Immagini della pagina
PDF
ePub

Wenn ich mich nun anschicke, die ganz verstummte Opposition wieder aufzunehmen, so muss ich vor allen Dingen bemerken, dass meine beiden Sätze in nothwendiger Verbindung stehen. Man kann nicht den einen derselben bejahen und den andern verneinen. Die brittischen Völker, wie ich der Kürze wegen die Kymren in Wales und der Bretagne, und die Gaelen in Irland und Schottland, mit einem Namen nennen will, können nicht Kelten sein, wenn die Germanen Kelten sind, und umgekehrt, wenn die Germanen Kelten sind, so können die Britten keine Kelten sein. Denn die Britten und die Germanen sind zwei ganz verschiedene Völker; ihre Sprachen, obgleich allerdings nicht ohne deutliche Spuren eines gemeinsamen Ursprungs, weichen doch so weit von einander ab, dass sie unmöglich in dem Verhältniss naher Verwandtschaft stehen oder gar nur verschiedene Mundarten derselben Sprache sein können. Wer also beweisen will, dass die Germanen Kelten sind, dem ist ebendarum der Beweis dafür auferlegt, dass die Britten mit Unrecht zu den Kelten gezählt werden.

Um nun diesen doppelten Beweis zu führen, scheint mir das gerathenste den Stoff in folgender Weise in vier Theile zu ordnen. In den ersten Theil stelle ich die negativen Beweise, welche nicht sowohl die Wahrheit meiner Sätze, als die Unmöglichkeit der entgegenstehenden darthun sollen; im zweiten Theil werde ich die Ansichten und Zeugnisse der Alten über das Verhältniss der Germanen zu den Kelten einer neuen Prüfung unterwerfen; im dritten Theil sollen die Thatsachen angeführt und untersucht werden, ob die Leibesbeschaffenheit, die Sitten, die Rechtsverhältnisse, die Religion der alten Kelten sie zu den Britten oder zu den Germanen stellt; endlich im vierten Theil soll die letzte Entscheidung von der Sprache genommen werden; die erhaltenen altkeltischen Wörter sollen darauf angesehen werden, ob sie wirklich, wie jetzt allgemein behauptet wird, kymrisch oder ob sie deutsch sind. Ich werde mich in allen Theilen auf das Nothwendige und Hinreichende beschränken müssen, sonst hätte ich allerdings Gelegenheit, aus jedem Theil, ohne gerade Ungehöriges einzumischen, ein ganzes Buch zu machen.

Erster Theil.

NEGATIVE BEWEISE.

Eine Wahrheit ist immer fruchtbar, und wenn eine Ansicht längere Zeit festgehalten wird, ohne durch Aufschlüsse, die sie bringt, durch Entdeckungen, die ihre natürliche Folge sind, durch Licht, das sie fortwährend verbreitet, sich als Wahrheit zu beurkunden, so muss man endlich zweifeln, ob sie mehr sei als eine überlieferte aber falsche Meinung. Seit mehr als hundert Jahren herrscht nun die Ansicht, dass brittische Völker unter dem Namen der Gallier oder Kelten ganz Frankreich, einen Theil von Spanien, Norditalien, grosse Striche von Deutschland und noch weiter nach Osten die Donauländer bis gegen das schwarze Meer hin inne gehabt haben; und was ist der Gewinn, den die Wissenschaft, die Geschichte aus dieser Ansicht ziehen konnte? Sind die keltischen Alterthümer von diesem Standpunct aus mit Nutzen betrachtet worden? Haben die Rechtsverhältnisse der alten keltischen Völker aus den Gesetzen, den Sitten und Gebräuchen der Kymren Erläuterung erhalten? Ist die alte Religion der Gallier aus der kymrischen Sprache und den Resten des heidnischen Volksglaubens der Kymren aufgeklärt worden? Sind deutliche Spuren der kymrischen oder irischschottischen Sprache in allen den weitverbreiteten Wohnplätzen der Kelten in den Ortsnamen nachgewiesen worden? und sind die zahlreichen keltischen Personennamen von den Galatischen in Kleinasien bis zu den Keltiberischen in Spanien als kymrische oder irische mit Sicherheit erkannt und erklärt worden? Auf alle diese Fragen muss ich mit Nein antworten, obgleich unsre Keltomanen oder vielmehr Brittomanen sie bejahen. Nichts hat die hundertjährige Herrschaft der jetzigen Ansicht der Wissenschaft eingebracht, als eine Fluth von windigen Etymologieen. Dass der gallische Gott Teutates

