letzten Satz auf manche geistreiche aber nicht nothwendige Conjecturen von J. Fr. Gronov oder auf Aenderungen, wie die von I. Gronov an der angef. Stelle, beziehen zu dürfen glaubte. Ganz anders urtheilt über die von Duker ausgesprochenen Grundsätze und deren Anwendung der Recensent des 8. Bändchens des Liv. in der Zeitschrift für Gymnasialwesen XVII, 443 ff., Herr Ad. Koch: er glaubt gegen dieselben protestiren, sie als verwerfliche und unwissenschaftliche bekämpfen zu müssen; sieht so die Conjectur zum blossen Spiel

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werk herabgewürdigt, die Herrschaft der vulgata, von der uns die Wissenschaft befreit habe, wieder zurückgeführt. Der ebenso scharfsinnige als vorsichtige und gelehrte Duker würde gewiss staunen, wenn er jetzt sehen könnte, was für gefährliche, der Wissenschaft unwürdige Lehren er aufgestellt habe, und dass seine trefflichen Conjecturen, so weit er selbst nicht kühn genug gewesen ist, sie zur Aufnahme in den Text zu empfehlen, blosses Spielwerk seien. Hr. Koch verlangt, dass die Conjectur aus streng methodischer Forschung hervorgehe, dass sie, wenn ihre Nothwendigkeit und Wahrscheinlichkeit sich beweisen lasse, in, nicht unter dem Texte stehe. Wenn man erwägt, dass die Nothwendigkeit einer Conjectur nur als erwiesen betrachtet werden kann, wenn dargethan ist, dass die vorhandene Lesart 1) sich (sprachlich, logisch, auch wohl historisch) nicht vertheidigen lasse, 2) durch Handschriften nicht begründet sei, so ist nicht schwer zu erkennen, dass Hr. K. irrt, wenn er glaubt etwas wesentlich Anderes zu sagen, als was Duker ausgesprochen hat. Freilich ist, wie täglich die Erfahrung zeigt, das Gebiet der Nothwendigkeit in der Kritik ein schwer zu begrenzendes, noch mehr das der Wahrscheinlichkeit. Denn nicht mathematische Gewissheit, sondern die Ueberzeugung von der Wahrscheinlichkeit einer Conjectur, wie sie der Geschworene hat, wenn er sein Schuldig oder nicht Schuldig ausspricht, nimmt Hr. K. in Anspruch. Er hat damit einen Grundsatz ausgesprochen, den ich immer gehegt habe und zu befolgen bemüht gewesen bin, vorausgesetzt, dass Hr. K. nicht an die Geschworenen Englands, die bekanntlich bisweilen nur durch die Noth zur Einstimmigkeit gezwungen werden, sondern an deutsche gedacht hat, die ihrer Ueberzeugung treu bleiben dürfen, und so nicht selten über ein und denselben Fall in ihren Ansichten auseinander gehen, aber gewiss mit gleicher Gewissenhaftigkeit, die Einen das Schuldig, die Anderen das nicht Schuldig aussprechen. Dasselbe Recht darf der Kritiker für sich in Anspruch nehmen, auch dieser soll nach sorgfältiger Prüfung aller einschlagenden Momente, mit der Gewissenhaftigkeit, die das Streben nach Wahrheit zur Pflicht macht, die dargebotenen Verbesserungsvorschläge, wenn er sie hinreichend begründet findet, aufnehmen; wenn er sich nicht überzeugen kann, dass sie allen Bedingungen entsprechen, auch wenn ein Anderer das Gegentheil glaubt, lieber das Bestehende beibehalten, als etwas Ungewisses in den Text setzen, was vielleicht der nächste Tag umstösst. Und je grösser in der Kritik der Kreis der Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten ist, je leichter man verleitet wird eine

scheinbar glänzende oder mit grossem Selbstvertrauen ausgesprochene Veränderung für eine nothwendige zu halten; je schwerer es oft ist aus einer grossen Zahl von Vermuthungen sich für eine als die wahrscheinlichste oder die nothwendige Lōsung des Räthsels zu entscheiden, um so mehr ist es wohl gerathen hier mit Vorsicht zu Werke zu gehen, namentlich in Ausgaben die, zunächst für die Schule bestimmt, nicht den Anspruch machen vorzugsweise kritische zu sein; und ich gestehe gern, durch die Erfahrung, dass Manches, was ich früher glaubte nicht vertheidigen zu können, dennoch von Anderen oder mir selbst später als richtig, manche Conjectur, die ich aufgenommen hatte, als nicht entsprechend erkannt wurde, mehr bedenklich gemacht als ermuthigt worden zu sein zur Zulassung von Textesveränderungen. Wie schwierig es übrigens ist, die von Hrn. K. aufgestellten Grundsätze für die Entscheidung über die Wahrscheinlichkeit einer Conjectur durchzuführen, möge ein nahe liegendes Beispiel zeigen. Hr. K. hat für die dritte Decade gegen 100 Conjecturen aufgestellt; er hält sie, denn sonst wären sie ja bloss Spielwerk, gewiss für nothwendig und wahrscheinlich und hat sie nach streng methodischer Forschung gefunden; sie sollten also wohl nach seiner Ansicht eine Stelle im Texte erhalten. Ich hoffe Hr. K. wird sich nicht weigern Madvig als Geschworenen anzuerkennen, und dessen Urtheil sich gegenüber dasselbe Gewicht beizulegen, welches er ihm in Rücksicht auf mich einräumt. Madvig hat sein Urtheil über die Vorschläge Hrn. K's. gefällt; und wie hat er geurtheilt? Ueber die Hälfte der Stellen, die Hr. K. für schuldig erklärt und verurtheilt, hat er das nicht Schuldig ausgesprochen, und die handschriftliche oder herkömmliche Lesart beibehalten, nur an wenigen die Richtigkeit des Textes bezweifelnd, aber ohne Hrn. K's. Vorschläge zu billigen; an mehr als 30 anderen, die meist offenbar verdorben und schon von Anderen in Zweifel gezogen sind, hat er nicht die Vorschläge von Hrn. K., sondern seine oder Anderer Verbesserungen aufgenommen; unter den 10-12 noch übrigen war die Hälfte bereits so, wie Hr. K. will, hergestellt, und Madvig ist natürlich den früheren Gelehrten gefolgt; etwa an 6 Stellen von 100, wenn mir nichts entgangen ist, hat er die Conjecturen Hrn. K's als begründet anerkannt. Ich glaube dieses eine Beispiel zeigt hinreichend, welche Vorsicht bei der Aufnahme von Conjecturen nothwendig ist, selbst, wenn der Urheber derselben sich bewusst ist, dass sie nicht Spielwerk, sondern nothwendig und wahrscheinlich seien.

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