fett war, weil ein kymrisches Adjectiv tew fett bedeutet, wovon tewdawd, pinguitudo, abgeleitet ist; dass die Deutschen fürchterlich schreien konnten, weil ein kymrisches Wort german, Schreier, zwar nie existirt hat, aber doch von unsern neuen Kymrischgelehrten gebildet werden konnte; solche Kostbarkeiten, deren man eine reiche Blumenlese sammeln könnte, sind der einzige Gewinn, den seit hundert Jahren die herrschende Ansicht des Keltenthums gebracht hat. Alle diese Dinge sind doch eigentlich dem Ernst der Wissenschaft ganz fremd, obgleich sie von den gelehrtesten Männern mit der ernsthaftesten Miene als die wichtigsten Entdeckungen vorgetragen werden. Einigemal haben solche Versuche, das keltische Alterthum aus den brittischen Sprachen aufzuhellen, ein vorübergehendes Aufsehen gemacht, aber sie waren nie von nachhaltiger Wirkung. Gegen eine Ansicht, die sich so gänzlich unfruchtbar zeigt, muss doch endlich ein Zweifel erlaubt sein; man kann sich des Bedenkens nicht erwehren, dass eine Lehre, die fast nur Lächerliches zur Folge hat, so allgemein sie gilt, doch ohne feste Begründung und ohne Wahrheit sei.

Aber diese Bedenken werden noch gesteigert durch eine wichtigere Betrachtung. Wenn es wahr ist, dass die Kelten ein andrer Volksstamm sind als die Germanen, so giebt es eigentlich in der Geschichte und der Geographie keinen Raum für die Germanen, und es ist durchaus unbegreiflich, woher plötzlich die germanischen Völker kommen sollen. Betrachten wir den Boden Europas etwa im zweiten Jahrhundert vor Christus. Wir finden keltische Völker nicht nur in Gallien und Norditalien, sondern auch die Helvetier und Bojer, entschieden keltischen Stammes, in Süddeutschland vom Main an und östlich und nördlich bis nach Böhmen hinein. Germania 28: Igitur inter Hercyniam silvam Rhenumque et Moenum amnes Helvetii, ulteriora Boji, Gallica utraque gens, tenuere. Manet adhuc Boihemi nomen signatque loci veterem memoriam, quamvis mutatis cultoribus. Weiter östlich kennt noch Tacitus keltische Gothini, und der ganze Raum von Böhmen bis zum adriatischen Meer ist von gallischen Völkern bewohnt; an sie schliessen sich östlich die Skordisker an, entschieden keltischen Stammes und bis zu den Illyriern und den Thra

Holtzmann, Kelten und Germanen.

2

kern reichend. Weiter nördlich bis zu den Donaumündungen wohnen die Bastarnen und Peukiner, die ebenfalls für Galaten gehalten werden müssen, wenn man nicht alle historischen Zeugnisse verwerfen will; sie berühren sich mit thrakischen und mit sarmatischen Völkern. So haben wir also eine ununterbrochene Reihe keltischer Völker von Gallien durch die südliche Hälfte Deutschlands bis zu den illyrischen, den thrakischen und den sarmatischen Völkern, und hier ist nirgends Raum für die Germanen, wenn sie von den Kelten verschieden sein sollen. Ueber den Norden vermissen wir deutliche Nachrichten über die einzelnen Völker und ihre Grenzen, aber die Alten wissen nur, dass von den nördlichen Meeren an Kelten wohnen bis zu den Skythen. Die ältesten Bewohner des nördlichen Deutschlands, von denen wir wissen, sind die Kimbern, Teutonen und Ambronen, und diese werden von allen ältern Schriftstellern nicht anders als Gallier genannt. Auch ist gewiss richtig, dass die Personennamen der Kimbern und Teutonen ganz ebenso gebildet sind wie die gallischen; ja einer derselben, Bojorix, kommt bei Livius 34, 46 als der Name eines Bojerfürsten vor. Es ist also durchaus kein Grund da, die Kimbern und Teutonen nicht für Kelten zu halten. Wenn Poseidonius bei Strabo und Plutarch im Marius, und Diodor (V, 32) Recht haben, dass die Kimbern dieselben sind mit den Kimmeriern, so finden wir bei Herodot schon im siebten Jahrh. vor Chr. Kelten und Skythen in unmittelbarer Berührung, und es ist also für ein grosses Volk zwischen den Kelten und Skythen kein Raum da. Diess ist denn auch die Ansicht neuerer Forscher. W. Wackernagel eröffnet seine Geschichte der deutschen Literatur mit dem Satze, dass die Kelten und hinter ihnen die Slaven das Mittelland Europas einnahmen. P. A. Munch in seiner norwegischen Geschichte S. 12 der Uebersetzung von Claussen: „wir finden das äusserste Glied der Skythen im Westen da, wo das äusserste Glied der Kelten im Osten endigt," und S. 14: „für die ältesten Germanen bleibt demnach im eigentlichen Mitteleuropa während jener ältesten Zeit kein Raum übrig.“

Woher sollen denn nun die Germanen kommen, die wir plötzlich im letzten Jahrhundert vor Christus in so zahlreichen Stämmen zwischen den Kelten einerseits und den Slaven, und Skythen und

Thrakern andererseits auftreten sehen? Sie seien, lehrt sowohl Wackernagel als Munch, aus Scandinavien gekommen und hätten wie ein Keil sich eindrängend die Kelten und die Slaven aus einander geworfen. Dafür beruft man sich auf die Sagen der Gothen und Langobarden, welche nach Jornandes und Paulus Diaconus wirklich aus Skandinavien gekommen sein sollen. Diese Annahme ist aber doch im höchsten Grad unwahrscheinlich, ja geradezu unmöglich. Zur Zeit des Tacitus, wo also die Erinnerung an diese grossen Züge noch ganz frisch hätte sein müssen, wussten die Germanen nichts davon. Wie hätte sonst Tacitus die bekannte Stelle Germania 2 schreiben können: ipsos Germanos indigenas crediderim? Ferner stehen, wie schon Wackernagel bemerkt, mit jener Annahme und mit jenen spätern Sagen die Ueberlieferungen der nordischen Völker selbst im geraden Widerspruch. Danach ging der Zug der Einwanderung nicht von Skandinavien nach Deutschland, sondern umgekehrt von Deutschland nach Skandinavien. Von Asien her kam Odin zuerst nach Russland, dann nach Sachsen, wo er lange wohnte und die Reiche an seine Söhne vertheilte; von da zog er nach Fünen, und endlich nach Schweden. Diese Wanderungen Odins zeigen ohne Zweifel den Weg, dem die deutschen Völker wirklich folgten. Mit diesen nordischen Erinnerungen an eine Einwanderung der Deutschen von Osten her stimmen die Ueberlieferungen der deutschen Völker selbst überein. Die Franken kamen nach der Sage von Troja, d. h. aus Asien, an die Donau und von da an den Rein. Auch Paulus Diaconus weiss, dass Wodan früher in Griechenland gewesen war, also von Osten nach Deutschland kam. Selbst die gothische Sage weist auf eine östliche Einwanderung hin, da ja nach ihr die Gothen nicht vom Norden durch Deutschland herabkamen, sondern vom äussersten Skythien, vom schwarzen Meer her einwanderten. Der Name Skandinavien war gewiss in den alten Gesängen, aus welchen ihre Geschichte geschöpft ist, nicht genannt, wohl aber ein Land, aus welchem sie zu Schiff über ein Meer auswanderten. Jedenfalls ist diess ein Beweis des hohen Alters dieser Ueberlieferungen, denn auf dem Zug von Osten her konnten die Deutschen sehr lange nicht über ein Meer geschifft sein. Welches Land und welches Meer ursprüng

« IndietroContinua »